Bolzano vs. Savonarola und die Geschichte einer ... - Philosophie.ch
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dessen Konklusion eine Paradoxie (Antinomie) im bu<strong>ch</strong>stäbli<strong>ch</strong>en Sinne ist, eine Paradoxie (An-<br />
tinomie). 44<br />
Wir sollten Ciceros Konditionale „si te mentiri dicis idque verum dicis, mentiris“ <strong>und</strong> „< si<br />
te mentiri dicis idque mentiris, > verum dicis“ besser so wiedergeben:<br />
[1] Wenn du sagst, dass du etwas Fals<strong>ch</strong>es sagst, <strong>und</strong> wenn du damit etwas Wahres<br />
sagst, dann sagst du etwas Fals<strong>ch</strong>es.<br />
[2] Wenn du sagst, dass du etwas Fals<strong>ch</strong>es sagst, <strong>und</strong> wenn du damit etwas Fals<strong>ch</strong>es<br />
sagst, dann sagst du etwas Wahres.<br />
Diese beiden Konditionale sind Einzelfälle zweier intuitiv sehr einleu<strong>ch</strong>tender (s<strong>ch</strong>ematis<strong>ch</strong>er)<br />
Prinzipien:<br />
[P1] wenn (x sagt, dass p, <strong>und</strong> x sagt damit etwas Wahres), dann p.<br />
[P2] wenn (x sagt, dass p, <strong>und</strong> p), dann sagt x damit etwas Wahres.<br />
Harmlose Instanzen wären ‘Wenn Platon sagt, dass Sokrates weise ist, <strong>und</strong> wenn Platon damit<br />
etwas Wahres sagt, dann ist Sokrates weise’ <strong>und</strong> ‘Wenn Platon sagt, dass Sokrates weise ist, <strong>und</strong><br />
Sokrates ist weise, dann sagt Platon damit etwas Wahres’. [P1] ist eine stilistis<strong>ch</strong>e Variante der<br />
Von-Links-na<strong>ch</strong>-Re<strong>ch</strong>ts-Hälfte des Denominalisierungss<strong>ch</strong>emas: 45<br />
(Den) Es ist wahr, dass p, genau dann, wenn p.<br />
Und in [P2] kann man uns<strong>ch</strong>wer <strong>die</strong> Von-Re<strong>ch</strong>ts-na<strong>ch</strong>-Links-Hälfte eines S<strong>ch</strong>emas erkennen,<br />
das <strong>die</strong> Auffassung, Wahrheit sei Übereinstimmung mit der Wirkli<strong>ch</strong>keit, in ihrer moderatesten<br />
Form (‘Was du sagst, ist wahr $ Es verhält si<strong>ch</strong> so, wie du sagst’) einfängt: 46<br />
(Mod) Was x sagt, ist genau dann wahr, wenn gilt:<br />
x sagt, dass es si<strong>ch</strong> so-<strong>und</strong>-so verhält, <strong>und</strong> so verhält es si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong>.<br />
Ciceros Konditionale in der Interpretation [1] <strong>und</strong> [2] s<strong>ch</strong>einen zu zeigen, dass man bei der An-<br />
wendung der unanfe<strong>ch</strong>tbar s<strong>ch</strong>einenden s<strong>ch</strong>ematis<strong>ch</strong>en Prinzipien (Den) <strong>und</strong> (Mod) auf eine<br />
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44 So au<strong>ch</strong> Eldridge-Smith (2004) 83. Für John Mackie ist mein derivativer Sinn von ‘Paradoxie’ der<br />
primäre: ders. (1973) 238, 270. (Für Ni<strong>ch</strong>olas Res<strong>ch</strong>er ist ein Paradox eine Menge von Aussagen, <strong>die</strong>,<br />
einzeln betra<strong>ch</strong>tet, plausibel sind, deren Konjunktion aber logis<strong>ch</strong> inkonsistent ist: ders. (2001) 6-7; darin<br />
folgt ihm Sorensen (2003) 6. Dies ist ni<strong>ch</strong>t der Ort, <strong>die</strong> Vor- <strong>und</strong> Na<strong>ch</strong>teile <strong>die</strong>ser vers<strong>ch</strong>iedenen Explikationen<br />
abzuwägen.)<br />
45 Künne (2003) 18 et passim, s. 488. Dort S. 151 zum aristotelis<strong>ch</strong>en Vorbild in Int. 9: 18 a 39-42.<br />
[Die gründli<strong>ch</strong>ste Stu<strong>die</strong> über Aristoteles’ Konzeption der Wahrheit ist Crivelli (2004).] Cavini (1993) 92<br />
bezei<strong>ch</strong>net [P1] als „[first half of] the Stoic ‘paratactic’ Equivalence Thesis“. Für das Epitheton „Stoic“<br />
gibt er gute Gründe an. Mit ‘paratactic’ kann er ni<strong>ch</strong>t parataktis<strong>ch</strong> meinen, da das S<strong>ch</strong>ema offenk<strong>und</strong>ig<br />
hypotaktis<strong>ch</strong> ist, <strong>und</strong> der beliebte Titel ‘Equivalence Thesis“ unters<strong>ch</strong>eidet (Den) ni<strong>ch</strong>t vom Anführungstilgungss<strong>ch</strong>ema<br />
‘„p“ ist wahr genau dann, wenn p’ [Künne (2003) 14 et passim, s. 488].<br />
46 Es liegt meinem „Modest Account of Truth“ <strong>und</strong> dessen Vorbildern zugr<strong>und</strong>e: Künne (2010a) 585-<br />
587, (2003) 333-335. Cavini (1993) 93-94 präsentiert Belege, <strong>die</strong> seine Bezei<strong>ch</strong>nung von [P2] als „Stoic<br />
Correspondence Thesis“ stützen. (Freili<strong>ch</strong> nennt man ein S<strong>ch</strong>ema wohl besser ni<strong>ch</strong>t „thesis“.)