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die vermeidbare katastrophe die ersten warnzeichen ... - Die Gazette

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80<br />

Niemals mehr habe ich <strong>die</strong>ses Gefühl abgeschält<br />

bekommen, das sich vielleicht nicht erst an <strong>die</strong>sem<br />

schlickigen Abend als alles endete bemerkbar<br />

machte, sondern, womöglich, viel früher: Als Taran<br />

mich unruhig machte oder sogar schon zur Zeit<br />

jenes lichtabgedunkelten Kindsommers, auf der<br />

Rückbank des Fiats von Bebe, immer auf dem Weg<br />

zur Küste.<br />

Auch da war Radio und möglich, es sind <strong>die</strong> Stimmen<br />

aus dem Nichts, <strong>die</strong> dann ein Leben lang nicht<br />

mehr aufhören zu soufflieren.<br />

Zischende Schnalzer und das Anhalten von Atem<br />

mitten im Wort und man muss in <strong>die</strong> Hände klatschen<br />

und all das herumscheuchen, bis Erschöpfung<br />

eintritt und der kataklystische Singsang kapituliert,<br />

und dann kann man dem Ganzen das Genick brechen<br />

oder Spitzen klöppeln.<br />

Da ist Toff, der Zwetschge ausschenkt, in der Flasche<br />

ein schwimmender Eisklumpen, weil Februar.<br />

Zwetschge tränt in <strong>die</strong> Gläser.<br />

Sechs Uhr und Ladenschluss bei Coop’s Grocery<br />

bringt kalte Luft und Aki und Zita und einen, den<br />

kenne ich nicht. Wieder Zwetschge, was das Gehör<br />

wattiert und <strong>die</strong> Augen von innen beschlägt.<br />

Ich sage nichts und Aki und Zita sprechen mit Toff<br />

über den Kampf, der andre sagt auch nichts und ich<br />

schiebe mir einen Beutel Tabak zwischen Zahnfleisch<br />

und Oberlippe und horche auf das Schweigen,<br />

das eintritt; was gibt es schon zu sagen darüber,<br />

dass Kid nach siebenjährigem Pausieren und dann<br />

gegen Cyclo, <strong>die</strong>se polierte, blutdurstige Visage,<br />

gegen einen Kampf also, der schon im Vornherein<br />

entschieden ...<br />

Ein Sturz Vögel, gegen Westen abdrehend,<br />

irgendwo am linken Horizontausschnitt und <strong>die</strong><br />

blaue Stunde, <strong>die</strong> der schwarzen weicht.<br />

Josie taucht auf, wird mit zotigen Ausrufen<br />

begrüßt und beginnt an dem Radiogerät rumzuschrauben,<br />

das Toff aus der Küche gebracht hat.<br />

Radio Nord also, als Josie es um fünf vor acht<br />

gelungen ist, das Radio in Schräglage auf einem<br />

Barschwamm und <strong>die</strong> Antenne, gestützt von einer<br />

Flasche Grasovska und Gin, <strong>die</strong> richtige Frequenz<br />

mit einem zum Schraubenzieher umfunktionierten<br />

Zitronenmesser einzustellen.<br />

Und gerade noch rechtzeitig fängt das Radio <strong>die</strong><br />

Story<br />

Radio Nord<br />

Von Corinna Sigmund<br />

<strong>ersten</strong> Wellen, eine zerfetzte Einmarschhymne,<br />

Opus 3, was ich gewußt habe, und das Geschrei der<br />

Leute und all der Applaus löscht Toffs Klitsche und<br />

ich bin mit Kid und wir laufen über <strong>die</strong> Mole zum<br />

Strand runter, dass der Sand stiebt und entsetzt kreisende<br />

Möwen und Kid, mit gut 20 Metern Vorsprung,<br />

breitet mitten im Endsprint <strong>die</strong> Arme aus,<br />

beschreibt einen scharfen Zirkel und ahmt das Kreischen<br />

der Möwen nach, während er sich auf mich<br />

stürzt, der ich, Zurückgebliebener, ihn einhole.<br />

Und von der Promenade brüllt Stieger mit seiner<br />

verfluchten Stoppuhr fuchtelnd auf uns, Blagen,<br />

runter, zetert, weil er <strong>die</strong> Zeit nicht nehmen konnte.<br />

Ich wusste, dass <strong>die</strong> Geschichte schlecht enden<br />

würde, als Wochen später Stieger mit Kätzchen in <strong>die</strong><br />

Kabine kam und sie Kid holten, der mir gerade auf<br />

einem Kassettenrecorder den Tap-Song vorspielte,<br />

und, ja Kid, es ist Zeit, Kätzchen wird sich in<br />

Zukunft um dich kümmern, ab morgen gehst du<br />

steil.<br />

<strong>Die</strong> Stille nach dem Verebben des Lärms im Stadion<br />

wird umso fühlbarer, als sie getragen wird vom<br />

körnigen Räuspern des Frequenzsuchers, den Josie<br />

mit millimeterkurzen Tarierbewegungen immer<br />

wieder besänftigt.<br />

Es ist nicht mehr Kätzchen, der Kid <strong>die</strong> Schultern<br />

massiert, es ist Prospero, <strong>die</strong>ses feiste Schwein, der<br />

ihm erst Recht den Rest gegeben hat.<br />

Allein lief ich weiter <strong>die</strong> Mole runter, allein trainierte<br />

mich Stieger weiter, meine Zeiten wurden<br />

besser und <strong>die</strong> Führhand, aber nicht <strong>die</strong> Möwenschreie<br />

und auch nicht der Kopf.<br />

Kätzchen war mit Kid abgehauen, und sonst nur<br />

gut verpackte Menschen auf den Straßen, also ich<br />

vom Center nach Haus, von zuhaus zum Center und<br />

zwischendurch Opus 3 und <strong>die</strong> Bücher, <strong>die</strong> Kid in<br />

seinem Spind vergessen hatte. Thomas, Miller und<br />

alles von Fjodor; zwischen den Seiten fand ich als<br />

Einmerker gebrauchte Passagen aus Woyzeck und<br />

Frühlingserwachen.<br />

Radio Nord sagt über Kid, dass er geschwächt in<br />

<strong>die</strong> zweite Runde geht, dass <strong>die</strong> Deckung nicht optimal<br />

und Cyclo beweglich, dass Kid auch zu defensiv<br />

und unkonzentriert, kurz, dass es <strong>die</strong> Ankündigung<br />

einer peinlichen Blamage, wenn nicht schlimmer...<br />

Toff, sage ich, gib mir Zwetschge.<br />

Aber selbst in <strong>die</strong>ser Vision Kids als Verlierer, <strong>die</strong><br />

später in Hochglanz in allen einschlägigen Journa-

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