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die vermeidbare katastrophe die ersten warnzeichen ... - Die Gazette

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stämme zum Knacken bringenden Kälte. Ganz<br />

Vorsichtige, auch ehemalige Städter, <strong>die</strong> in ihren<br />

Häusern ohne Garten mitten unter Bäumen<br />

wohnten, achteten darauf, ob es im dem steinhart<br />

verharschten Schnee nicht Spuren von Bären gab<br />

oder ob sich <strong>die</strong> Braunen schon in ihre Winterquartiere<br />

verzogen hatten.<br />

Wer aus dem Auto steigt und sich zu Fuß weitermacht,<br />

dem zieht in der einfallenden Dämmerung<br />

bald der Rauch von Holzfeuer in <strong>die</strong> Nase, das un -<br />

trüglichste Zeichen, dass Häuser in der Nähe sind.<br />

Auch <strong>die</strong>ses Tal, das sich vor der Mündung in den<br />

Hauptfluss verengt, zeigte seine lange, geschwungene<br />

Form, nichts Jähes, keinen plötzlichen, willkürlichen<br />

Richtungswechsel, sondern ein leicht<br />

gekrümmter Talgrund lag da mit Grasboden, beidseits<br />

<strong>die</strong> Wälder an den Talhängen, und hier und<br />

dort stachen <strong>die</strong> Gehöfte heraus mit den rostrot<br />

gestrichenen Scheunen, der allgegenwärtigen Far -<br />

be, einst aus dem schwedischen Falun importiert,<br />

seit Jahrzehnten schon überragt von den Silos, <strong>die</strong><br />

zeigen sollten, dass auch Landwirtschaft heutzutage<br />

fabrikmäßig ernstgenommen sein wollte.<br />

Weit hinten, auf einem Hügel mitten im Talverlauf,<br />

einer Laune eines jener Gletscher, nach denen<br />

<strong>die</strong> ganze Landschaft noch aussieht, und das ganz<br />

besonders in <strong>die</strong>ser andrängenden Winterkälte,<br />

beginnt sich <strong>die</strong> weiße Holzkirche von South Strafford<br />

abzuzeichnen, mit ihrem schlanken, spitzen<br />

neuenglischen Kirchturm, wo puritanische Zimmermannsbaukunst<br />

gotischen Kirchenstil in <strong>die</strong>se<br />

Wälder gebracht hat, und das erheblich post festum,<br />

wahrscheinlich sogar erst nach den Napoleonischen<br />

Kriegen.<br />

<strong>Die</strong> eigentlich schmalbrüstige, beinahe fragile<br />

hölzerne Kirche, spitzbogig befenstert auf dem allseitig<br />

abfallenden Hügel, der freigehalten war bis<br />

auf einige halbhohe schöne Bäume, Obstbäume<br />

offensichtlich, aber jetzt in der Kälte zur Unkenntlichkeit<br />

entlaubt, und unten am Fuße, am Anfang<br />

des im Rasen kaum erkennbaren Kirchsteigs, ein<br />

ebenso weißes Holzhaus, mit gelb lasierten Lisenen,<br />

wie Laubsägearbeit, wie ein Spielzeug beinahe,<br />

es ist wohl das Pfarrhaus. Der Mittelbalkon<br />

und <strong>die</strong> symmetrische Holzarchitektur erinnern<br />

entfernt an Palladios Vicenza, kommen aber ohne<br />

einen einzigen Stein aus. Eines der oberen Fenster<br />

ist beleuchtet. Doch hier zu klingeln und unangemeldet<br />

um Eintritt zu bitten wäre sehr unamerikanisch<br />

in einem Land, in dem bei aller Lieblichkeit<br />

und Verhaltenheit der Landschaft das trespassing,<br />

das ungebetene Eintreten oder auch nur das Betreten<br />

eines fremden Stückes Boden, zu den Dingen<br />

gehört, <strong>die</strong> man besser nicht tut. <strong>Die</strong> Kirche und<br />

