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Bolzano vs. Savonarola und die Geschichte einer ... - Philosophie.ch

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mit behauptender Kraft äußert, ni<strong>ch</strong>t das, was er behauptet. Er könnte mit s<strong>einer</strong> Äußerung von<br />

(*) ins S<strong>ch</strong>warze treffen, obwohl er selber für fals<strong>ch</strong> hält, was er sagt. Wir sind mit Freges „Kre-<br />

ter, der sagte, dass alle Kreter lügen“, also weit entfernt von der Antinomie, <strong>die</strong> dur<strong>ch</strong> (*) her-<br />

aufbes<strong>ch</strong>woren wird. 159<br />

Lassen wir den Kreter Epimenides von Fals<strong>ch</strong>heit statt von Lüge spre<strong>ch</strong>en, – lassen wir ihn<br />

sagen: Alles, was von einem Kreter behauptet wird, ist fals<strong>ch</strong>. In Symbolen (mit ‘K’ für ‘wird<br />

von einem Kreter behauptet’ <strong>und</strong> ‘F’ für ‘ist fals<strong>ch</strong>’):<br />

"x (Kx # Fx)<br />

Eigentli<strong>ch</strong> ist <strong>die</strong>ser Satz der Ausgangspunkt des Arguments, das heutzutage gern als ‘Der Epi-<br />

menides’ bezei<strong>ch</strong>net wird. (Dass Frege mit dem Satz (*) sagen wollte, dass Kreter nur Fals<strong>ch</strong>es<br />

behaupten, ers<strong>ch</strong>eint mir sehr unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>; denn er hatte <strong>die</strong> Begriffe der Lüge <strong>und</strong> der fal-<br />

s<strong>ch</strong>en Behauptung s<strong>ch</strong>on Jahre vorher klar auseinandergehalten. 160 ) Das folgende Argument geht<br />

von der Annahme aus, dass ein Kreter sagt, dass Kreter nur Fals<strong>ch</strong>es behaupten (1), <strong>und</strong> von der<br />

Zusatzannahme, dass das, was er sagt, wahr ist (2). Es ma<strong>ch</strong>t in Zeile (3) Gebrau<strong>ch</strong> von der Re-<br />

gel der W-Beseitigung, derzufolge man von einem Satz der Form ‘Die Proposition, dass p, ist<br />

wahr’, kurz: ‘W[p]’, stets zu ‘p’ übergehen darf. 161<br />

1 (1) K ["x (Kx # Fx)] Annahme<br />

2 (2) W ["x (Kx # Fx)] Annahme (für #Einführung)<br />

2 (3) "x (Kx # Fx) (2); W-Beseitigung<br />

2! (4) K ["x (Kx # Fx)] # F ["x (Kx # Fx)]! (3); "-Beseitigung!<br />

1, 2 (5) F ["x (Kx # Fx)] (1), (4); Modus Ponens<br />

1 (6) W ["x (Kx # Fx)] # F ["x (Kx # Fx)] (1), (5); #Einführung<br />

Wir können also unter der Voraussetzung [1] zu Re<strong>ch</strong>t behaupten: wenn wahr ist, was Epimeni-<br />

des angebli<strong>ch</strong> gesagt hat, dann ist es fals<strong>ch</strong>. Aber wir können ni<strong>ch</strong>t zeigen, dass unter <strong>die</strong>ser Vo-<br />

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!<br />

159 Womit i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t sagen will, dass keine Paradoxie im Spiel ist. Wir befinden uns hier nämli<strong>ch</strong> in der<br />

Na<strong>ch</strong>bars<strong>ch</strong>aft dessen, was als ‘Moore’s Paradox’ bezei<strong>ch</strong>net wird: „to say su<strong>ch</strong> as thing as ‘I went to the<br />

pictures last Tuesday, but I don’t believeve I did’ is a perfectly absurd thing to say, although what is asserted<br />

is something whi<strong>ch</strong> is perfectly possible logically“ [Moore (1942) 543]. Eldridge-Smith (2004) 77<br />

hat <strong>die</strong> Verwandts<strong>ch</strong>aft des Kreters, der sagt, dass *, mit Moores Spre<strong>ch</strong>er erkannt.<br />

160 Anders als bspw. Koyré, der behauptet, „All Cretans lie always“ heiße soviel wie „all judgements<br />

or all assertions made by Cretans are false“ (Koyré (1946) 348, auf Französis<strong>ch</strong> wiederholt in (1947) 10).<br />

Wir haben gesehen, dass Russell hier au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gegen Fehler gefeit war; aber immerhin hat er ni<strong>ch</strong>t behauptet,<br />

dass aus „all judgements … made by Cretans are false“ folgt „All Cretans lie always“. Jemand,<br />

der si<strong>ch</strong> dauernd irrt, brau<strong>ch</strong>t keine Behauptungen aufzustellen, <strong>und</strong> er kann, wenn er es tut, stets aufri<strong>ch</strong>tig<br />

sein.<br />

161 Man könnte sie <strong>Bolzano</strong>s Regel nennen: vgl. WL IV 114, oben in Anm. 127 zitiert.

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