Bolzano vs. Savonarola und die Geschichte einer ... - Philosophie.ch
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remain un<strong>ch</strong>anged <strong>und</strong>er translation“, 136 <strong>und</strong> Jahrzehnte später hat ein deuts<strong>ch</strong>er Übersetzungs-<br />
wissens<strong>ch</strong>aftler <strong>die</strong>ses Desiderat in seinem Jargon wiederholt: „Als gesi<strong>ch</strong>ert dürfte gelten, daß<br />
in der Translation [=: beim (s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>en) Übersetzen <strong>und</strong> (mündli<strong>ch</strong>en) Dolmets<strong>ch</strong>en] <strong>die</strong> Inva-<br />
rianz in bezug auf das Denotat gewahrt bleiben muß“. 137 Das Satzpaar ‘The Morning Star has not<br />
mu<strong>ch</strong> H 20’ <strong>und</strong> ‘Der Abendstern hat ni<strong>ch</strong>t viel Wasser’ erfüllt au<strong>ch</strong> <strong>die</strong>se Anforderung. Trotzdem<br />
s<strong>ch</strong>eint der eine Satz keine gute Übersetzung des anderen zu sein; denn (III) bei der Übersetzung<br />
sollte au<strong>ch</strong> der spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e (lexikalis<strong>ch</strong>-grammatis<strong>ch</strong>e) Sinn mögli<strong>ch</strong>st weitgehend erhalten blei-<br />
ben. Frege stellt eine ähnli<strong>ch</strong>e Forderung wie (III) auf, wenn er s<strong>ch</strong>reibt: 138<br />
Wir können einen Satz in eine andere Spra<strong>ch</strong>e übersetzen. Der Satz in der anderen Spra<strong>ch</strong>e<br />
ist vers<strong>ch</strong>ieden von dem ursprüngli<strong>ch</strong>en…; aber wenn <strong>die</strong> Übersetzung ri<strong>ch</strong>tig ist, drückt er<br />
denselben Sinn aus… Diesen Sinn nenne i<strong>ch</strong> Gedanken.<br />
Diese Forderung fällt mit (III) ni<strong>ch</strong>t zusammen, weil Sinn im Frege’s<strong>ch</strong>en Verstande, ‘noëmati-<br />
s<strong>ch</strong>er’ Sinn, ni<strong>ch</strong>t dasselbe wie spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er (lexikalis<strong>ch</strong>-grammatis<strong>ch</strong>er) Sinn ist: Die Sätze<br />
‘S<strong>ch</strong>nee ist weiß’, ‘Es ist wahr, dass S<strong>ch</strong>nee weiß ist’, ‘Ist S<strong>ch</strong>nee weiß?’ <strong>und</strong> ‘S<strong>ch</strong>nee ist gottlob<br />
weiß’ haben ni<strong>ch</strong>t denselben lexikalis<strong>ch</strong>-grammatis<strong>ch</strong>en, aber denselben noëmatis<strong>ch</strong>en Sinn. 139<br />
Man bea<strong>ch</strong>te: im obigen Zitat (<strong>und</strong> seinen Parallelen) behauptet Frege nur, dass Wahrung des<br />
(noëmatis<strong>ch</strong>en) Sinnes ein notwendige Bedingung für <strong>die</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit <strong>einer</strong> Übersetzung ist. 140<br />
Dass das Resultat <strong>einer</strong> Wort-für-Wort-Übersetzung ni<strong>ch</strong>t immer eine korrekte Überset-<br />
zung ist, haben wir bereits in der S<strong>ch</strong>ule gelernt. Man<strong>ch</strong>mal wäre das Resultat ungrammatis<strong>ch</strong>,<br />
z.B. wenn wir ‘Mihi liber est’ mit ‘Mir Bu<strong>ch</strong> ist’ wiedergeben. Man<strong>ch</strong>mal wäre das Ergebnis<br />
unidiomatis<strong>ch</strong>: wir sollten ‘Guten Morgen!’ ni<strong>ch</strong>t Wort-für-Wort ins Italienis<strong>ch</strong>e übersetzen, da<br />
Italiener si<strong>ch</strong> morgens ni<strong>ch</strong>t ‘Buon mattino!’ zurufen, sondern ‘Buon giorno!’. S<strong>ch</strong>on an <strong>die</strong>sem<br />
s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ten Beispiel (das freili<strong>ch</strong> kein Aussagesatz ist) kann man sehen, dass das Gegenstück ei-<br />
ner Komponente des Originals in <strong>einer</strong> korrekten Übersetzung man<strong>ch</strong>mal ni<strong>ch</strong>t nur einen ande-<br />
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136 Cooper Harold Langford, <strong>einer</strong> der Pioniere der Modallogik, in Langford (1937) 53.<br />
137 Otto Kade, Repräsentant der ‘Leipziger S<strong>ch</strong>ule’ der Übersetzungswissens<strong>ch</strong>aft, in Kade (1968),<br />
209.<br />
138 Frege (1969) 222, vgl. 143, 153.<br />
139 In Künne (2010) 410-423, 423-427, 444-454 werden <strong>die</strong>se Frege’s<strong>ch</strong>en Identitätsthesen belegt <strong>und</strong><br />
diskutiert.<br />
140 Vgl. au<strong>ch</strong> <strong>die</strong> folgenden Bemerkungen Freges: „Der Unters<strong>ch</strong>ied der Übersetzung von der Urs<strong>ch</strong>rift<br />
soll eigentli<strong>ch</strong> [ni<strong>ch</strong>ts anderes betreffen als] <strong>die</strong> Färbungen <strong>und</strong> Beleu<strong>ch</strong>tungen, wel<strong>ch</strong>e Di<strong>ch</strong>tkunst [<strong>und</strong>]<br />
Beredsamkeit dem Sinne zu geben su<strong>ch</strong>en.“ (Frege (1892) 31.) „[Färbungen <strong>und</strong> Beleu<strong>ch</strong>tungen] ers<strong>ch</strong>weren<br />
… <strong>die</strong> Übersetzung von Di<strong>ch</strong>tungen sehr, ja, ma<strong>ch</strong>en eine vollkommene Übersetzung fast immer<br />
unmögli<strong>ch</strong>; denn gerade in ihnen, auf denen der di<strong>ch</strong>teris<strong>ch</strong>e Wert zu einem großen Teile beruht,<br />
unters<strong>ch</strong>eiden si<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Spra<strong>ch</strong>en am meisten.“ (Frege (1918) 63.) Die Unters<strong>ch</strong>iede zwis<strong>ch</strong>en ‘S<strong>ch</strong>nee ist<br />
weiß’, ‘Es ist wahr, dass S<strong>ch</strong>nee weiß ist’ <strong>und</strong> ‘Ist S<strong>ch</strong>nee weiß?’ haben freili<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts mit <strong>einer</strong> „Beleu<strong>ch</strong>tung“<br />
des ausgedrückten Gedankens zu tun.