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Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

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MEIJI-RESTAURATION UND MEIJI-ZEIT 229<br />

giösen Dimension. In späteren Schriften spricht Inoue folglich<br />

auch stets von kokutai-<strong>Shintô</strong> (s.u. Kap. IV. 2.2).<br />

Somit bleibt auch Inoues Antwort auf <strong>die</strong> aus shintôistischer<br />

Sicht essentielle Frage nach dem Ursprung der nationalen Ethik,<br />

bzw. der „Volksmoral“ Japans, jeder religiösen Deutung gegenüber<br />

distanziert. Weit entfernt davon, den konfuzianiewschen Ursprung<br />

der Ethik zu leugnen, oder auch nur zu verschleiern, gibt<br />

Inoue (1908: 30 f.) <strong>die</strong> folgende Erklärung:<br />

„Im 16. Jahr der Regierungszeit <strong>des</strong> Kaisers Ôjin wurde <strong>die</strong> ju-Lehre (d. i.<br />

Konfuzianismus) in unserem Lande eingeführt, im Jahre 285 der üblichen<br />

(d.i. westlichen) Zeitrechnung also; doch ist <strong>die</strong>s genau genommen<br />

tatsächlich um min<strong>des</strong>tens 120 Jahre später anzusetzen. Die Übernahme <strong>des</strong><br />

Konfuzianismus hat in der damaligen Zeit auch nicht den geringsten Aufruhr<br />

verursacht. Dagegen kam es in den Epochen, in denen der Buddhismus wie<br />

auch das Christentum erstmals in unser Land gelangten, für eine Weile zu<br />

großer Empörung <strong>und</strong> Unruhe, schließlich sogar bis hin zu tragischem<br />

Blutvergießen. Vergleichbares trug sich im Falle <strong>des</strong> Konfuzianismus nicht<br />

zu, aus dem Gr<strong>und</strong>e, daß <strong>die</strong> Lehre der ju in vielen Punkten mit dem<br />

überlieferten Charakter unseres Volkes bereits in Übereinstimmung stand.“<br />

Wie hoch Inoue den Stellenwert <strong>des</strong> Konfuzianismus zu jener Zeit<br />

tatsächlich noch ansetzte, geht aus weiteren Bemerkungen hervor,<br />

in denen er postuliert, daß <strong>die</strong> Übernahme der westlichen Zivilisation<br />

nach der Meiji-Restauration nur aufgr<strong>und</strong> der geistigen Vorbereitung<br />

durch den Konfuzianismus der Edo-Zeit möglich gewesen<br />

sei (Inoue 1908: 59). Die Meiji-Zeit selbst sei zwar durch einen<br />

Niedergang <strong>des</strong> Konfuzianismus gekennzeichnet, <strong>des</strong>sen Inhalte<br />

aber hätten Eingang in <strong>die</strong> nationale Erziehung gef<strong>und</strong>en;<br />

doch <strong>die</strong>s geschah, wie Inoue (1908: 61) bemerkt, nicht mehr im<br />

Namen <strong>des</strong> Konfuzianismus selbst. Die Lehre sei erhalten geblieben,<br />

doch deren Name, <strong>und</strong> damit das Bewußtsein ihrer Herkunft,<br />

verschw<strong>und</strong>en. Und hier spricht Inoue schließlich <strong>die</strong> geistesgeschichtlichen<br />

Tatsachen in aller Deutlichkeit aus: der Wert <strong>des</strong><br />

Konfuzianismus habe immer darin bestanden, moralische Erziehung<br />

unabhängig von jedweder Religion (shûkyô wo hanarete) zu<br />

ermöglichen (Inoue 1908: 61). Wie <strong>die</strong>s mit dem shinchoku-<br />

Mystizismus, gegenüber dem er sich bereits im Jahre 1912, <strong>und</strong><br />

mehr noch in der dreißiger <strong>und</strong> vierziger Jahren, immer aufgeschlossener<br />

zeigt, vereinbar sein soll, bleibt letztlich unerfindlich<br />

<strong>und</strong> ist auch durch <strong>die</strong> opportunistische Hilfskonstruktion, der<br />

Konfuzianismus habe dem ursprünglichen Charakter <strong>des</strong> <strong>japanischen</strong><br />

Volkes „von Anfang an“ entsprochen, nicht geklärt.

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