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Bolzano vs. Savonarola und die Geschichte einer ... - Philosophie.ch

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ren lexikalis<strong>ch</strong>en Sinn, sondern sogar eine andere Extension hat. Die kleinsten Einheiten, <strong>die</strong> es<br />

zu übersetzen zu gilt, sind ni<strong>ch</strong>t Wörter. Dass <strong>die</strong> kleinste Einheit man<strong>ch</strong>mal au<strong>ch</strong> länger als ein<br />

einzelner Satz ist, zeigt si<strong>ch</strong>, sobald man versu<strong>ch</strong>t, selbstbezügli<strong>ch</strong>e Sätze zu übersetzen.<br />

In § 3.1 war mein erstes Beispiel für einen ni<strong>ch</strong>t antinomie-anfälligen, selbstbezügli<strong>ch</strong>en<br />

Satz (jetzt unter neuer Benennung):<br />

(D1) Dies (!) ist ein deuts<strong>ch</strong>er Satz.<br />

Wenn wir (D1) Wort für Wort ins Englis<strong>ch</strong>e übersetzen (was hier ja mühelos mögli<strong>ch</strong> ist) <strong>und</strong><br />

auf der reflexiven Interpretation der Übersetzung bestehen, dann erhalten wir:<br />

This (!) is a German sentence.<br />

Diese Übersetzung ist s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t; denn sie ma<strong>ch</strong>t aus Wahrem Fals<strong>ch</strong>es. Dem Desiderat (I), der<br />

Forderung der Wahrheitswertinvarianz, können wir Genüge tun, wenn wir den englis<strong>ch</strong>en Satz<br />

fremdbezügli<strong>ch</strong> verstehen <strong>und</strong> mit der demonstrativen Kennzei<strong>ch</strong>nung auf (D1) Bezug nehmen:<br />

This (") is a German sentence.<br />

Was wir damit sagen, ist aus demselben Gr<strong>und</strong>e wahr wie das mit (D1) Gesagte, sc. weil der<br />

Satz, von dem wir spre<strong>ch</strong>en, ein deuts<strong>ch</strong>er Satz ist. Aber wenn uns der Satz, von dem <strong>die</strong> Rede<br />

ist, in einem Kontext begegnet, in dem offenk<strong>und</strong>ig <strong>die</strong> selbstbezügli<strong>ch</strong>e Interpretation inten<strong>die</strong>rt<br />

ist, so ist au<strong>ch</strong> <strong>die</strong>se Übersetzung s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t. Wir sollten den deuts<strong>ch</strong>en Satz dann ni<strong>ch</strong>t nur salva<br />

veritate übersetzen, sondern au<strong>ch</strong> – um <strong>die</strong>ser Salvierung ebenfalls einen eigenen Titel zu gön-<br />

nen – salva reflexivitate:<br />

(E1) This (!) is an English sentence.<br />

Das ist nun ni<strong>ch</strong>t das, was man eine Wort-für-Wort-Übersetzung nennen würde, denn <strong>die</strong> einan-<br />

der korrespon<strong>die</strong>renden Adjektive in (D1) <strong>und</strong> (E1) sind offenk<strong>und</strong>ig ni<strong>ch</strong>t synonym. Die Sub-<br />

jekt-Terme in beiden Sätzen haben ni<strong>ch</strong>t denselben Sa<strong>ch</strong>bezug, <strong>und</strong> <strong>die</strong> beiden Prädikat-Terme<br />

haben ni<strong>ch</strong>t <strong>die</strong>selbe Extension. Die optimale Übersetzung drückt hier also ni<strong>ch</strong>t <strong>die</strong>selbe Propo-<br />

sition aus wie das Original (<strong>und</strong> gewiss würde au<strong>ch</strong> Frege bestreiten, dass beide denselben Ge-<br />

danken ausdrücken). 141<br />

Immerhin gibt es hier so etwas wie <strong>die</strong> beste Wiedergabe in der Zielspra<strong>ch</strong>e. Dass so etwas<br />

ni<strong>ch</strong>t immer zu haben ist, ist uns aus der Praxis der Übersetzung literaris<strong>ch</strong>er Texte vertraut. Eine<br />

Übersetzung, <strong>die</strong> mögli<strong>ch</strong>st vielen ni<strong>ch</strong>t-semantis<strong>ch</strong>en Zügen des Originals (wie Reim, Rhyth-<br />

mus <strong>und</strong> Alliteration, Stilebene <strong>und</strong> Kolorit) gere<strong>ch</strong>t zu werden versu<strong>ch</strong>t, denen man ni<strong>ch</strong>t<br />

glei<strong>ch</strong>zeitig gere<strong>ch</strong>t werden kann, ist ein Kompromiss, <strong>und</strong> oft wäre es abwegig, einem <strong>die</strong>ser<br />

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!<br />

141 Vgl. oben (A5) als Wiedergabe von Buridans Beispiel in Anm. 132.

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