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Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

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218<br />

KAPITEL III<br />

Die geschilderten Maßnahmen vollendeten den Meiji-zeitlichen<br />

Staatsshintô. Er äußerte sich für den einfachen Japaner in der traditionellen<br />

Beziehung zwischen Staat <strong>und</strong> den großen Kultstätten,<br />

in staatlichen Feiertagen, deren Inhalte von Kaisertum <strong>und</strong> <strong>Shintô</strong><br />

bestimmt waren, in der Behandlung von shintôistischen Mythen als<br />

historischer Wahrheit im Geschichtsunterricht, in dem shintôistisch<br />

f<strong>und</strong>ierten Moralunterricht <strong>und</strong> dem für Schulklassen verpflichtenden<br />

jährlichen Schreinbesuch, sowie in der religiösen Verehrung<br />

von Kaiserbildern <strong>und</strong> den offiziellen Kopien <strong>des</strong> Kyôiku<br />

chokugo. Damit war <strong>die</strong> Lehre verbindlich formuliert <strong>und</strong> ihre<br />

Verbreitung im Volke durch Moralerziehung <strong>und</strong> Militärausbildung<br />

sichergestellt. 58<br />

3. 2 Moral als Mittel der nationalen Einheit: Das Beispiel <strong>des</strong><br />

Inoue Tetsujirô 59<br />

Zur Durchsetzung der nationalen Einigung <strong>und</strong> Abwendung der<br />

im Japan jener Zeit kursierenden Bestrebungen um Freiheit <strong>und</strong><br />

Bürgerrechte be<strong>die</strong>nte sich <strong>die</strong> Staatsführung seit der Mitte der<br />

Meiji-Zeit solcher Mittel, <strong>die</strong> von dem Historiker Kosaka Masaaki<br />

(1958: 374 ff.) unter den zwei Begriffen (1.) „Gesetz“ <strong>und</strong> (2.)<br />

„Moral“ subsumiert werden. Auf der Basis von „Gesetz“ <strong>und</strong><br />

„Moral“ konnte <strong>die</strong> Nation entsprechend der Ideologie <strong>des</strong> Familismus<br />

organisiert werden. 60 Als höchster Ausdruck der rechtlichen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen <strong>des</strong> Staates, <strong>des</strong> „Gesetzes“ also, kann <strong>die</strong> am 11.<br />

Februar 1889 proklamierte Verfassung <strong>des</strong> Kaiserreiches Japan<br />

gelten. Mit <strong>die</strong>sem Werk, das staatsrechtliche Wertvorstellungen<br />

heterogenen Charakters miteinander verband, hatte sich das noch<br />

junge Kaiserreich eine feste staatsrechtliche Gr<strong>und</strong>lage gegeben.<br />

Doch wurde, wie wir sahen, erst mit dem Kyôiku chokugo <strong>des</strong><br />

Jahres 1890 offiziell <strong>die</strong> Ideologie <strong>des</strong> Staatsshintô begründet <strong>und</strong><br />

durch <strong>die</strong> allgemeine Schulerziehung im Volk verbreitet. Mit dem<br />

Erziehungserlaß wurden <strong>die</strong> wesentlichen <strong>und</strong> klassischen Elemen-<br />

58 Die ethische Erziehung <strong>des</strong> Militärs wurde von einem eigenen Erlaß geregelt, dem am<br />

4. Januar 1882 verkündeten „Kaiserlichen Erlaß für das Militär“ (Gunjin chokuyu). Eine<br />

umfassende Diskussion der Moralerziehung in Schule <strong>und</strong> Militär liefert Tsurumi 1970: 99-<br />

137.<br />

59 Vgl. Antoni 1990 a <strong>und</strong> 1991: 76-99.<br />

60 Irokawa Daikichi (1985: 280 ff.) unterscheidet vier Konstituenten der im kokutai-<br />

Konzept gründenden Familienstaats-Idee: (1) Die auf das Kaiserhaus bezogenen Mythen, (2)<br />

<strong>die</strong> Ahnenverehrung, (3) <strong>die</strong> Übertragung der Strukturprinzipien der Familie auf den Staat<br />

<strong>und</strong> (4) eine allgemein verbindliche Nationalethik.

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