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Bolzano vs. Savonarola und die Geschichte einer ... - Philosophie.ch

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gr<strong>und</strong> dessen sie fals<strong>ch</strong> sein könnte. 116 Mithin s<strong>ch</strong>eint au<strong>ch</strong> für (&) zu gelten, was für (") gilt:<br />

wenn (&) überhaupt eine Proposition ausdrückt, dann fällt <strong>die</strong>se in <strong>die</strong> Lücke:<br />

[&] ist weder wahr no<strong>ch</strong> fals<strong>ch</strong>.<br />

<strong>Savonarola</strong> hätte si<strong>ch</strong> also auf das Prinzip der Zweiwertigkeit berufen können, wenn er tatsä<strong>ch</strong>-<br />

li<strong>ch</strong> (wie <strong>Bolzano</strong> unterstellt) behauptet hätte, daß beide Wortverbindungen [also ni<strong>ch</strong>t nur ("),<br />

sondern au<strong>ch</strong> (&)] keine eigentli<strong>ch</strong>en Sätze wären (80 5-6). 117 !<br />

Aber au<strong>ch</strong> wenn es keinen guten Gr<strong>und</strong> gibt, dem Frate <strong>die</strong> Auffassung zuzus<strong>ch</strong>reiben,<br />

dass <strong>die</strong> Propositionen, <strong>die</strong> mit (") <strong>und</strong> (&) ausgedrückt werden, einen kontradiktoris<strong>ch</strong>en Ge-<br />

gensatz bilden, – was <strong>Bolzano</strong> gegen <strong>die</strong>se Auffassung einwendet, ist von bleibendem Interesse.<br />

Die selbstbezügli<strong>ch</strong>en Sätze, mit denen wir es in Paragraph 3 zu tun haben werden, be-<br />

s<strong>ch</strong>wören keine kontradiktoris<strong>ch</strong>en Konsequenzen herauf: Selbstbezügli<strong>ch</strong>keit ist keine hinrei-<br />

<strong>ch</strong>ende Bedingung für das Auftreten <strong>einer</strong> Antinomie. Sie ist bekanntli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> keine notwendige<br />

Bedingung. S<strong>ch</strong>on Jean Buridan hat ca. 1350 mit seinem ‘Sophisma’ Nr. 9 gezeigt, dass eine<br />

Antinomie au<strong>ch</strong> bei reziprokem Bezug auftreten kann: Just in dem Moment, in dem Sokrates auf<br />

der Agora (ni<strong>ch</strong>ts anderes als) Folgendes sagt: ‘Was Platon jetzt gerade sagt, ist fals<strong>ch</strong>’, sagt Pla-<br />

ton im Hafen von Piräus (ni<strong>ch</strong>ts anderes als): ‘Was Sokrates jetzt gerade sagt, ist wahr’. „Die<br />

Frage ist nun, ob <strong>die</strong>se Äußerung (propositio) Platons wahr oder fals<strong>ch</strong> ist, <strong>und</strong> <strong>die</strong>selbe Frage<br />

könnte au<strong>ch</strong> in Bezug auf Sokrates’ Äußerung gestellt werden.“ 118 Russell erzählt, wie er zum<br />

ersten Mal mit <strong>einer</strong> Variante des Buridan’s<strong>ch</strong>en Paradoxes konfrontiert wurde:<br />

G. G. Berry … was a man of very considerable ability in mathematical logic. He was employed<br />

in a rather humble capacity in The Bodleian [Library], his subject being one whi<strong>ch</strong> the University<br />

of Oxford ignored. The first time he came to see me … he was bearing, as if it were a<br />

visiting card, a piece of paper on whi<strong>ch</strong> I perceived the words: ‘The statement on the other si-<br />

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!<br />

116 Mackies Bes<strong>ch</strong>reibung <strong>die</strong>ser Situation ist irreführend: „We cannot decide whether the truth-teller’s<br />

remark is true or false“ [ders. (1973) 241, meine Herv.]. Es geht ni<strong>ch</strong>t um <strong>die</strong> epistemologis<strong>ch</strong>e Frage, ob<br />

wir eine Proposition verifizieren oder falsifizieren können, sondern um <strong>die</strong> begriffli<strong>ch</strong>e Frage, was sie<br />

veri–fizieren (wahr ma<strong>ch</strong>en) oder falsi–fizieren (fals<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en) könnte. Vgl. Künne (2003) 150-157. Aus<br />

demselben Gr<strong>und</strong> s<strong>ch</strong>eint mir au<strong>ch</strong> Kripkes Rede von ‘ascertaining the truth-value’ in s<strong>einer</strong> intuitiven<br />

Charakterisierung des Begriffs gro<strong>und</strong>edness irreführend zu sein [ders. (1975) 693-694 / repr. 57, meine<br />

Herv.].<br />

117 Womit i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t sagen will, dass das Plädoyer für <strong>die</strong> Lücke unproblematis<strong>ch</strong> wäre. Man kann si<strong>ch</strong><br />

mit Sorensen (2003) 101 fragen: wenn [&] wahrheitswertlos ist, ist dann ni<strong>ch</strong>t fals<strong>ch</strong>, was mit (&) gesagt<br />

wird? Gegen <strong>die</strong> affirmative Antwort könnte man dann wieder einwenden, dass mit (&) ni<strong>ch</strong>ts gesagt<br />

wird, da es ni<strong>ch</strong>ts gibt, was das vermeintli<strong>ch</strong> mit (&) Gesagte wahr oder fals<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en könnte. Demna<strong>ch</strong><br />

wäre der Subjekt-Term in (&), i.e. ‘[&]’, leer. Aber fällt dann ni<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Wahrheitswert-Abspre<strong>ch</strong>ung<br />

in <strong>die</strong> Lücke? Man müsste (LÜCKE) dann umformulieren: Es ist ni<strong>ch</strong>t der Fall, dass mit (&) etwas Wahres<br />

oder Fals<strong>ch</strong>es gesagt wird.<br />

118 Buridan (1977) 140, (1982) 78-80.

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