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Bolzano vs. Savonarola und die Geschichte einer ... - Philosophie.ch

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2.2 <strong>Bolzano</strong>s Einwand.<br />

Au<strong>ch</strong> <strong>Bolzano</strong> widerspri<strong>ch</strong>t <strong>Savonarola</strong> (79 18-23): I<strong>ch</strong> wage es glei<strong>ch</strong>wohl, mi<strong>ch</strong> zur entgegenge-<br />

setzten Meinung zu bekennen; <strong>und</strong> glaube, daß au<strong>ch</strong> der gemeine Mens<strong>ch</strong>enverstand für mi<strong>ch</strong><br />

ents<strong>ch</strong>eide. Denn wel<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>lehrer wird Anstand nehmen, <strong>die</strong> Worte: „Was i<strong>ch</strong> jetzt sage,<br />

ist fals<strong>ch</strong>,“ einen Satz zu nennen, der seinen vollständigen Sinn gibt? 105 Was <strong>Bolzano</strong> hier über<br />

<strong>die</strong> angeführte Wortfolge sagt, das hätte er bestimmt au<strong>ch</strong> über (") gesagt. Er ist au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> <strong>die</strong><br />

Theorie der Propositionen, <strong>die</strong> er in seinem Bu<strong>ch</strong> entwickelt, auf <strong>die</strong>se Stellungnahme festgelegt.<br />

Zu <strong>die</strong>ser Theorie gehören nämli<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Thesen, daß Sätze von der Form: A ist B, nie einen ande-<br />

ren Sinn haben, als den au<strong>ch</strong> der Ausdruck: A hat b, andeutet, sofern b das zu dem Concreto B<br />

gehörige Abstractum vorstellt, 106 <strong>und</strong> dass jeder Satz der Form ‘A hat b’, wenn der Bu<strong>ch</strong>stabe A<br />

was immer für eine Gegenstandsvorstellung, <strong>und</strong> der Bu<strong>ch</strong>stabe b irgendeine Bes<strong>ch</strong>affenheits-<br />

vorstellung bedeutet, eine Proposition ausdrückt. 107 Die Phrasen, <strong>die</strong> in<br />

(b) Was i<strong>ch</strong> jetzt sage, ist fals<strong>ch</strong><br />

(c) Was i<strong>ch</strong> so eben behaupte, ist fals<strong>ch</strong><br />

<strong>und</strong> in (") <strong>die</strong> ‘A’-Position einnehmen, drücken Gegenstandsvorstellungen aus, <strong>und</strong> der den ge-<br />

nerellen Term in der ‘B’-Position nominalisierende singuläre Term ‘Fals<strong>ch</strong>heit’ drückt eine Be-<br />

s<strong>ch</strong>affenheitsvorstellung aus. Also kann <strong>Bolzano</strong> ni<strong>ch</strong>t umhin, Wortfolgen wie (b), (c) <strong>und</strong> (") zu<br />

bes<strong>ch</strong>einigen, dass sie Propositionen ausdrücken. 108<br />

Da er am Bivalenz-Prinzip festhält, muss er aus dem Resultat (LÜCKE) für <strong>die</strong> Proposition<br />

[c] <strong>die</strong> Konsequenz ziehen, dass der Satz (c) anders zu verstehen ist, als wir bislang angenom-<br />

men haben: Die Proposition, <strong>die</strong> eine Äußerung von (c) dur<strong>ch</strong> Person x zur Zeit t ausdrückt, <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> Proposition, <strong>die</strong> ausgedrückt wird, wenn x zu t<br />

B(c) Was i<strong>ch</strong> so eben behaupte, erkläre i<strong>ch</strong> für fals<strong>ch</strong> <strong>und</strong> behaupte es ni<strong>ch</strong>t<br />

äußert, sind, so meint er, glei<strong>ch</strong>geltend (auseinander ableitbar 109 ). Von dem, was eine Äußerung<br />

von B(c) ausdrückt, sagt <strong>Bolzano</strong>: Und das ist allerdings unwahr! 110 Was im M<strong>und</strong>e eines An-<br />

hängers des Bivalenz-Prinzips impliziert, dass es fals<strong>ch</strong> ist. Dieses Verdikt ist einleu<strong>ch</strong>tend<br />

(wenn der Satz B(c) im M<strong>und</strong>e von x zu t überhaupt eine Proposition ausdrückt). Mit einem Satz<br />

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!<br />

105 Dass <strong>Bolzano</strong> in Hickman (1976) 400 zu den Nullifizierern (cassantes) gezählt wird, na<strong>ch</strong> deren<br />

Dafürhalten man mit einem F-Satz „ni<strong>ch</strong>ts sagt“, findet Brendel zu Re<strong>ch</strong>t befremdli<strong>ch</strong>: (1992) 43.<br />

106 WL II 10.<br />

107 WL I 393.<br />

108 So au<strong>ch</strong> Mors<strong>ch</strong>er (1987), der zeigt, dass <strong>die</strong>s ein „Hintertürl“ für das Auftreten der F-Antinomie in<br />

<strong>Bolzano</strong>s Logik ist.<br />

109 Vgl. WL II 54, 133, 201.<br />

110 WL I 7939-41. Wenn man <strong>die</strong> Proposition, dass p, zu t für fals<strong>ch</strong> erklärt, dann behauptet man zu t<br />

ni<strong>ch</strong>t, dass p. Im Folgenden kommt es <strong>Bolzano</strong> nur auf <strong>die</strong>ses Implikat von B(c) an.

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