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Bolzano vs. Savonarola und die Geschichte einer ... - Philosophie.ch

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(E3) ‘it is snowing’ is a true sentence if and only if it is snowing.<br />

Diese Übersetzung verstößt aber gegen das Desiderat (II); denn (E3) handelt ni<strong>ch</strong>t mehr wie<br />

(D3) von einem deuts<strong>ch</strong>en Satz. Sec<strong>und</strong>a facie erweist si<strong>ch</strong> (D3) als selbstbezügli<strong>ch</strong>. Die vom<br />

Übersetzer wie selbstverständli<strong>ch</strong> angewendete Strategie zeigt, dass (D3) in <strong>die</strong>sem Kontext (ge-<br />

nau wie das von Leopold Blaustein übersetzte polnis<strong>ch</strong>e Original) sozusagen sotto voce einen<br />

selbstbezügli<strong>ch</strong>en Indikator enthält:<br />

(D3+) ‘es s<strong>ch</strong>neit’ ist in der Spra<strong>ch</strong>e <strong>die</strong>ses (!) Satzes eine wahre Aussage<br />

dann <strong>und</strong> nur dann, wenn es s<strong>ch</strong>neit.<br />

Die Annahme, dass in (D3) ein verständnisrelevantes indexikalis<strong>ch</strong>es Element ni<strong>ch</strong>t auf der<br />

Oberflä<strong>ch</strong>e der Äußerung oder Inskription ers<strong>ch</strong>eint, ist keine Ad-hoc-Hypothese. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> ist<br />

uns <strong>die</strong>ses Phänomen au<strong>ch</strong> aus ganz anderen Zusammenhängen bekannt. In Äußerungen von ‘Es<br />

regnet jetzt in Strömen’ bleibt der indexikalis<strong>ch</strong>e Bezug auf den Ort der Äußerung unausdrück-<br />

li<strong>ch</strong>, <strong>und</strong> wenn wir in Heathrow lesen ‘Paris — All flights cancelled’, so unterstellen wir, dass<br />

Paris gegenwärtig von dort ni<strong>ch</strong>t angeflogen wird.<br />

4. EPIMENIDES UND DIE ANDEREN KRETER.<br />

Kehren wir von der Untersu<strong>ch</strong>ung logis<strong>ch</strong> friedfertiger selbstbezügli<strong>ch</strong>er Sätze abs<strong>ch</strong>ließend<br />

no<strong>ch</strong> einmal auf das S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tfeld der Debatten über <strong>die</strong> Antinomie der Fals<strong>ch</strong>heit zurück. In <strong>die</strong>-<br />

sen Debatten spielt seit einem Jahrh<strong>und</strong>ert ein Kreter eine prominente Rolle. Alexandre Koyré<br />

bemühte ihn 1947 sogar für den Titel <strong>einer</strong> Monographie über <strong>die</strong> Antinomie: Épiménide le men-<br />

teur. Gemessen am Thema des Bü<strong>ch</strong>leins ist sein eleganter Titel das Produkt eines zweifa<strong>ch</strong>en<br />

Etikettens<strong>ch</strong>windels, 146 <strong>und</strong> der bedeutende Wissens<strong>ch</strong>aftshistoriker ist weder für den einen no<strong>ch</strong><br />

für den anderen verantwortli<strong>ch</strong>. Gegen den einen bin i<strong>ch</strong> auf den ersten Seiten <strong>die</strong>ses Aufsatzes<br />

zu Felde gezogen, auf den letzten Seiten wende i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> nun dem anderen zu.<br />

Wer den Kreter Epimenides in der Diskussion der F-Antinomie herbeizitiert, glaubt, si<strong>ch</strong><br />

auf eine Stelle in dem ‘Brief an Titus’ berufen zu können, der dem Apostel Paulus zuges<strong>ch</strong>rieben<br />

wird. Dass es si<strong>ch</strong> bei <strong>die</strong>sem Text um einen Fall von Pseudepigraphie handeln dürfte, hat si<strong>ch</strong><br />

bei den zahlrei<strong>ch</strong>en Philosophen <strong>und</strong> Logikern, <strong>die</strong> auf ihn Bezug nehmen – Frater Bo<strong>ch</strong>e#ski<br />

einges<strong>ch</strong>lossen – ni<strong>ch</strong>t herumgespro<strong>ch</strong>en. Seit Anfang des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts haben (protestanti-<br />

s<strong>ch</strong>e) Neutestamentler sehr gewi<strong>ch</strong>tige Gründe für <strong>die</strong> These vorgebra<strong>ch</strong>t, dass Verfasser <strong>und</strong><br />

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!<br />

146 Gegen den Rest des Bu<strong>ch</strong>s bzw. gegen den Aufsatz, dessen Übersetzung es ist, haben Chur<strong>ch</strong><br />

(1946) u. Bar-Hillel (1947) gewi<strong>ch</strong>tige Einwände vorgebra<strong>ch</strong>t, auf <strong>die</strong> Koyré (1947) nur mit A<strong>ch</strong>selzucken<br />

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