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die vermeidbare katastrophe die ersten warnzeichen ... - Die Gazette

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24<br />

Analytischen Theorie der Wärme erstmals in der<br />

Geschichte den Begriff „Treibhauseffekt“ (l’effet de<br />

serre, wörtlich Glashauseffekt). Er beschrieb damit<br />

den temperaturerhaltenden Effekt der<br />

Erdatmosphäre, ohne allerdings, wie Humboldt<br />

einige Jahre später, den Menschen innerhalb <strong>die</strong>ser<br />

Atmosphäre als einen klimaverändernden Faktor zu<br />

erkennen.<br />

Humboldts Stu<strong>die</strong> zum Valencia-See<br />

erschien als Lieferung der Relation Historique<br />

(deutscher Titel: Reise in <strong>die</strong> Äquinoktialgegenden<br />

des Neuen Kontinents) im August 1819. Rasch<br />

wurden seine Erkenntnisse von anderen Forschern<br />

aufgegriffen. Sie beeindruckten, wie der deutschaustra<br />

lische Historiker Engelhard Weigl kürzlich in<br />

einer bemerkenswerten Rezeptionsstu<strong>die</strong> zu <strong>die</strong>sem<br />

Text nachwies, zunächst vor allem den jungen<br />

französischen Wissenschaftler Jean-Baptiste<br />

Boussingault. Sofort nahm er mit Humboldt<br />

Kontakt auf und reiste bald darauf, im Jahr 1821,<br />

auf dessen Empfehlung, als Bergbauingenieur nach<br />

Südamerika.<br />

Während ausgedehnter Forschungsreisen<br />

untersuchte Boussingault auch den See von<br />

Valencia. Wie Humboldt, scheiterte auch er beim<br />

Versuch, den Chimborazo zu besteigen. 1832<br />

kehrte er nach Frankreich zurück. 1837 publizierte<br />

er den vielbeachteten Aufsatz „Über den Einfluss<br />

der Urbarmachung auf <strong>die</strong> Ergiebigkeit der<br />

Quellen“: Darin heißt es: „<strong>Die</strong> Frage, ob der Acker -<br />

bau das Klima einer Gegend modificiren könne, ist<br />

sehr wichtig, und gegenwärtig häufig zur Sprache<br />

gebracht worden”. Was Humboldt als These<br />

formuliert hatte, konnte Boussingault nun<br />

beweisen: „Für mich steht fest, dass das Ausroden<br />

der Wälder in großem Um fange <strong>die</strong> jährliche<br />

Regenmenge <strong>die</strong>ser Gegend verringert.” Als Beleg<br />

nennt er zunächst Humboldts Stu<strong>die</strong> zum Lago de<br />

Valencia, aber er erweitert dessen Erkenntnisse<br />

durch dortige eigene Beobachtungen und<br />

Untersuchungen an anderen Seen in Südamerika.<br />

Seine Argumentation ergänzt er durch Was ser -<br />

stands messungen der Seen von Neuchâtel, Bienne<br />

und Morat, <strong>die</strong> Horace-Bénédict de Saussure<br />

vorgenommen hat, und durch Humboldts<br />

Beobachtungen im Aralo-Kaspischen Becken.<br />

Am Valencia-See allerdings war mittlerweile, wie<br />

Boussingault beobachtete, infolge der Unabhängig -<br />

keitskriege <strong>die</strong> Landwirtschaft zum Erliegen<br />

gekommen und der Wasserspiegel wieder deutlich<br />

angestiegen: „<strong>Die</strong> großen Anpflanzun gen“, schreibt<br />

er, „wurden verlassen, und der unter den Tropen so<br />

unaufhaltsam vordringende Wald hatte in kürzester<br />

Zeit einen großen Teil des Landes (...) wieder an<br />

sich gerissen.” Daraus schloss er, dass sich <strong>die</strong><br />

Nieder schlagsmenge einer regenarmen Region mit<br />

Hilfe von Wieder aufforstung beeinflussen lasse.<br />

