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Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

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KAPITEL III<br />

hafter aus. Auch jener sei gekennzeichnet durch das Fehlen eigenständiger<br />

Gedanken, sein Beitrag habe vornehmlich im Verfassen<br />

von Lehrbüchern für den Schulunterricht (kyôkasho) bestanden, in<br />

welchen er <strong>die</strong> Lehren Chu Hsis darlegte. Später habe er den Versuch<br />

unternommen, <strong>Shintô</strong> <strong>und</strong> Konfuzianismus miteinander in<br />

Einklang zu bringen, was allerdings zu einem weiteren Verlust an<br />

Klarheit in seinen Lehren geführt hätte. Nach seinem Tode hätten<br />

seine Lehren jedoch große Verbreitung gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> seien maßgeblich<br />

auch in <strong>die</strong> Mito-Schule eingegangen (Inoue 1908: 47 f.).<br />

Ein ganzes Kapitel seines Hauptwerkes aus dem Jahre 1912,<br />

Kokumin dôtoku gairon, schließlich ist dem Verhältnis von „<strong>Shintô</strong><br />

<strong>und</strong> kokutai“ gewidmet (Inoue 1912: 86-103). Inoue hebt hier<br />

insbesondere auf <strong>die</strong> Bedeutung <strong>des</strong> shinchoku, d.h. <strong>des</strong> Auftrages<br />

der Amaterasu an das japanische Kaiserhaus zu ewigen Regierung<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> ab. Der Geist <strong>die</strong>ses Auftrages offenbare <strong>die</strong> Sittlichkeit<br />

<strong>des</strong> <strong>japanischen</strong> Volkes. Sein Sinn liege zur Gänze im Nationalen<br />

begründet (mattaku kokkateki de arimasu, vgl. Inoue 1912:<br />

87). Somit ist <strong>Shintô</strong>, wie Inoue (1912: 103; vgl. Gluck 1985:<br />

142) ausdrücklich vermerkt, eine rein „nationale Religion“ (kokkateki<br />

shûkyô). Im folgenden Kapitel, dem Ursprung <strong>des</strong> <strong>Shintô</strong><br />

gewidmet, erklärt Inoue (1912; vgl. Davis 1976: 24), <strong>Shintô</strong> <strong>und</strong><br />

das japanische Volk seien gemeinsam entstanden; <strong>die</strong> japanische<br />

Mythologie verfüge über einen eigenständigen Charakter, sie begründe<br />

den <strong>japanischen</strong> Ahnenkult (Inoue 1912: 109 f.). Hier<br />

sieht Inoue schließlich auch den eigentlichen, bzw. einzigen Sinn<br />

<strong>des</strong> <strong>Shintô</strong>: mit ihm habe der Ahnenkult, – <strong>die</strong> Basis <strong>des</strong> neuzeitlichen<br />

Familismus – in Japan seinen Anfang genommen. Doch hat<br />

<strong>die</strong> Forschung in der Zwischenzeit nachweisen können, daß vieles<br />

am vermeintlich so archaischem Ahnenkult Japans das Werk der<br />

Nationalideologen gerade der Meiji-Zeit gewesen ist (vgl. Morioka<br />

1977); <strong>und</strong> es war Inoue, der selbst maßgeblich Anteil an der Herausbildung<br />

<strong>die</strong>ser Vorstellungen hatte. Der Kern <strong>des</strong> <strong>Shintô</strong> liegt<br />

für ihn somit im Ahnenkult begründet, <strong>und</strong> <strong>des</strong>sen Kern wiederum<br />

bildet der Auftrag der Amaterasu ômikami an den Himmelsenkel<br />

Ninigi no mikoto. Damit ist für Inoue <strong>die</strong> Legitimität <strong>des</strong> Kaiserhauses,<br />

<strong>und</strong> somit <strong>des</strong> gesamten <strong>japanischen</strong> kokutai, in ethischgenealogischer<br />

Hinsicht erwiesen. Der <strong>Shintô</strong> als Religion war dem<br />

Philosophen Inoue dagegen stets suspekt. Der Wert <strong>des</strong> <strong>Shintô</strong> lag<br />

für Inoue in der Begründung <strong>des</strong> kokutai, nicht aber in seiner reli-

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