die vermeidbare katastrophe die ersten warnzeichen ... - Die Gazette
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anderen un sicht baren, gewalt ge -<br />
zeichne ten Ge schich ten, <strong>die</strong> das Leben<br />
der Men schen ausmachen.<br />
In bester literarischen Tradition und<br />
formal sehr originell schreibt Magris ei -<br />
nen Roman über Geschichten, <strong>die</strong> nicht<br />
erzählt werden können. Fern aller Selbst -<br />
verklärung eröffnet er der Litera tur so<br />
einen widersprüchlichen und wahr -<br />
heitsfordernden Weg: <strong>Die</strong> Proto kolle<br />
des Wahns, des Scheiterns und der Un -<br />
möglichkeit des Erzählens sind <strong>die</strong> letzte<br />
mögliche Erzählung. Magris po lypho -<br />
ner Roman ist das Gegenteil des Schweigen,<br />
denn immer noch behauptet er den<br />
Wert der Erinnerung, obgleich sie voller<br />
Schall und Wahn ist wie im Falle Cippicos.<br />
An Erinnerung kann man auch sterben<br />
wie jener sonderbare Ge dächtnis -<br />
künstler Funes in Borges’ Er zählung, der<br />
mit neunzehn verschied, weil er sich an<br />
MARGINALIE<br />
Der Innenminister hat<br />
keine Ahnung<br />
Tele<strong>die</strong>nste! Wenn ich <strong>die</strong>ses Wort<br />
schon höre! Es erinnert mich an <strong>die</strong>se<br />
alten Telespiele, in denen der Strich den<br />
Punkt jagte und das Ganze durch sehr<br />
eigenartige Töne untermalt wurde.<br />
Aber nein, Deutschland, der Bund<br />
(um genau zu sein) bezeichnet damit ein<br />
Netz, das eine Welt beinhaltet, <strong>die</strong> wahr -<br />
scheinlich niemand ausmessen kann.<br />
<strong>Die</strong> Realität dahinter sind Hallen voller<br />
Serverschränke, Klimaanlagen und<br />
Glasfaserkabeln, komplizierte Technik.<br />
Ich vermute, dass 90 Prozent der Internetnutzer<br />
eigentlich auch BTX dazu<br />
sagen könnten: DB-Fahrplan, Überweisungen<br />
tätigen, ein bisschen Shopping.<br />
Aber was kaum jemand sieht:<br />
Jeder, wirklich jeder einzelne PC wird<br />
dabei ein Teil des Internets, sobald er<br />
online ist.<br />
Um es auf den Punkt zu bringen: Das<br />
Internet schaltet man nicht ab, man<br />
reglementiert es nicht und man könnte<br />
es auch nicht reglementieren. Wer das<br />
glaubt, dem muss man sagen: Es ist eine<br />
Illusion. Das Internet lebt, es ist komplex<br />
und hat eine Eigendynamik. Achja,<br />
nebenbei: E-Mail und Usenet, Telnet-<br />
Bundestrojaner!<br />
buchstäblich alles erinnerte: Nicht nur<br />
den um 15.14 Uhr gesehenen Hund im<br />
Profil, sondern auch den eine Minute<br />
später von vorne gesehenen. Mit der Tatsache,<br />
dass Ver gessen für das Überleben<br />
not wendig ist, gibt sich Magris in Blindlings<br />
nicht zufrieden und ist bereit, den<br />
Wahn in Kauf zu nehmen, um <strong>die</strong> Wahrheit<br />
aller un sichtbaren und sinn losen Ge -<br />
schich ten zu behaupten. „Stumm wer -<br />
den wir in den Abgrund steigen“, schrieb<br />
Pave se in einem seiner letzten Gedichte.<br />
Claudio Magris hat sich in seinem verstörenden<br />
und großartigen Werk (dessen<br />
rhapsodischen Duktus von Rag ni Maria<br />
Gschwend virtuos ins Deut sche übertragen<br />
wurde), für das Spre chen entschie -<br />
den: „Ich erinnere mich nur an Worte,<br />
doch an <strong>die</strong> ganz genau, auch wenn ich<br />
mich nicht mehr daran erinnere, was sie<br />
sagen wollten.“ Piero Salabè<br />
server und FTP: Das ist alles jedesmal<br />
noch eine eigene Welt, abseits von<br />
www.google.de. Und in <strong>die</strong>ser Welt,<br />
<strong>die</strong> sem Welten gibt es keine Henkel<br />
zum Anfassen. <strong>Die</strong>se Welten sind wie<br />
ein Nebel.<br />
