04.06.2013 Aufrufe

Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

TAISHÔ- UND FRÜHE SHÔWA-ZEIT 315<br />

führungen (1931) im folgenden – stark gekürzt – wiedergegeben.<br />

Bemerkenswert erscheint u. a., daß für ihn als Zeitzeugen der Ausdruck<br />

„Staatsshintô“ eine Selbstverständlichkeit darstellt, <strong>die</strong> häufig<br />

vorgebrachte Ansicht, es handele sich dabei um eine Wortschöpfung<br />

aus der Nachkriegszeit, somit hinfällig wird. Im Vordergr<strong>und</strong><br />

seiner Ausführungen steht das zentrale Problem <strong>des</strong><br />

offiziell als areligiös verstandenen Staatsshintô. Schiller beschreibt<br />

in lebendigen <strong>und</strong> bewegenden Worten <strong>die</strong> Verwirrung einer <strong>japanischen</strong><br />

Bevölkerung, der nicht einleuchten mag, daß ihren angestammten<br />

Gottheiten nun keine religiöse Qualität mehr eigen sein<br />

soll:<br />

„Warum bleibt <strong>die</strong>se Sache [der Areligiösität <strong>des</strong> Staatsshintô, d. Verf.] nun<br />

doch ein schweres Problem? Einfach darum, weil eine solche Regierungserklärung<br />

nicht genügen kann, das Volk dahin zu bringen, zu<br />

glauben, daß <strong>die</strong> Verehrung, <strong>die</strong> es seit alten Zeiten bei seinen Heiligtümern<br />

gehalten hat, nun nicht mehr religiöse Verehrung sein soll, daß also<br />

Amaterasu no Mikoto, <strong>die</strong> als Daijingû in Ise verehrt wird, nicht mehr wie<br />

seit alters <strong>die</strong> Sonnengöttin, sondern nur <strong>die</strong> Ahnmutter <strong>des</strong> Kaiserhauses<br />

sein soll. (Schiller 1931: 85 f.) ...<br />

Die Regierung selbst scheint das Problem in seiner Schwierigkeit zu fühlen<br />

<strong>und</strong> hat darum im letzten Jahre zur Untersuchung <strong>des</strong>selben eine<br />

Kommission von 30 angesehenen Gelehrten, Shintopriestern <strong>und</strong><br />

Parlamentariern berufen, deren wichtigste Aufgabe sein soll, festzustellen,<br />

ob Shinto wirklich in der Sphäre der Religion liege, was dann, wenn <strong>die</strong>se<br />

Frage bejaht würde, wichtige Folgerungen nach sich ziehen würde. Denn<br />

wenn Shinto wirklich Religion ist <strong>und</strong> nicht nur eine Angelegenheit der<br />

öffentlichen Staatssittlichkeit, so müßte dann <strong>die</strong> in der Verfassung<br />

garantierte Religionsfreiheit in der Weise durchgeführt werden, daß kein<br />

Schulkind mehr zum Tempelgange gezwungen würde, es dürften dann auch<br />

<strong>die</strong> Schreine <strong>des</strong> Staatsshinto nicht mehr aus den allgemeinen Staatsmitteln<br />

bezahlt werden. Der Vorsitzende <strong>die</strong>ser Kommission, Professor Yamakawa,<br />

Mitglied <strong>des</strong> Geheimen Staatsrats, früher Präsident der Kaiserlichen<br />

Universität zu Tôkyô, hat erklärt, daß man wenigstens fünf Jahre benötige,<br />

um <strong>die</strong>ses Problem durch <strong>die</strong> Kommission zu lösen! Und der Direktor <strong>des</strong><br />

Staatstempel-Büros, Baron Kinoshi Ikeda, meint, daß dann das Resultat<br />

<strong>die</strong>ser Kommissionsarbeit <strong>die</strong> Unterlagen bilden würde für eine weitere<br />

Kommission, <strong>die</strong> vielleicht nach 40 Jahren einberufen werden würde!!!<br />

(vgl. ‘Japan Advertiser’ vom 11. Dezember 1929). – Das sieht aus, als ob<br />

man lange Zeit gewinnen wollte. (Schiller 1931: 86) ...<br />

Daß <strong>die</strong> Frage stark ventiliert wird, beweist <strong>die</strong> Beratung, welche <strong>die</strong> Kyôto-<br />

Zeitschrift ‘Bunka Jippo’ (Zeitschrift für Kulturfortschritt) am 17. Februar<br />

<strong>die</strong>ses Jahres veranstaltete, zu welcher angesehene Shinto- <strong>und</strong> Buddha-<br />

Priester, auch Professoren, ein Vertreter <strong>des</strong> <strong>japanischen</strong> Christentums <strong>und</strong><br />

als einziger Ausländer der Verfasser <strong>die</strong>ser Mitteilungen geladen waren. Da<br />

wurde denn das Problem <strong>des</strong> Staatsshinto nach allen Seiten hin

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!