die vermeidbare katastrophe die ersten warnzeichen ... - Die Gazette
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Klimawandel<br />
gemacht wird, desto baumloser wird es in der<br />
heißen Zone, desto dürrer, desto mehr den Winden<br />
ausgesetzt [...] deshalb gehen <strong>die</strong> Pflanzungen in der<br />
Provinz Caracas ein und häufen sich dafür<br />
westwärts auf unberührtem, erst kürzlich urbar<br />
gemachtem Boden.“<br />
<strong>Die</strong> besorgten Anwohner des im Nordwesten von<br />
Venezuela gelegenen Sees von Valencia wiesen den<br />
Forscher darauf hin, dass dessen Wasserspiegel in<br />
den letzten Jahren merklich abgesunken war.<br />
Humboldt notierte dazu in sein Tagebuch: „[D]ie<br />
Flüsse selbst sind jetzt wasserärmer. <strong>Die</strong> umliegen -<br />
den Gebirge sind abgeholzt. Das Gebüsch (monte)<br />
fehlt, um <strong>die</strong> Wasserdünste anzuziehen und den<br />
Boden, der sich mit Wasser getränkt, vor schneller<br />
Verdam pfung zu schützen. Wie <strong>die</strong> Sonne überall<br />
frei Verdampfung erregt, können sich nicht Quellen<br />
bilden. Unbegreiflich, daß man im heißen, im<br />
Winter wasserarmen Amerika so wüthig als in<br />
Franken abholzt (desmonta) und Holz- und<br />
Wassermangel zugleich erregt.”<br />
„Wälder (Pflanzen)„, stellt er fest, „bringen nicht<br />
nur Wasser hervor, geben eine große, neuerzeugte<br />
Wassermasse durch ihre Ausdünstung in <strong>die</strong> Luft,<br />
sie schlagen nicht nur, da sie Kälte erregen (indem<br />
sie der Atmosphäre Wärmestoff entziehen, den sie<br />
mit Sauerstoff verbunden, zurückgeben [...])<br />
Wasser aus der Luft nieder und vermehren den<br />
Nebel, sondern sie werden vornehmlich wohltätig<br />
dadurch, dass sie schattengebend <strong>die</strong> Verdünstung<br />
der durch periodische Regenschauer gefallenen<br />
Wassermasse verhindern. <strong>Die</strong> Verdünstung ist hier,<br />
wo <strong>die</strong> Sonne hoch steht, unbegreiflich schnell.“<br />
Vier elementare klimatische Funktionen des<br />
Waldes sind es, <strong>die</strong> Humboldt erkennt und<br />
analysiert:<br />
1. seine positive Wirkung auf <strong>die</strong><br />
Niederschlagsmenge durch Verdunstung von<br />
Wasser<br />
2. seine thermische Wirkung<br />
3. seine Funktion als Wasserspeicher und<br />
4. seine Pufferwirkung gegen durch<br />
Sonneneinstrahlung verursachte<br />
Bodenverdunstung, also Austrocknung des Bodens.<br />
Moderne Forschungen, z. B. <strong>die</strong>jenigen Peter<br />
Fabians, bestätigen <strong>die</strong>se Erkenntnisse. So weiß<br />
man heu te beispielsweise, dass <strong>die</strong> Wälder <strong>die</strong><br />
Atmosphäre mit mehr Wasserdampf anreichern als<br />
alle an deren Landflächen.<br />
Humboldt beließ es allerdings nicht bei <strong>die</strong>ser<br />
Analyse, sondern er warnte einige Jahre später in der<br />
publizierten Version <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong>: in seiner<br />
Publikation: „Zerstört man <strong>die</strong> Wälder, wie <strong>die</strong><br />
europäischen Ansiedler aller Orten in Amerika mit<br />
unvorsichtiger Hast tun, so versiegen <strong>die</strong> Quellen<br />
oder nehmen doch stark ab. <strong>Die</strong> Flussbetten liegen<br />
einen Teil des Jahres über trocken und werden zu<br />
reißenden Strömen, sooft im Gebirge starker Regen<br />
