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Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

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TAISHÔ- UND FRÜHE SHÔWA-ZEIT 313<br />

denklich teilnehmen könne, was dann natürlich beim Militär <strong>und</strong> in den<br />

Schulen zu einer Art Zwang wird. So sucht er <strong>die</strong> Trennung von Staat <strong>und</strong><br />

Religion zu behaupten <strong>und</strong> zugleich unter religiösen Formen Patriotismus<br />

<strong>und</strong> Kaisertreue zu pflegen. Im breiten Volke kümmert man sich natürlich<br />

recht wenig um <strong>die</strong>se seine Distinktion <strong>und</strong> faßt unstreitig auch <strong>die</strong>se<br />

Verehrung als eine religiöse auf, was sie ja auch von Hause aus ist“ (Schiller<br />

1925: 67).<br />

Den Bericht über das Jahr 1924 (Schiller 1926) prägt ein anderes,<br />

jedoch nicht weniger nachhaltig wirken<strong>des</strong> Ereignis: <strong>die</strong> neuen<br />

anti<strong>japanischen</strong> Einwanderungsgesetze in den USA. Der Autor<br />

schildert <strong>die</strong> tiefe Verbitterung über <strong>die</strong>se als Demütigung erfahrene<br />

Ausgrenzung. Auch hier wird <strong>die</strong> staatliche <strong>Shintô</strong>isierung<br />

zur Formulierung <strong>des</strong> Protests herangezogen:<br />

„Als der 1. Juli 1924 kam, der Tag <strong>des</strong> Inkrafttretens <strong>des</strong> Einwanderungsverbotes,<br />

wurde von <strong>die</strong>ser Schmach an den Shintotempeln den Göttern<br />

amtlich Kenntnis gegeben <strong>und</strong> um baldige Abwendung derselben gebetet.<br />

Das versammelte Parlament protestierte einstimmig gegen <strong>die</strong>ses amerikanische<br />

Gesetz, das <strong>die</strong> Fre<strong>und</strong>schaft von siebzig Jahren zwischen den<br />

beiden Völkern zerstöre, <strong>und</strong> forderte <strong>die</strong> japanische Regierung auf, <strong>die</strong><br />

nötigen Schritte zur Herbeiführung einer Abänderung derselben zu<br />

unternehmen. In Kyôto wie an vielen anderen Orten waren <strong>die</strong> städtischen<br />

Gebäude halbmast geflaggt. In Osaka zog ein Protestzug von 10000<br />

Menschen durch <strong>die</strong> Straßen. In Kyôto fand vor dem Haupt-Shintotempel<br />

Heian Jingu eine Protestversammlung von 5000 Reservisten statt. Überall<br />

forderten <strong>die</strong> Patriotenvereine <strong>die</strong> Bevölkerung auf, in Haartracht, Kleidung,<br />

Einrichtung der Wohnung <strong>und</strong> in anderen Dingen zu den <strong>japanischen</strong> Sitten<br />

zurückzukehren“ (Schiller 1926: 53).<br />

Eingedenk der kriegerischen Auseinandersetzungen späterer Jahre<br />

klingen <strong>die</strong> folgenden Bemerkungen nachgerade prophetisch,<br />

wenn Schiller warnt, es sei ernst „zu nehmen, wenn <strong>die</strong> besonnene<br />

Tageszeitung ‘Osaka Mainichi’ am 30. Mai 1924 in ihrem Leitartikel<br />

auf das Schicksal anmaßender Nationen hinweist, dabei auf<br />

Deutschland exemplifizierend, <strong>und</strong> dann fortfährt: ‘Heute benehmen<br />

sich <strong>die</strong> Vereinigten Staaten nicht besser, sondern eher noch<br />

schlimmer als Deutschland vor dem Kriege…’ Es wird dann ausgeführt,<br />

wie <strong>die</strong> Weltkonstellation sich einmal ändern könne, <strong>und</strong><br />

mit den Worten geschlossen: ‘Die Zeit wird kommen, wo Amerika<br />

ernten muß, was es gesät hat.’ Daß Japan nicht vergißt, haben ja wir<br />

Deutsche in bezug auf unsere Intervention am Schlusse <strong>des</strong> japanisch-chinesischen<br />

Krieges erfahren. Es wartet auf seine Zeit“<br />

(Schiller 1926: 55).<br />

Auch <strong>die</strong>ser Bericht Schillers geht ausführlich auf <strong>die</strong> religiöse<br />

Situation Japans ein. Im Kapitel „Japans nichtchristliche Religi-

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