Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

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KAPITEL IV
Zur Verbreitung dieses weltanschaulichen Systems erschien am
20 März 1937 ein umfangreiches Kommentarwerk zum Kaiserlichen
Erziehungserlaß von 1890 unter dem Titel Kokutai no hongi,
„Die Grundprinzipien des (japanischen) Nationalwesens.“
Dieser Text, bis zum Kriegsende 1945 millionenfach in den japanischen
Schulen verbreitet und nach dem Kriege als eines von
zwei schriftlichen Dokumenten des japanischen „Ultranationalismus“
von der amerikanischen Besatzungsmacht verboten, 8 malt
in aller Ausführlichkeit die Grundprinzipien des kokutai-Denkens
in der uns nun schon bekannten Art aus. Dieses Werk war als
Handbuch zur ideologischen Schulung der Lehrer konzipiert worden.
Den Urtext verfaßte kein Geringerer als Hisamatsu Sennichi,
Professor an der Tôdai und als Autorität auf dem Gebiet der japanischen
Klassiker anerkannt.
Die Überlegenheit der eigenen Nation, ihre alle anderen Länder
überstrahlende Tugend, wurde auch zur Legitimation des japanischen
Anspruchs auf Führerschaft in Ostasien herangezogen.
Auch hier ist es wieder das mythische Altertum, welches das Modell
liefert. Im Kokutai no hongi heißt es zu den für Japan siegreich
verlaufenen Kriegen gegen Rußland und China, der Annexion
Koreas während der Meiji-Zeit, sowie der Gründung Manchukuos,
diese Landnahmen folgten nur der Ausbreitung des japanischen
Volkes im Altertum, den Kämpfen gegen Ainu und Kumaso,
dem Vorgehen der Jingû Kôgô gegen Shiragi:
„The Sino-Japanese and Russo-Japanese Wars, the annexation of Korea,
and the efforts exerted in the founding of Manchoukuo, are one and all but
expressions of the great august Will replying to the august benevolence
seen in the granting of the Land by the Imperial Ancestors to the
Grandchild“ (Gauntlett, Hall 1949: 75; Kokutai no hongi 1937: 28).
An anderer Stelle heißt es über den besonderen Geist Yamatos,
dem Lande der Götter, er sei in jüngerer Zeit mit Macht erstanden
und habe sich konkret im Sino-Japanischen und Russisch-Japanischen
Krieg manifestiert. 9 Der Armee falle die Aufgabe der
Friedenssicherung in Asien zu, eine Erfahrung, die bereits im Si-
8 S.u. Kap. V. 1.1, Shintô-Direktive vom 15. 12. 1945 mit dem Titel „Abolition of Governmental
Sponsorship, Support, Perpetuation, Control and Dissemination of State Shintô“; vgl.
Gauntlett, Hall 1949: V.
9 Gauntlett, Hall 1949: 132; Kokutai no hongi 1937: 94.