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die vermeidbare katastrophe die ersten warnzeichen ... - Die Gazette

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52<br />

<strong>Die</strong> Europäische Union<br />

Wertegemeinschaft<br />

oder Rechtsordnung<br />

Robert Spaemann, Professor em. für Philosophie, hat sich in einem vielbeachteten Beitrag dagegen ausgesprochen, <strong>die</strong> Werte der<br />

EU über Gebühr zu betonen oder gar mit ihnen politisches Handeln zu legitimieren. Er erkennt darin, so lautet neuerdings das<br />

paradoxe Schlagwort, einen „liberalen Totalitarismus“. Sind <strong>die</strong> europäischen Werte eine berechtigte Forderung oder nur eine<br />

staatsphilophische Verirrung?<br />

Ich möchte gern mit dem Hauptargument<br />

beginnen, das gegen ein Europa als Wertegemeinschaft<br />

vorgebracht wird. Deshalb werde ich<br />

sehr kurz <strong>die</strong> kritischen Einwände von Robert<br />

Spaemann und Krzysztof Michalski vorstellen, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong>se Frage schon im Jahr 2001 in der Zeitschrift<br />

Transit diskutiert haben.<br />

In seinem Artikel „Europa –<br />

Wertegemeinschaft oder Rechtsordnung?“ betont<br />

Spaemann dort, dass <strong>die</strong> Rede von Werten trivial<br />

und gleichzeitig gefährlich ist. Gefährlich ist sie<br />

aufgrund ihrer Un genauigkeit und trivial, weil wir<br />

längst wissen, dass jede Gesellschaft auf bestimmten<br />

gemeinsamen Werten aufgebaut ist. Der<br />

gemeinsame Vorrat all dessen, was wir hoch- bzw.<br />

geringschätzen, hat zwar zum Rückzug der westlichen<br />

Gesellschaften geführt, schon weil <strong>die</strong> Zahl<br />

der verschiedenen Le bensstile und Einstellungen<br />

zugenommen hat, also durch den sogenannten<br />

Pluralismus. Jedoch brauchen selbst pluralistische<br />

Gesellschaften, fährt Spaemann fort, gemeinsame<br />

Werte und Wert urteile als Grundlage für we -<br />

sentliche Rechte.<br />

Aber <strong>die</strong> wahre Gefahr der Rede von der „Wer -<br />

tegemeinschaft Europa“ liegt nach Spaemann in<br />

der Tatsache, dass hier eine „Tendenz“ vorliegt,<br />

„<strong>die</strong> Rede von Grundrechten allmählich mehr und<br />

mehr zu ersetzen durch <strong>die</strong> Rede von Grundwerten“.<br />

Konkret zeigt sich <strong>die</strong> Gefahr dann, wenn der<br />

Staat <strong>die</strong> Anwendung von Gewalt legitimiert durch<br />

<strong>die</strong> Berufung auf „höhere Werte“, um etwas zu verbieten,<br />

was sich allein durch das Gesetz nicht verbieten<br />

lässt. In einem solchen Fall werden also<br />

Werte missbraucht zur Verletzung der Rechtsordnung.<br />

Das war z.B. der Fall im Dritten Reich, das ja<br />

ebenfalls eine Art Wertegemeinschaft war, eine<br />

„Volksgemeinschaft“, in der der Staat nur der Vollstrecker<br />

einiger „höherer Werte“ wie Nation, Ras -<br />

se, Gesundheit etc. war, und in der <strong>die</strong> NSDAP, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong>sen Werten Treue geschworen hatte, <strong>die</strong> Macht<br />

im Staat übernahm und den Staat sogar unter ihre<br />

Herrschaft brachte.<br />

Ein erstes Anzeichen für <strong>die</strong>se Gefahr eines „libe r -<br />

Von Yvanka B. Raynova<br />

tären Totalitarismus“ ist, nach Spaemann, <strong>die</strong> Verfolgung<br />

von Sekten. Spaemann stellt fest, dass <strong>die</strong><br />

Bezeichnung einer Gemeinschaft als „Sekte“ in der<br />

Willkür derjenigen liegt, <strong>die</strong> allein <strong>die</strong> Deutungs -<br />

hoheit innehaben, also der Vertreter der Staatsgewalt.<br />

Bei der informellen Verfolgung von Sek ten<br />

wird demnach <strong>die</strong> mühsam erreichte Rechts staat -<br />

lichkeit in den Wind geschlagen, weil der Staat sich<br />

als liberale Wertegemeinschaft versteht, als Welt -<br />

an schauungsstaat und nicht mehr als Rechtsordnung.<br />

Ein zweiter Hinweis auf <strong>die</strong> Gefahr des „liberalen<br />

Totalitarismus“ ist für Spaemann der Einsatz staat -<br />

licher Organe zur Diskriminierung bestimmter<br />

politischer Ideen, selbst wenn <strong>die</strong>se verfassungs -<br />

konform sind. Das sei gegenwärtig in Deutschland<br />

der Fall, wo zur Zeit versucht werde, eine öf fent -<br />

liche Diskussion über <strong>die</strong> Frage der Einwanderung<br />

zu unterbinden. oppositionelle Meinungen oder<br />

ein ethnisch-kulturelles Selbstverständnis der Na -<br />

tion seien tabuisierte Themen, weil sie an Gewalt<br />

gegen Ausländer denken lassen. Der Staat versteht<br />

sich als „Bündnis gegen Rechts – das ist <strong>die</strong> Wer -<br />

tegemeinschaft anstelle des Staates, und hier müs -<br />

sen <strong>die</strong> Alarmglocken läuten“.<br />

Spaemann drittes Beispiel hängt eng mit dem<br />

eben Gesagten zusammen. Er unterstreicht, dass<br />

der Staat sich „seiner Neutralitätspflicht entledigen<br />

(könne), indem er staatliche Institutionen privatisiert,<br />

in denen er gleichwohl als Mehrheitsgesellschafter<br />

das Sagen behält, und er kann dann<br />

<strong>die</strong>se Position zur Diskriminierung missliebiger<br />

Organe gebrauchen“. <strong>Die</strong>s sei vor kurzen der Fall<br />

in Deutschland gewesen, als <strong>die</strong> PostBank <strong>die</strong> Konten<br />

der Wochenzeitung Junge Freiheit kündigte.<br />

Der Boykott der Zeitung wurde zwar rückgängig<br />

gemacht, aber der Versuch sei ein Grund, wachsam<br />

zu bleiben.<br />

Als viertes Beispiel nennt Spaemann <strong>die</strong> Sanktionen<br />

gegen Österreich Anfang 2000. <strong>Die</strong> EU bechloss<br />

damals, Österreich unter „Quarantäne“ zu<br />

stellen, allein aus political correctness, weil Ös ter -<br />

reich sich eines Mangels an „europäischen Wer ten“

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