Kurz darauf griffen der deutsche Agrarwissen -<br />

Thema<br />

schaftler und Botaniker Karl Fraas und der USamerikanische<br />

Staatsmann und Schrift steller<br />

George Perkins Marsh <strong>die</strong> Thesen von Humboldt<br />

und Boussingault auf: Ihre Stu<strong>die</strong>n im Mittel -<br />

meerraum führten zur Erkenntnis, dass durch <strong>die</strong><br />

Ausbreitung der Zivilisation von Persien, Meso -<br />

potamien, Palästina, Ägypten, Griechenland bis<br />

Italien ein landschaftszerstörerisches Potenzial<br />

entfaltet worden war. Sie stellten fest, dass <strong>die</strong><br />

„Entholzung” des Landes zu Bodenerosion, Anstieg<br />

der bodennahen Wärme und zu Verringerung der<br />

Niederschläge geführt hatte. Folge war eine<br />

zunehmende Desertifikation. Der wachsende<br />

Bedarf an landwirtschaftlich nutzbarem Boden<br />

gefährde, so warnte Fraas, <strong>die</strong> Zukunft Europas.<br />

<strong>Die</strong> Arbeiten <strong>die</strong>ser beiden Forscher, schreibt<br />

Engelhard Weigl, „signalisierten einen Wende -<br />

punkt in der Wahrnehmung des Kräfteverhältnisses<br />

zwischen Mensch und Natur.“ Zum <strong>ersten</strong>mal<br />

wurde man sich bewusst, dass nicht mehr der<br />

Mensch der Natur, sondern <strong>die</strong> Natur dem<br />

Menschen ausgeliefert war. Nachrichten von<br />

Dürre<strong>katastrophe</strong>n in Südafrika, In<strong>die</strong>n, Ägypten<br />

und Australien bestätigten <strong>die</strong> Warnungen von<br />

Fraas und Marsh. In Südaustralien initiierte, fünf<br />

Jahre nach der fürchterlichen Dürre von 1865, der<br />

Direktor des Botanischen Gartens von Adelaide,<br />

Richard Schomburgk, ein Freund Alexander von<br />

Humboldts, ein groß angelegtes Wiederauffors -<br />

tungs programm.<br />

Auch in den USA bezog man sich bei der<br />

Besiedlung und dem Versuch der Bewaldung der<br />

Great Plains auf Humboldt und Boussingault. So<br />

schrieb ein Regierungsbeauftragter 1849:<br />

„Das übermäßige Abholzen in einigen Teilen des<br />

Landes hat bis zu einem gewissen Grad zu einem<br />

Klimawandel und in großen Gebieten auch zu einer<br />

Änderung der Dürre- und Regenperioden geführt.<br />

Im Sommer, wenn dringend gelegentliche und<br />

leichte Regengüsse benötigt werden, ist <strong>die</strong> Luft zu<br />

trocken und enthält wochenlang nicht mehr als ein<br />

wenig Tau. In Bezug auf ausführliche und gut<br />

belegte Stu<strong>die</strong>n zur Waldrodung, zum Austrocknen<br />

von natürlichen Quellen, zum Klimawandel und<br />

zur Regelmäßigkeit von Niederschlägen werden<br />

dem Leser <strong>die</strong> Schriften von Humboldt, Kaemtz,<br />

Forbes, Boussingault und anderen Meteorologen<br />

empfohlen.“<br />

Auf Initiative des Journalisten Julius Sterling<br />

Morton wurde im Jahr 1872 in Nebraska der<br />

„Arbor Day“ verkündet. Morton hatte seit 1854 im<br />

baumarmen Nebraska eine kleine Farm bewirt -<br />

schaftet, wo er, vor allem als Erosionsschutz, Büsche<br />

und Bäume pflanzte. Anfang 1872 fasste er seine<br />

Erkenntnisse in seiner „Arbor Day-Resolution“<br />

zusammen. Noch im selben Jahr, am 10. April,<br />

setzten erstmals Bürger und Farmer in Nebraska<br />

mehr als eine Million junge Bäume. <strong>Die</strong> Idee wurde

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