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Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

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168<br />

KAPITEL II<br />

140 u. 141, Anm. 23). Es zeigt sich, daß zumin<strong>des</strong>t in Kreisen <strong>des</strong><br />

Hofes der kokutai-Begriff als Synonym für Japan selbst in jener<br />

Zeit bereits gebräuchlich gewesen ist, <strong>und</strong> es sei auch daran erinnert,<br />

daß bereits Hirata Atsutane im kokutai den „wahren kami-<br />

Weg“ (makoto no shintô) verkörpert sah (s.o. Kap. II. 4. 1. 3. 1).<br />

Die Übertragung <strong>die</strong>ses Konzeptes in weitere Kreise <strong>des</strong> Volkes<br />

dagegen erfolgte nicht vor der Meiji-Restauration.<br />

Es war, wie wir bereits sahen, der Mito-Gelehrte Aizawa Seishisai,<br />

der mit seiner programmatischen Schrift Shinron aus dem<br />

Jahre 1825 den Begriff <strong>des</strong> kokutai in der staatstheoretischen Diskussion<br />

verankerte <strong>und</strong> <strong>die</strong> wesentlichen Inhalte bestimmte. Damit<br />

waren <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>lagen für das kokutai-Denken (kokutai-shisô)<br />

späterer Zeiten gelegt.<br />

In <strong>die</strong>sem Kontext meint der Begriff nicht mehr ganz allgemein<br />

den „Körper, das Wesen“ oder den „Zustand“ eines beliebigen<br />

Lan<strong>des</strong>, 179 sondern dezi<strong>die</strong>rt <strong>und</strong> ausschließlich das innere Wesen,<br />

<strong>die</strong> Essenz, <strong>die</strong> unverwechselbaren <strong>und</strong> vor allem unwandelbaren,<br />

ewigen Eigenheiten <strong>und</strong> Werte der <strong>japanischen</strong> Nation – all das,<br />

was Japan von anderen Ländern unterscheiden sollte <strong>und</strong> vor <strong>die</strong>sen<br />

auszeichnete. Die ihrer Herkunft nach heterogenen Begriffsinhalte<br />

waren den national gesinnten Theoretikern zwar schon seit<br />

langem geläufig gewesen, als Novum erschien nun jedoch deren<br />

spezifische Zusammenfassung <strong>und</strong> Subsumtion unter einen prägnanten<br />

Oberbegriff: kokutai.<br />

Betrachtet man <strong>des</strong>sen inhaltliche Entwicklung in der Folgezeit,<br />

so lassen sich deutlich drei Phasen <strong>des</strong> kokutai-Denkens unterscheiden:<br />

(1.) Die formative Phase (ca. 1825-1890), (2.) <strong>die</strong> klassische<br />

Phase (1890-1937), (3.) <strong>die</strong> Phase der Hybris (1937-1945).<br />

Der Beginn der formativen Phase ist mit dem frühen 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

anzusetzen, dokumentiert im bereits genannten Werk<br />

Shinron <strong>des</strong> Aizawa Seishisai aus dem Jahre 1825. Das Ende <strong>die</strong>ser<br />

Periode ist mit dem Jahr 1890 gekommen, dem Jahr der Proklamation<br />

<strong>des</strong> für <strong>die</strong> weitere Entwicklung entscheidenden<br />

„Kaiserlichen Erziehungserlasses“, mit dem <strong>die</strong> zweite, <strong>die</strong> klassische<br />

Phase ihren Anfang findet (s.u. Kap. 3. 1).<br />

179 In <strong>die</strong>sem Sinne findet kokutai etwa bei dem kokugaku-Gelehrten Ôkuni (Nonoguchi)<br />

Takamasa (1792-1874) Verwendung: „Es gibt hingegen Länder, deren Staatswesen (kokutai)<br />

minderwertig ist, deren Sitten schlecht sind <strong>und</strong> wo Unloyalität üblich ist“ (Hongaku koyô,<br />

NST 50, 1973: 407; Brüll 1966: 61).

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