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Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

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KAPITEL I<br />

bezeichnen sind: (1.) Der „Staatskonfuzianismus“ im Altertum,<br />

<strong>und</strong> (2.) der „Neo-Konfuzianismus“ in Mittelalter <strong>und</strong> Neuzeit.<br />

Doch auch hier gilt, wie im Falle von Buddhismus (<strong>und</strong> <strong>Shintô</strong>),<br />

daß es meist <strong>die</strong> synkretistischen Mischformen waren, welche das<br />

geistige <strong>und</strong> ethische Leben Japans bestimmt haben, kaum jemals<br />

aber <strong>die</strong> jeweilige „reine“ Lehre.<br />

Der „Staatskonfuzianismus“ <strong>des</strong> Altertums beschränkte sich im<br />

wesentlichen auf eine Modernisierung der staatlichen Institutionen<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Einrichtung eines zentralistischen Staatswesens. Dessen<br />

Beamte jedoch rekrutierten sich, anders als in China, aus den Reihen<br />

<strong>des</strong> erblichen Hofadels. Insbesondere <strong>die</strong> Stellung <strong>des</strong> Kaisers<br />

wurde in Japan nicht an Fähigkeit oder individuelle Tugend (<strong>die</strong>s<br />

wichtige Kriterien für den chinesischen Herrscher) geb<strong>und</strong>en, sondern<br />

ausschließlich an <strong>die</strong> Herkunft (s.u.).<br />

Nach einer Zeit <strong>des</strong> Niedergangs erlebte konfuzianisches Denken<br />

in der Edo-Zeit dann eine exzeptionelle Renaissance. Die ethischen<br />

Normen <strong>des</strong> sog. Neo-Konfuzianismus bestimmten in hohem<br />

Maße <strong>die</strong> Sozialordnung <strong>und</strong> regelten das gesellschaftliche<br />

Miteinander bis ins kleinste Detail (s.u. Kap. II. 2. 2. 1). Hier sind<br />

vor allem <strong>die</strong> sog. „Fünf Beziehungen“ zu nennen, ohne <strong>die</strong> sich<br />

– bis heute – das hierarchische System der <strong>japanischen</strong> Gesellschaft<br />

nicht verstehen läßt (s.u.).<br />

Schon in der Edo-Zeit war der Konfuzianismus eine enge Verbindung<br />

mit dem <strong>Shintô</strong> eingegangen, doch nach 1868 wurde<br />

<strong>die</strong>se Symbiose so unauflöslich, daß schließlich <strong>die</strong> eigentlich konfuzianische<br />

Basis der Sittenlehre in den Hintergr<strong>und</strong> rückte <strong>und</strong><br />

schließlich allgemein in Vergessenheit zu geraten drohte. Seitdem<br />

herrscht in Japan weithin <strong>die</strong> Überzeugung vor, daß <strong>die</strong> sittlichen<br />

Gr<strong>und</strong>werte der Nation ihrem Charakter nach originär japanischem<br />

Denken entstammten <strong>und</strong> mit dem ursprünglich chinesischen<br />

„Konfuzianismus“ kaum etwas gemein hätten. Dieser<br />

Umstand erschwert auch <strong>die</strong> Debatte um <strong>die</strong> sog. „asiatischen Werte“<br />

in Japan außerordentlich, da sich kaum jemand über den<br />

„asiatischen“, d.h. ursprünglich konfuzianischen Hintergr<strong>und</strong> der<br />

eigenen, <strong>japanischen</strong> – oftmals mit „dem“ <strong>Shintô</strong> identifizierten –<br />

Werteordnung im klaren ist (vgl. u.a. Antoni 1996: 134 ff.). Die<br />

heutigen gesellschaftlichen Tugenden <strong>und</strong> Normen Japans (Ordnung,<br />

Fleiß, Hierarchie <strong>und</strong> „Harmonie“) entstammen ursprünglich<br />

jenem konfuzianischen Denken, das erst von der Meiji-

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