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Bolzano vs. Savonarola und die Geschichte einer ... - Philosophie.ch

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dass kein q S ein S ist. Der Substantiv-Begleiter ist dann (wie Brentano <strong>und</strong> seine S<strong>ch</strong>üler zu<br />

sagen pflegen) ni<strong>ch</strong>t „determinierend“, sondern „modifizierend“: Während junge Verbre<strong>ch</strong>er<br />

Verbre<strong>ch</strong>er sind, sind (bloß) vermeintli<strong>ch</strong>e Verbre<strong>ch</strong>er keine Verbre<strong>ch</strong>er, <strong>und</strong> im Gegensatz zu<br />

Stockenten sind Plastikenten keine Enten. <strong>Savonarola</strong> benutzt ein Beispiel aristotelis<strong>ch</strong>er Prove-<br />

nienz, wenn er fortfährt: 97<br />

[Sol<strong>ch</strong>e Wortverbindungen] haben zwar <strong>die</strong> Gestalt von Sätzen. Aber so wie ein toter<br />

Mens<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Gestalt <strong>und</strong> das Aussehen eines Mens<strong>ch</strong>en hat, ohne ein Mens<strong>ch</strong> zu sein,[ 98 ] so<br />

werden [derartige Wortverbindungen] zwar au<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> selbst zerstörende oder unlösbare<br />

Sätze genannt, do<strong>ch</strong> es sind eigentli<strong>ch</strong> gar keine Sätze.<br />

(Der Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en modifizierenden <strong>und</strong> determinierenden Substantiv-Begleitern spielt<br />

au<strong>ch</strong> in <strong>Bolzano</strong>s WISSENSCHAFTSLEHRE eine prominente Rolle. 99 )<br />

<strong>Savonarola</strong>s Reaktion auf <strong>die</strong> F-Antinomie fällt zusammen mit einem der fünfzehn (sic)<br />

Lösungsvors<strong>ch</strong>läge, <strong>die</strong> Paolo Nicoletti Veneto ein Jahrh<strong>und</strong>ert früher zusammengestellt <strong>und</strong><br />

diskutiert hatte. 100 Dieser Vors<strong>ch</strong>lag wird dort abgelehnt, weil er impliziert, dass von zwei Äuße-<br />

rungen der Wortfolge ‘Hoc est falsum’ <strong>die</strong> eine den Status <strong>einer</strong> propositio hat <strong>und</strong> <strong>die</strong> andere<br />

ni<strong>ch</strong>t, falls <strong>die</strong> eine fremd- <strong>und</strong> <strong>die</strong> andere selbstbezügli<strong>ch</strong> ist. Das ist eine ri<strong>ch</strong>tige Beoba<strong>ch</strong>tung.<br />

Hat <strong>Savonarola</strong> in ihr zu Re<strong>ch</strong>t keine Widerlegung s<strong>einer</strong> Position gesehen? Man könnte versu-<br />

<strong>ch</strong>en, den Einwand mit dem Hinweis zu entkräften, es komme allemal vor, dass <strong>die</strong>selbe Wort-<br />

folge in <strong>einer</strong> Äußerung ein Satz ist, in <strong>einer</strong> anderen ni<strong>ch</strong>t: Was in ‘Everybody knows that<br />

Socrates was Greek‘ ein Satz ist, ist k<strong>einer</strong> in (S) ‘The woman who was married to Socrates was<br />

Greek’. (Im Lateinis<strong>ch</strong>en würde das genauso wenig wie im Deuts<strong>ch</strong>en funktionieren.) Aber wür-<br />

de jemand behaupten, dass in (S) ein Vorkommnis des Satzes ‘Socrates was Greek’ enthalten ist,<br />

so beginge er einen offenk<strong>und</strong>igen Grammatik-Fehler. Wer eine selbstbezügli<strong>ch</strong>e Äußerung von<br />

‘Hoc est falsum’ als Vorkommnis eines Satzes klassifiziert, ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> hingegen ni<strong>ch</strong>t eines der-<br />

art groben Fehlers s<strong>ch</strong>uldig. Überzeugender wäre wohl der folgende Verglei<strong>ch</strong>. Von zwei fremd-<br />

bezügli<strong>ch</strong>en Äußerungen der Wortfolge ‘Das ist wahr’ kann gelten: <strong>die</strong> eine drückt eine Proposi-<br />

tion aus – z.B. als Reaktion auf ‘<strong>Savonarola</strong> starb 1498’ <strong>die</strong> Proposition [Dass <strong>Savonarola</strong> 1498<br />

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97 Logica 15122-26; au<strong>ch</strong> von <strong>Bolzano</strong> zitiert. Vgl. Logica 198 19.<br />

98 Vgl. Aristoteles, Int. 11: 21 a 21-23; Meteor. IV.12: 389 b 31; De part. anim. I.1: 640 b 34 f. (In <strong>Savonarola</strong>s<br />

Na<strong>ch</strong>lass fanden si<strong>ch</strong> umfangrei<strong>ch</strong>e Exzerpte aus den meisten S<strong>ch</strong>riften des Aristoteles – bis<br />

auf das Organon [Garin (1959) 206].) In Shakespeares Hamlet V.1 beantwortet der Totengräber <strong>die</strong> Fragen<br />

des Prinzen in aristotelis<strong>ch</strong>em Geist: „What man does thou dig it for? For no man, sir. What woman,<br />

then? For none, neither. Who is to be buried in ´t? One that was a woman, sir; but, rest her soul, she’s<br />

dead.“<br />

99 Vgl. WL I 92, 121, 138, 257f, WL II 213. Zur Sa<strong>ch</strong>e Benjamin S<strong>ch</strong>nieder (2007) 530-537. Brentanos<br />

S<strong>ch</strong>üler Benno Kerry stellt entrüstet fest, dass Brentano <strong>und</strong> Marty <strong>die</strong> Präsenz <strong>die</strong>ser Distinktion bei<br />

<strong>Bolzano</strong> ni<strong>ch</strong>t anerkennen: Künne (2008) 329.<br />

100 Bo<strong>ch</strong>e!ski 282.

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