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Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

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8<br />

KAPITEL I<br />

Der bereits genannte Kulturanthropologe Bargatzky (1985: 119-<br />

120) schließlich stellt wichtige Kriterien <strong>des</strong>sen zusammen, was<br />

Religionen bewirken:<br />

„Erstens: Religionen erklären. Sie beantworten Fragen, <strong>die</strong> den Menschen<br />

immer wieder bewegen: Fragen nach der Entstehung der Welt, nach der Art<br />

der Beziehungen zwischen den Menschen <strong>und</strong> den übrigen Lebewesen seiner<br />

Welt <strong>und</strong> den in <strong>die</strong>ser Welt waltenden Kräften. Sie geben eine Antwort auf<br />

<strong>die</strong> Frage, warum Menschen sterben (bzw. geboren werden!), warum sie Erfolg<br />

ud Mißerfolg haben, usw. Zweitens: Religionen legitimieren den status<br />

quo, indem sie <strong>die</strong> Existenz von Mächten <strong>und</strong> Kräften annehmen, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

herrschende moralische <strong>und</strong> soziale Ordnung stützen. [...]. Drittens: Religionen<br />

wirken verstärkend auf <strong>die</strong> menschlichen Bemühungen im Kampf<br />

gegen <strong>die</strong> Fährnisse <strong>des</strong> Lebens, wie Krankheit, Tod, Unglück, Scheitern,<br />

Not, Katastrophen, usw. Sie verleihen dem Gläubigen innere Sicherheit,<br />

indem sie der Welt <strong>und</strong> dem, was in ihr geschieht, Bedeutung zuweisen.<br />

Viertens: Religionen erhöhen das Gefühl der Zusammengehörigkeit der<br />

Mitglieder einer Gruppe, z.B. indem sie ihnen <strong>die</strong> Gelegenheit zur Ausübung<br />

von Riten geben. Religion hat – <strong>und</strong> hier nähern wir uns der Antwort<br />

auf <strong>die</strong> Frage nach dem Warum – min<strong>des</strong>tens zwei Seiten: Sie liefert Modelle<br />

von der Welt <strong>und</strong> Modelle für das Handeln in der Welt.“<br />

In vorliegendem Falle – dem der Religionsgeschichte Japans –<br />

ergibt sich noch ein weiteres Problemfeld. Es entsteht aufgr<strong>und</strong><br />

der Tatsache, daß <strong>die</strong> zur Betrachtung anstehende Kultur <strong>und</strong> Religion<br />

nicht <strong>die</strong> <strong>des</strong> Betrachters darstellt, es handelt sich vielmehr um<br />

eine für ihn „fremde“ Religion.<br />

Mag <strong>die</strong>ses Problem zunächst auch banal erscheinen, so ergeben<br />

sich doch weitreichende Konsequenzen, sobald der Bereich<br />

der geistigen Kultur, also Religion <strong>und</strong> Ethik, Philosophie <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />

Normensysteme, betreten wird. Die meist unbewußt<br />

bleibende Unterschiedlichkeit in bezug auf Terminologie <strong>und</strong> Kategorisierungen<br />

etwa, stellt hier nur einen ersten <strong>und</strong> besonders<br />

sinnfälligen Irrgarten kultureller Mimikry dar, <strong>und</strong> es stellt sich<br />

das Problem der Übersetzung in nicht nur sprachlicher Hinsicht,<br />

sondern mehr noch in semantischer: Bedeutet „Gott“ auch in Japan<br />

„Gott“, oder doch eher „Geist“, <strong>und</strong> was würde in <strong>die</strong>sem<br />

Falle dann „Geist“ besagen? Um eine zusätzliche Problemebene<br />

erweitert: Ist der Gehalt <strong>des</strong> chinesischen Zeichens für „Geist“<br />

(shen) identisch mit der in Japan mit dem Begriff kami verb<strong>und</strong>enen<br />

Vorstellung, <strong>und</strong> deckt <strong>die</strong>se sich wiederum mit der europäischen<br />

<strong>Konzeption</strong> <strong>des</strong> Geistes oder aber der Geister? Erinnert<br />

sei hier an Klaus Krachts eigenwillige Übersetzung <strong>des</strong> <strong>japanischen</strong><br />

Begriffs kami mit „Geist“ <strong>und</strong> daraus folgend shintô mit „Geist-

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