die vermeidbare katastrophe die ersten warnzeichen ... - Die Gazette
die vermeidbare katastrophe die ersten warnzeichen ... - Die Gazette
die vermeidbare katastrophe die ersten warnzeichen ... - Die Gazette
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Klimawandel<br />
(2) In eben <strong>die</strong>sem Zusammenhang wird <strong>die</strong><br />
Bedeutung des Weltöffentlichkeit sichtbar. Ihre<br />
Einbeziehung ist das einzige gewalt- und<br />
repressionsfreie Druckmittel, das gegen jede Art<br />
von Einzelinteressen mobilisiert werden kann.<br />
Denn <strong>die</strong> Chance auf eine Lösung von Streitfragen<br />
durch „sachliche Argumente“ ist umso geringer, je<br />
willkürlicher, gewalttätiger und damit irrationaler<br />
eine Ausgangslage ist, <strong>die</strong> durch den Klimawandel<br />
verschärft wird.<br />
Dazu zwei Szenarien: (a) Ein „sich entwickelnder“<br />
Staat, der von einem korrupten (möglicherweise<br />
paranoiden) Herrscher geknebelt ist, verstreut seine<br />
flüchtenden Bürger über <strong>die</strong> – ihrerseits umwelt -<br />
geplagten – Nachbarländer. (b) Ein multiethnisches<br />
Land wird von einer korrupten Clique<br />
(sagen wir: einer Militärjunta) beherrscht, <strong>die</strong> sich<br />
zur Ausbeutung der Bodenschätze der Komplicen -<br />
schaft internationaler Konzerne versichert hat; <strong>die</strong><br />
rebellierende Minderheiten werden aus dem<br />
eigenen Staatsgebiet in Nachbarländer vertrieben,<br />
<strong>die</strong> dadurch (siehe Szenario a) ihrerseits unter<br />
Druck geraten. <strong>Die</strong> jeweiligen Verhandlungen<br />
können – wenigstens das – von den Repräsentanten<br />
der UN protokolliert und über das Internet der<br />
global gewordenen Öffentlichkeit präsentiert<br />
werden.<br />
Deutlich wird im Blick auf solche Szenarien auch,<br />
dass <strong>die</strong> Funktion des Sicherheitsrates in seiner<br />
bisherigen Zusammensetzung und unter<br />
Beibehaltung von „Vetomächten“ unbrauchbar, ja<br />
destruktiv geworden ist.<br />
Wesentlich konkreter, wenn auch nicht<br />
notwendig optimistischer, fällt eine Überschau aus,<br />
welche aktuell wirksamen Kulturfaktoren<br />
angesichts des Klimawandels als Blockaden, welche<br />
als Öffnungen zu begreifen sind.<br />
2001 zum epochemachenden Eklat geworden. Aber<br />
was geschah danach? <strong>Die</strong> Weltmacht, <strong>die</strong> bis dahin<br />
als Garant der Freiheitsrechte und Liberalität<br />
gegolten hatte, handelte ihrerseits manichäistisch.<br />
Auch hier brach lange Vorbereitetes durch, vor<br />
allem <strong>die</strong> latente Neigung bestimmter Gesell -<br />
schaftsteile der USA, sich als Nachfolger des Messias<br />
zu begreifen (in der „Battle Hymn of the Republic“<br />
heißt es: „As he <strong>die</strong>d to make men holy, let us <strong>die</strong> to<br />
make men free“). <strong>Die</strong> Regierung von George W.<br />
Bush be<strong>die</strong>nte sich des religiösen Fundamen ta -<br />
lismus, um einen Krieg beginnen zu können, für<br />
den es ganz andere Gründe gab – ein Täuschungs -<br />
manöver, das spektakulär misslungen ist.<br />
Guantánamo, Abu Ghraib, das Entgleisen der<br />
gesellschaftlichen Prozesse im Irak: Der katastro -<br />
phale Geltungsverlust der USA betrifft uns alle. Im<br />
Klimawandel brauchen wir einen Hegemon, der<br />
mit kulturellen Unterschieden umzugehen vermag.<br />
<strong>Die</strong> kulturelle Überhöhung der Gier. Auch <strong>die</strong><br />
zweite der hier angesprochenen Blockaden kann<br />
nicht ohne Bezugnahme auf <strong>die</strong> USA erörtert<br />
werden. Das ist kein Zufall (aber auch kein<br />
Ausdruck einer Amerikafeindlichkeit bei mir),<br />
sondern unvermeidlich: <strong>Die</strong> Möglichkeiten der<br />
Zukunft können nicht an den Werten der einzigen<br />
Weltmacht vorbei gedacht werden, sondern nur<br />
durch <strong>die</strong>se hindurch.<br />
Um Missverständnisse zu vermeiden: Immer<br />
schon, seit es Menschen gibt, waren <strong>die</strong><br />
Unterschiede zwischen den menschlichen<br />
Individuen größer als bei allen anderen Gattungen<br />
des Tierreichs, und Unterschiede zwischen arm und<br />
reich sind unvermeidlich. Aber seit dem „Sieg des<br />
Kapitalismus“ ist der Dynamismus der Geld -<br />
vermehrung außer Rand und Band geraten. Man<br />
vergleiche <strong>die</strong> Liste der Reichsten in der Welt von<br />
2006 mit denen davor und beachte <strong>die</strong> steigende<br />
Zahl derer, <strong>die</strong> im reinen Geldgewerbe tätig sind.<br />
Exzessive Unternehmer-Gewinne (wie bei Bill<br />
<strong>Die</strong> Unterteilung der Welt in gut und<br />
böse, gottgewollt und widergöttlich geht auf eine<br />
frühchristliche Sekte zurück, <strong>die</strong> Manichäer . Dass<br />
der Manichäismus in <strong>die</strong> Gegenwart ein brechen<br />
konnte, hat mit der Radikali sierung einer<br />
islamistischen Minderheit zu tun. Wie es dazu kam,<br />
hat Dan Diner in seinem Buch Versiegelte Zeit<br />
(2005) beschrieben. „Versiegelt“ bedeutet hier<br />
soviel wie „angehalten“ und bezieht sich auf <strong>die</strong><br />
Geschichtszeit. Gesellschaften, <strong>die</strong> sich so<br />
verhalten, als könnten sie den weltgeschichtlichen<br />
Wandel an sich vorbeiziehen lassen, bringen sich<br />
selbst in eine defensive und schließlich verzweifelte<br />
Lage. <strong>Die</strong> eigene Position wird absolut gesetzt, <strong>die</strong><br />
menschliche Solidarität mit „Ungläubigen“ negiert<br />
– bis hin zum Terror gegen <strong>die</strong> derzeitige Leitkultur<br />
und Weltmacht. Was sich in mehr oder weniger<br />
spektakulären Aktionen bereits seit den 90er Jahren<br />
des letzten Jahrhunderts andeutete, ist am 11. 9. Im Verhandlungsprozess: IPCC, Arbeitsgruppe II, Brüssel, April 2007:<br />
www.iisd.ca/climate/ipwg2/<br />
29