Bolzano vs. Savonarola und die Geschichte einer ... - Philosophie.ch
Bolzano vs. Savonarola und die Geschichte einer ... - Philosophie.ch
Bolzano vs. Savonarola und die Geschichte einer ... - Philosophie.ch
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
! $&!<br />
<strong>Bolzano</strong> hebt nun <strong>die</strong> folgende Besonderheit selbstbezügli<strong>ch</strong>er Sätze hervor: Wenn eine<br />
Prädikation über einen einzelnen Gegenstand (‘a ist F’, ‘a ist ein G’) einen Selbstbezug enthält,<br />
kann man <strong>die</strong> Negation der ausgedrückten Proposition ni<strong>ch</strong>t so ausdrücken wie dann, wenn sol-<br />
<strong>ch</strong>e Prädikationen keinen Selbstbezug enthalten (‘a ist ni<strong>ch</strong>t F’, ‘a ist kein G’). Betra<strong>ch</strong>ten wir<br />
<strong>Bolzano</strong>s Beispiele, <strong>die</strong> beide <strong>die</strong> Struktur [1b] haben. Die Propositionen, <strong>die</strong> dur<strong>ch</strong> <strong>die</strong> folgen-<br />
den Sätze ausgedrückt werden, bilden keinen kontradiktoris<strong>ch</strong>en Gegensatz:<br />
(S1) Das vorletzte Wort in <strong>die</strong>sem (!) Satz ist ein Artikel<br />
(S2) Das vorletzte Wort in <strong>die</strong>sem (!) Satz ist kein Artikel.<br />
(Die Adverbialphrase in (S1) <strong>und</strong> (S2) in der dur<strong>ch</strong> das Pfeilsymbol erbetenen Interpretation ist<br />
das Gegenstück zu <strong>Bolzano</strong>s Wendung „in der Rede, <strong>die</strong> i<strong>ch</strong> jetzt eben führe“ [80 22-23].) Die hier<br />
ausgedrückten Propositionen handeln von vers<strong>ch</strong>iedenen Wörtern. Beide Propositionen sind<br />
wahr, – sie widerspre<strong>ch</strong>en einander so wenig wie <strong>die</strong> Propositionen [Sokrates ist ein Athener]<br />
<strong>und</strong> [Kant ist kein Athener]. Der Begriff, den der se<strong>ch</strong>swortige Subjekt-Term ausdrückt, wird ein<br />
anderer, sagt <strong>Bolzano</strong>, wenn man von (S1) zu (S2) übergeht (80 14-15). Er versteht unter einem<br />
Begriff also ni<strong>ch</strong>t dasselbe wie den spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en (lexikalis<strong>ch</strong>-grammatis<strong>ch</strong>en) Sinn der Worte,<br />
<strong>die</strong> ihn ausdrücken; denn der bleibt bei <strong>die</strong>sem Übergang ja konstant. Die Subjekt-Terme in (S1)<br />
<strong>und</strong> (S2) bezei<strong>ch</strong>nen ni<strong>ch</strong>t denselben Gegenstand, also drücken sie vers<strong>ch</strong>iedene Begriffe aus.<br />
Bezei<strong>ch</strong>net <strong>die</strong> demonstrative Kennzei<strong>ch</strong>nung in (S1) <strong>und</strong> (S2) jeweils einen Satz in specie, so<br />
besteht der Gr<strong>und</strong> dafür, dass ni<strong>ch</strong>t derselbe Gegenstand bezei<strong>ch</strong>net wird, ni<strong>ch</strong>t darin, dass in<br />
<strong>die</strong>sem Absatz zwei eingerückte Satz-Inskriptionen zu sehen sind, sondern darin dass es si<strong>ch</strong> bei<br />
<strong>die</strong>sen vers<strong>ch</strong>iedenen Inskriptionen au<strong>ch</strong> um Vorkommnisse vers<strong>ch</strong>iedener type-sentences han-<br />
delt.<br />
Hier ist eine Variante von <strong>Bolzano</strong>s zweitem Beispiel:<br />
(S3) Die Anzahl der Wörter, aus denen <strong>die</strong>ser (!) Satz besteht, ist zwölf.<br />
(S4) Die Anzahl der Wörter, aus denen <strong>die</strong>ser (!) Satz besteht, ist ni<strong>ch</strong>t zwölf.<br />
(Die demonstrative Kennzei<strong>ch</strong>nung in (S3) <strong>und</strong> (S4) in der dur<strong>ch</strong> das Pfeilsymbol erbetenen In-<br />
terpretation ist das Gegenstück zu <strong>Bolzano</strong>s Wendung „der Satz, den i<strong>ch</strong> so eben ausspre<strong>ch</strong>e“<br />
[80 25-28]. Hier muss er mit „Satz“ eine Wortverbindung meinen; denn Propositionen bestehen<br />
natürli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t aus Wörtern.) Die mit (S3) <strong>und</strong> (S4) ausgedrückten Propositionen sind beide<br />
fals<strong>ch</strong>, wovon si<strong>ch</strong> der gewissenhafte Leser inzwis<strong>ch</strong>en überzeugt haben wird. Sie widerspre<strong>ch</strong>en<br />
einander so wenig wie <strong>die</strong> Propositionen [Diogenes ist Platons Lehrer] <strong>und</strong> [Sokrates ist ni<strong>ch</strong>t<br />
Platons Lehrer].<br />
<strong>Bolzano</strong> hat seine Beispiele so gewählt, dass s<strong>ch</strong>on aus der Tatsa<strong>ch</strong>e, dass <strong>die</strong> vermeintli-<br />
<strong>ch</strong>e Negation der Proposition P denselben Wahrheitswert wie P hat, hervorgeht, dass es si<strong>ch</strong> in