der schlanke, in der Dämmerung nun schon angestrahlte<br />

Turm, talauf und talabwärts weithin sichtbar,<br />

sind selbst in der angehenden Winternacht<br />

noch so etwas wie ein Lichtblick, in ihrer Zartheit<br />

Schutz erflehend und zugleich Schutz und versprechend.<br />

Weihnachtsauktion in Orford, draußen an der<br />

Hauptstraße, <strong>die</strong> nur deshalb wichtig und Haupt-<br />

straße ist, weil da der größte Fluss des Landstrichs<br />

das Tal bildet. Grell blendet <strong>die</strong> niedrig stehende<br />

Dezembersonne auf dem schütteren Schnee. An<br />

einer Straßenkreuzung und einer Brücke über den<br />

Connecticut River, der hier <strong>die</strong> Landesgrenze bildet,<br />

hat sich so etwas wie ein geschlossenes Dorf<br />

gebildet, mit kleinen Häuschen und nicht viel größeren<br />

Scheunen, überall <strong>die</strong> amerikanische Ausgabe<br />

der verdächtigen ochsenblutfarbenen falufärg<br />

an den Schalungen der Holzhäuser. Und hier nun<br />

Pickups, doch <strong>die</strong>se endlich einmal an einem richtigen<br />

Ort, und auch sonst manche Autos, <strong>die</strong> mehr<br />

Erdkrumen an den Reifen und innen auf dem<br />

Gummiboden haben und verschmierte Fenster, als<br />

der Städter es gewohnt gewesen wäre. Neben dem<br />

typisch amerikanischen Wagen auffällig viele Volvos,<br />

Kombis natürlich, mit Anhängerkupplung,<br />

und sogar, seht her, einen ebensolchen Mercedes.<br />

<strong>Die</strong> Hänger stehen nebenbei, sorgfältig aufgereiht,<br />

alle mit dem offenen Heck zur Straße gerichtet;<br />

Strohreste und Tiermist auf den Anhängerböden<br />

und auf der Straße.<br />

<strong>Die</strong> Weihnachtsauktion, zu der aus dem ganzen<br />

großen Umkreis <strong>die</strong> Leute kommen, ist eine Vieh -<br />

auktion. Von altersher. An einem der meist strahlenden<br />

Tage vor Weihnachten, in <strong>die</strong> eisige Kälte<br />

hinein, <strong>die</strong> dem Vieh aber nicht schadet. <strong>Die</strong> Rinder<br />

tragen ihren dicken Winterpelz und sind wie<br />

überall in den Staaten das Leben im Freien ge -<br />

wohnt. Winterlich ist auch der Aufzug der Besucher,<br />

sie laufen in ihren dicken, gewürfelten Lumberjacks<br />

umher, mit denen sie während der letzten<br />

Wochen zur Jagd gingen, rot und in anderen<br />

schreienden Farben, nicht um das Wild zu erschrecken,<br />

sondern zur Warnung für <strong>die</strong> anderen Jäger.<br />

Da passiert in einer jeden Jagdsaison etwas, Un -<br />

glück genug für eine Woche Valley News, aber das<br />

gehört nun einmal dazu.<br />

In eine der Scheunen ist ein Ring eingebaut, mit<br />

einem Podium für den Auktionator und seinen<br />

Assistenten, der kassiert, ringsum hinter den rohen<br />

Stangen sitzen <strong>die</strong> Farmer, Verkäufer und Käufer.<br />

In, wie gesagt, Lumberjacks und mit dicken Mützen,<br />

Ohrenklappen lose herabfallend. Gespanntes<br />

Schweigen unter den Anwesenden. Der Versteigerer<br />

erklimmt gerade, indem er <strong>die</strong> soeben im Kreise<br />

vorgeführte Färse oder den Jungstier wohlwollend<br />

und melodisch anpreist, seinen Auftakt und trommelt<br />

dann wie eine ununterbrochen angeschlagene<br />

Glocke seine Zahlenketten über Rinder und Menschen.<br />

Geboten wird in das Zahlenstakkato, in das<br />

kaum verständliche, hinein mit einem Fingerzeig,<br />

den der Unkundige jederzeit übersehen hätte. Hat<br />

er nun gekauft oder hat er nicht? Wir werden es nie<br />

erfahren. Wir müssten nur draußen bei den<br />

Anhängern lauern, später, wenn <strong>die</strong> Tiere wieder<br />

abgefahren werden.<br />

Aber da gibt es nicht nur <strong>die</strong> Tiere, den Auktionator,<br />

<strong>die</strong> Verkäufer und Käufer. <strong>Die</strong> Weihnachtsauktion<br />

von Orford war längst im ganzen Landkreis<br />

und darüber hinaus eine Attraktion geworden, zu<br />

der man einfach fuhr. Auf der Dorfstraße gehen

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