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Bolzano vs. Savonarola und die Geschichte einer ... - Philosophie.ch

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Der hellenistis<strong>ch</strong>e Di<strong>ch</strong>ter sieht den angeführten Ausspru<strong>ch</strong> dadur<strong>ch</strong> bestätigt, dass <strong>die</strong> Kreter<br />

von dem unsterbli<strong>ch</strong>en Zeus behaupten, er sei auf ihrer Insel begraben. 176 Dass just das au<strong>ch</strong> ca.<br />

zwei Jahrh<strong>und</strong>erte vorher der Gr<strong>und</strong> für Epimenides’ Kreter-S<strong>ch</strong>elte war, folgt daraus natürli<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t. Im Rest seines Briefes versu<strong>ch</strong>t Hieronymus, dem Adressaten klarzuma<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>en<br />

Nutzen Theologen wie Clemens von Alexandrien <strong>und</strong> dessen S<strong>ch</strong>üler Origenes aus der Bes<strong>ch</strong>äf-<br />

tigung mit profaner Literatur zogen. 177 Roy Sorensen w<strong>und</strong>ert si<strong>ch</strong> über „thousand years of<br />

Christian incomprehension of the liar paradox“; denn: „One might expect it to be kept steadily<br />

before the Christian eye because it is repeated in the Bible [Tit 1, 12-13a].“ 178 Viellei<strong>ch</strong>t konnte der<br />

Anblick der Stelle im NT den Christen deshalb ni<strong>ch</strong>t auf <strong>die</strong> Sprünge helfen, weil <strong>die</strong> F-<br />

Antinomie in ihr keineswegs „wiederholt“ wird.<br />

Etwa seit Mitte des 12. Jahrh<strong>und</strong>erts wird <strong>die</strong>se Antinomie dann intensiv diskutiert. Und<br />

Paul Vincent Spade <strong>und</strong> Stephen Read w<strong>und</strong>ern si<strong>ch</strong>: „not a single me<strong>die</strong>val author is known to<br />

have discussed or even acknowledged the logical and semantic problems this text [sc. Tit 1, 12-<br />

13a] poses. When me<strong>die</strong>val authors discuss the passage at all, for instance in Scriptural commen-<br />

taries, they seem to be concerned only with why St. Paul should be quoting pagan sources.“ 179<br />

Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> findet beispielsweise Thomas von Aquin an der Briefstelle immer no<strong>ch</strong> nur das be-<br />

merkenswert, was s<strong>ch</strong>on Clemens <strong>und</strong> Hieronymus hervorgehoben hatten: 180<br />

[Paulus] bestätigt (confirmat) [hier] das Zeugnis eines ihrer Di<strong>ch</strong>ter, nämli<strong>ch</strong> des Epimenides…<br />

Glosse. Daran können wir sehen, dass er ein Zeugnis der Wahrheit anerkennt, wo<br />

au<strong>ch</strong> immer er es gef<strong>und</strong>en haben mag (accipit testimonium veritatis ubicumque invenerit).<br />

Daher zitiert der Apostel an mehreren Stellen Aussprü<strong>ch</strong>e der Heiden (dicta gentilium).<br />

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Lesart von ‘immer’: <strong>die</strong> Götter sterben nie, aber sie wurden (wie in Hesiods ‘Theogonie’ erzählt wird)<br />

geboren. Au<strong>ch</strong> Epimenides soll eine Theogonie ges<strong>ch</strong>rieben haben (D.L. I.111). Origenes erhebt (loc. cit.)<br />

gegen <strong>die</strong>se Vorstellung Einspru<strong>ch</strong>: „Der Anfang des Todes ist <strong>die</strong> Geburt auf Erden. Nun sagt der Di<strong>ch</strong>ter<br />

[sc. Kallima<strong>ch</strong>os]: [10] ‘In Parrhasia [im Süden Arka<strong>die</strong>ns] hat Rhea di<strong>ch</strong> geboren.’ … Der Di<strong>ch</strong>ter<br />

hätte … einsehen müssen, dass der Geburt des Zeus in Arka<strong>die</strong>n sein Tod, als notwendige Folge der Geburt,<br />

entspri<strong>ch</strong>t. Hierüber äußert si<strong>ch</strong> Kallima<strong>ch</strong>os so:…“, <strong>und</strong> nun zitiert Origenes <strong>die</strong> Verse [6]-[8].<br />

176 In seinem Dialog ‘Der Lügenfre<strong>und</strong> !oder !der Ungläubige (Φιλοψευδὴς ἢ Ἀπιστῶν)’ ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> der<br />

Satiriker Lukian (fl. 160 n. Chr.) darüber lustig, dass „<strong>die</strong> Kreter si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>ämen, das Grab des Zeus<br />

zu zeigen“ [ders. (1913) 324]. Ihre Touristen-Werbung klingt fast so, als s<strong>ch</strong>ämten sie si<strong>ch</strong> immer no<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t: „Ar<strong>ch</strong>ánes ist ein großes Dorf in der Weinbauregion südli<strong>ch</strong> von Iráklio <strong>und</strong> unweit von Knossos…<br />

Der mä<strong>ch</strong>tige Hausberg Jou<strong>ch</strong>tas gilt als das Grab von Zeus. Trotz s<strong>einer</strong> Nähe zu den Touristenzentren<br />

der Nordküste wird es [!] selten von Touristen besu<strong>ch</strong>t“ (www.sougia. com/kriti/iraklio.htm).<br />

177 Spade hat viele weitere Belege für <strong>die</strong>sen Umgang mit der Briefstelle in der Patrologia Latina<br />

gef<strong>und</strong>en, darunter au<strong>ch</strong> eine Passage bei Augustinus [ders. (1973) 296-297].<br />

178 Sorensen (2003) 199, 197. (Leser des Bu<strong>ch</strong>s, <strong>die</strong> im NT na<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>lagen wollen, dürften Sorensens<br />

Stellenangabe „Epistles 1: 12-13“ wenig hilfrei<strong>ch</strong> finden.)<br />

179 Spade/Read § 1.2.<br />

180 Super Epistolam S. Pauli ad Titum lectura [eine Vorlesung, <strong>die</strong> Thomas wohl zwis<strong>ch</strong>en 1265 <strong>und</strong><br />

1267 im Dominikanerkonvent in Rom hielt] lectio 3, Ende.

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