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die vermeidbare katastrophe die ersten warnzeichen ... - Die Gazette

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REZENSIONEN<br />

Wir kommen zum Wetter<br />

Man kennt sie aus einem Nachrich ten -<br />

magazin: <strong>die</strong>se szenischen Einstiege in<br />

<strong>die</strong> Story. Sagen wir mal: über <strong>die</strong> Mafia,<br />

dann lautet der erste Satz: „Leise knirsch -<br />

te der Kies in der Auffahrt zur Villa Lombroso<br />

...“ oder „<strong>Die</strong> 17000 Kerzen in der<br />

Sala Turca beleuchteten eine gespensti -<br />

sche Szene ...“ oder so ähnlich.<br />

Und obwohl man sie eigentlich über<br />

hat, gibt es sie immer noch, nicht nur in<br />

Zeit schriften, sondern nun auch in Bü -<br />

c h e r n .<br />

Was allerdings dann keine Überraschung<br />

mehr wäre, wenn das Buch aus<br />

lauter Zeitschriftenartikeln zusammen -<br />

ge setzt wäre.<br />

Das Buch von Fred Pearce das wetter<br />

von morgen. wenn das Klima zur bedrohung<br />

wird (Kunstmann Verlag, Mün -<br />

chen 2007) weckt <strong>die</strong>sen Verdacht. Es<br />

beginnt mit „<strong>Die</strong>se Geschichte beginnt<br />

mit einem schwedischen Che miker, der<br />

in dem sonnenlosen nordischen Winter<br />

an einem Weihnachtsabend bedrückt in<br />

seinem Arbeitszimmer saß. Gerade war<br />

seine Ehe mit seiner schönen Assistentin<br />

Sofia zerbrochen.“ Der Chemiker spielt<br />

dann zwar keine große Rolle mehr, aber<br />

im inszenierten Einstieg putzt er (zusammen<br />

mit der schö nen Sofia) ungemein.<br />

Bücher zur Katastrophe<br />

Es sind insgesamt 37 „Geschichten“,<br />

<strong>die</strong> so beginnen, und ihre Überschriften<br />

könnten ebensogut aus Ma ga zin artikeln<br />

genommen sein: „<strong>Die</strong> Heizung aufdrehen<br />

– Ein kritischer Blick auf den Klimawandel“,<br />

„Das Schelf –<br />

Wenn in der Antarktis der Korken gezogen<br />

wird“, „Wat sind Watt – <strong>Die</strong><br />

unausgeglichene Energiebilanz der<br />

Erde“ (man hatte <strong>die</strong> ses Titel-Rezept<br />

zuletzt bei Sabine Chris ti ansen auszuhalten).<br />

Wer es also, bei durchgehend ernst -<br />

zunehmendem Inhalt, gern mit leich ter<br />

Kost hält, wird mit dem Buch vermutlich<br />

zufrieden sein. Er darf sich dann aber<br />

auch nicht über einen unverhofft<br />

komischen Satz beschweren: „Nicht<br />

so rasch wurde hingegen eine Verbindung<br />

zwischen den Heinrich-Ereignissen<br />

und dem Dansgaard-Oeschger-<br />

Zyklus her ge stellt, was durchaus verständlich<br />

ist.“ Durchaus verständlich.<br />

Pearce, der bisher vor allem für Periodika<br />

wie den Boston Globe und Ecologist<br />

schreibt, macht aus dem Klimawandel<br />

ein leichtes Allerlei aus<br />

„Events“. Er macht ihn – in einer<br />

schlimmen Bedeutung des Wortes –<br />

interessant.<br />

In der Reihe C.H.Beck Wissen haben<br />

der Klima-Berater der Bundeskanzlerin<br />

und Direktor des Potsdam-Instituts<br />

für Klimafolgenabschätzung,<br />

Hans Joachim Schellnhuber, und sein<br />

Kollege Stefan Rahmstorf, ein nur etwa<br />

140 Seiten star kes Taschenbuch he -<br />

rausgegeben (Der Klimawandel,<br />

Mün chen 2007), das je doch alles versammelt,<br />

was der kundige Zeitgenosse über<br />

<strong>die</strong> Erderwärmung wissen muss. Was <strong>die</strong><br />

Lektüre so angenehm wie ergiebig macht:<br />

Hier wird der Klimawandel weder hochdramatisiert,<br />

noch heruntergespielt.<br />

Gegenüber derartigen Me<strong>die</strong>nberichten<br />

wird dem Leser sogar ausdrücklich Skepsis<br />

empfohlen.<br />

Der Untertitel (Diagnose - Prognose -<br />

Therapie) gibt dem Inhalt eine schlüssige<br />

und gedanklich saubere Gliederung. Es<br />

werden zuerst <strong>die</strong> Fakten präsentiert und<br />

dann erst daraus Vorausschauen abge lei -<br />

tet und aufgestellt.<br />

Relativ ausführlich befassen sich <strong>die</strong><br />

Autoren mit den bei Naturwissen schaft -<br />

lern nicht gerade beliebten Gerechtig -<br />

keitsfragen, wenn etwa eine reine Laissezfaire-Strategie<br />

durchgespielt wird :<br />

Beispielsweise könnte grundsätzlich abwar -<br />

ten, wie sich <strong>die</strong> weltweiten Klimawirkungen<br />

entfalten und dann, bei klar identifizierbaren<br />

Schadensereignissen, <strong>die</strong> Betroffenen für ihre<br />

Ver luste kompensieren. Manche Ökonomen<br />

ar gumentieren etwa, dass es wesentlich günsti -<br />

ger wäre, <strong>die</strong> Bevölkerungen der vom steigenden<br />

Mee resspiegel bedrohten Südseeinseln auf<br />

Kos ten der Industrieländer nach Australien<br />

oder Indonesien umzusiedeln, statt <strong>die</strong> Wirt -<br />

schaft durch Beschränkungen für Treibhausgasemissionen<br />

zu belasten. Dabei werden jedoch<br />

<strong>die</strong> sozialen und ethischen Probleme vergessen,<br />

und <strong>die</strong> Gefahr ist groß, dass mit solchen Überlegungen<br />

eine geopolitische Pandorabüchse<br />

geöffnet wird.<br />

Es gibt den beiden Autoren zufolge<br />

gegenüber dem Klimawandel eine irrationale<br />

Haltung (Ignorieren) und zwei<br />

denkbare Lösungen: Anpassung oder<br />

Ver meidung. Beide haben heute ihre An -<br />

hänger. <strong>Die</strong> Anpasser sind besonders da -<br />

ran zu er kennen, dass sie – am liebsten in<br />

Talkshows – vortragen, es genüge, einfach<br />

<strong>die</strong> Deiche um einen oder zwei Me -<br />

ter höherzubauen. Gegenwärtig scheinen<br />

sie eher auf dem Rückzug zu sein.<br />

Was aber auch damit zusammenhängt,<br />

dass das Thema insgesamt, IPCC und<br />

Bali hin oder her, allmählich wieder aus<br />

den Me<strong>die</strong>n verschwindet, weil <strong>die</strong> Ver-<br />

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