Super, sagt sich Meister Schäuble –<br />
dann können wir ja <strong>die</strong> PCs hacken und<br />
da nach verdächtigen Daten suchen.<br />
Dumm nur, das <strong>die</strong>se Denke nicht<br />
funktioniert.<br />
Meine Freundin Christl – 70 Jahre,<br />
spielt online Mahjongg und verschickt<br />
e-Cards an Verwandte. Mehr macht sie<br />
nicht. Andererseits könnte Herr Schäuble<br />
ja ihr geniales Würstlgulasch-Rezept<br />
klauen, der böse Knochen. Wie auch<br />
immer: 90 Prozent der Menschen,<br />
deren PCs nicht gerade sicher am Netz<br />
hängen oder deren Anwender sowieso<br />
alles anklicken, was per E-Mail kommt,<br />
haben auf Ihrem PC noch nicht einmal<br />
Pornofotos, gute Musik oder Baupläne<br />
für Atombomben. Bleiben zehn Prozent<br />
– Freaks wie ich.<br />
Ich bin zwar kein Terrorist, aber ich<br />
bin wie <strong>die</strong>se böse Brut ein durchgeknallter<br />
Mensch, der, seit er denken<br />
kann, vor dem Computer sitzt. Probleme<br />
wie Sonnenaufgang bei Arbeits -<br />
ende, Probleme mit Öffnungszeiten<br />
von Supermärkten und Dauerkunde bei<br />
der 24-h-Aral ums Eck sind mein<br />
Leben. Ich denke wie Windows, ich<br />
funktioniere wie eine Festplatte, ich<br />
höre, was <strong>die</strong> Maschinen sagen. Damit<br />
ver<strong>die</strong>ne ich mein Geld, okay. Andere<br />
Freaks knacken Firmennetzwerke, verbreiten<br />
illegale Inhalte und düpieren <strong>die</strong><br />
Industrie.<br />
Nehmen wir uns mal <strong>die</strong>se Kopierschutztechnologien<br />
vor. Wie lustig.<br />
DVD kommt auf den Markt. Millionen<br />
wurden in den DVD-Kopierschutz CSS<br />
gesteckt – ein schwedischer 15-Jähriger<br />
knackte es mit seinem Team innerhalb<br />
kürzester Zeit. Genauso ist es bei Videospielen,<br />
Musikdateien mit Digitalem<br />
Rechtemanagement, bei Premiere-De -<br />
codern und anderem Pay-TV-Kram.<br />
Anstatt zu verstehen, dass beim Thema<br />
IT <strong>die</strong> Welt in Nerds und Geeks (IT-<br />
Checker) einerseits und<br />
Wannabes, NooBz oder Lamer (Vollidioten,<br />
<strong>die</strong> es nicht blicken) andererseits<br />
gespaltet ist.<br />
Studenten programmieren Viren, werden<br />
zweifelhaft berühmt und erhalten<br />
dann überbezahlte Programmiererjobs<br />
bei Microsoft. Politiker dagegen haben<br />
noch nicht einmal ansatzweise einen<br />
Funken von Ahnung, was da draußen<br />
abgeht. Abgeht, so muss man es sagen.<br />
„Stattfinden“, „Tele<strong>die</strong>nste“, das ist alles<br />
spießiges, politisch korrektes Gerede,<br />
das keine Wahrheit mehr zutage fördert.<br />
Das Netz gehört den absoluten Outlaws,<br />
denen alles egal ist. Reputation<br />
aufbauen, 3l33t (eleet = eliteartig) sein,<br />
im Untergrund leben und allen Konzernen<br />
zeigen, dass sie es besser drauf<br />
haben.<br />
Irgendwann kommt dann auch mal<br />
<strong>die</strong> geliebte MI (Musikindustrie) auf<br />
den Trichter: Musik ohne Kopierschutz<br />
wird mehr gekauft als Musik mit<br />
Kopierschutz. Klar, denn Musik, <strong>die</strong> wie<br />
bei Apple I-Tunes nur auf einem speziellen,<br />
langweilig designten Gerät (iPOD)<br />
zu gebrauchen ist, muss man nach dem<br />
Kauf erst brennen, dann wieder rippen<br />
(aus der CD auslesen), um Musik zu<br />
erhalten, <strong>die</strong> auf jedem Player läuft –<br />
egal ob CD, MP3, DVD oder Handy.<br />
Doch zurück zum Thema, denn sonst<br />
bekomme ich noch Ausschlag. In <strong>die</strong>ser<br />
geschilderten Realität kommt nun ein<br />
Politiker daher und tönt: „Onlinedurchsuchung“,<br />
„Bundestrojaner“.<br />
Nachdem auch er verstanden hat, dass<br />
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