fällt. Da mit dem Holzwuchs auch Rasen und Moos<br />
auf den Bergkuppen verschwinden, wird das<br />
Regenwasser in seinem Lauf nicht mehr auf -<br />
gehalten; statt langsam durch allmähliches<br />
Einsickern <strong>die</strong> Bäche zu speisen, zerfurcht es in der<br />
Jahreszeit der starken Regenniederschläge <strong>die</strong> Berg -<br />
hänge, schwemmt das losgerissene Erdreich fort<br />
und verursacht plötzliche Hochwässer, welche <strong>die</strong><br />
Felder verwüsten. Daraus geht hervor, dass <strong>die</strong> Zer -<br />
störung der Wälder, der Mangel an fortwährend<br />
flie ßenden Quellen und <strong>die</strong> Existenz von Torrenten<br />
[Sturzbäche] drei Erscheinungen sind, <strong>die</strong> in ur -<br />
säch lichem Zusammenhang stehen.”<br />
Als Folge des menschlichen Eingriffs in <strong>die</strong><br />
Landschaft nennt Humboldt in <strong>die</strong>sem Zu -<br />
sammen hang <strong>die</strong> Bodenerosion. Vor allem<br />
aber warnt er auch vor weiteren, gravierenden<br />
Auswirkungen auf spätere Generationen: „Fällt<br />
man <strong>die</strong> Bäume, welche Gipfel und Abhänge der<br />
Gebirge bedecken, so schafft man in allen Klima -<br />
zonen kommenden Geschlechtern ein zwiefaches<br />
Ungemach: Mangel an Brennholz und Wasser.“<br />
<strong>Die</strong>se Analyse, und vor allem deren damit ver -<br />
bundene Warnung, entfaltete rasch eine enorme<br />
Wirkung.<br />
Mit seinen Erkenntnissen zur<br />
Bedeutung des Waldes für den Wasserhaushalt, den<br />
Boden und das Klima stand Alexander von<br />
Humboldt nicht allein. Erste Gedanken dazu sind<br />
bereits von Theophrastos (372-288 v. Chr.), einem<br />
Schüler von Aristoteles, überliefert. Christoph<br />
Kolumbus war es, der während seiner vierten<br />
Amerika-Reise (9. Mai 1502 bis 7. November 1504)<br />
eine erstaunlich scharf sinnige Beobachtung machte.<br />
Überliefert wurde sie von dessen Sohn Fernando,<br />
und Humboldt war von ihr so beeindruckt, dass er<br />
sie in seinem Werk Central-Asien zitiert: „Der<br />
Admiral [Christoph Kolumbus] glaubte, der<br />
Ausdehnung und Dichtigkeit der Wälder auf den<br />
Gebirgen Jamaikas <strong>die</strong> Regen zuschreiben zu<br />
müssen, welche <strong>die</strong> Luft solange erfrischte, als er an<br />
den Küsten <strong>die</strong>ser Insel hinsegelte. Er bemerkt [...],<br />
dass ehemals auch auf den Canaren, auf Madeira und<br />
den Azoren <strong>die</strong> Wasserfülle so gross gewesen sei; aber<br />
dass seit der Zeit, wo man <strong>die</strong> Schatten gebenden<br />
Bäume abgehauen habe, <strong>die</strong> Regen daselbst viel<br />
weniger häufig geworden seien.“<br />
Bereits wenige Jahre vor Humboldts ameri ka ni -<br />
scher Reise, im Jahr 1797, führte der französische In -<br />
genieur Fabre <strong>die</strong> plötzlichen Fluten in den Alpen<br />
nach starken Regenfällen und das Versiegen von<br />
Quel len, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Flüsse speisen, auf <strong>die</strong> Rodungen<br />
und Entwaldungen der Hochalpen zurück. Auch<br />
der bedeutende Schweizer Forscher Horace-<br />
Bénédict de Saussure, dessen Arbeiten Humboldt<br />
kannte, be schrieb <strong>die</strong>ses Phänomen. Im Jahr 1827<br />
verwendete der französische Mathema tiker und<br />
Physiker Jean Baptiste Joseph Fourier in seiner<br />
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