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die vermeidbare katastrophe die ersten warnzeichen ... - Die Gazette

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Editorial<br />

Es wird schöngeredet. Selbst „Katastrophe“ ist ei ne<br />

Beschönigung. Der Klimawandel ist kei ne Katastrophe.<br />

Ein<br />

Tsunami ist eine Katastrophe: Man geht (wenn man<br />

noch kann) in <strong>die</strong> Berge, da nach kehrt man zurück,<br />

<strong>die</strong> Überlebenden begraben <strong>die</strong> Toten, bauen <strong>die</strong><br />

Häuser wieder auf, und das Leben geht weiter wie<br />

zuvor. <strong>Die</strong> Erderwärmung je doch bleibt, unumkehrbar.<br />

Sie wird ein anderes Leben erzwingen.<br />

Aber <strong>die</strong>se Wahrheit wagt kaum jemand auszusprechen.<br />

Im April des Jahres, im publizistischen Lärm<br />

um das Klima, forderte zwar eine große Boulevard-<br />

Zeitung <strong>die</strong> Re duktion des CO 2 -Ausstoßes um 80<br />

Prozent (bis 2050, so Andreas Troge vom Bundes-<br />

Umweltamt), und andere Blätter schlugen Alarm,<br />

wir hätten „nur noch 12 Jah re Zeit“. Kon kreter wurden<br />

<strong>die</strong>se Forderungen nicht und <strong>die</strong> prak tischen<br />

Folgen für unsern Alltag erst recht nicht.<br />

Nur verschämt, nur leise, und nur ein einziges Mal<br />

redete Angela Merkel davon, dass auch „ein Weniger“<br />

denkbar sei; im UN-Weltklimareport (siehe Re -<br />

zension Seite 95 in <strong>die</strong>ser Ausgabe) lesen wir wenigstens<br />

metaphorisch vom „Virus der Maßlosigkeit“,<br />

der „zum Tode führen kann“; Der 4. Sachstandsbericht<br />

des IPCC, dessen Ergebnisse gerade in Valencia<br />

zusammengefasst wurden, spricht schon mal von<br />

(nicht näher ausgeführten) „Verbraucher vor lieben“,<br />

<strong>die</strong> „den Möglichkeiten zur Emis si ons min derung<br />

entgegenstehen“; und an an derer Stelle kaum deutlicher<br />

von „Änderungen im Le bens stil“, <strong>die</strong> „zur Minderung<br />

des Klimawandels bei tra gen können“.<br />

Wer da genau hinhört, spürt, um welche unangenehme<br />

Wahrheit hier herumgeredet wird: um <strong>die</strong><br />

Erkenntnis nämlich, dass unser Le bens stan dard<br />

nicht zu halten sein wird, auf den ganzen Planeten<br />

hin gesehen schon aus Gerechtigkeitsgründen nicht.<br />

<strong>Die</strong>s aber ohne falsche Rücksicht aus zu sprechen<br />

bleibt derzeit denen vorbehalten, <strong>die</strong> im mer schon<br />

als notorische Nörgler denunziert werden konnten,<br />

Klaus Michael Meyer-Abich zum Beispiel, der sich<br />

wünscht, wir sollten uns „in einer politischen<br />

Öffentlichkeit da rüber klarwerden, dass es unanständig<br />

ist, durch un sere Autofahrerei, unsere<br />

Urlaubsfliegerei, unsern viel zu hohen Wärmebedarf<br />

<strong>die</strong> Lebensgrundlagen der ärmeren Länder zu zerstören“.<br />

Dr. Bjørn Lomborg, der Kopenhagener<br />

Klimawandel-Skeptiker, würde ihm widersprechen.<br />

Er näm lich hält es für richtig, <strong>die</strong> ganze Welt ebenso<br />

reich zu ma chen wie New York, „damit <strong>die</strong> Menschen<br />

überall sich so etwas leisten können wie hö here<br />

Deiche und Air con ditio n“. Lomborg ist gerngesehener<br />

Gastredner auf hohen Symposien (so beim 6.<br />

Europe an Business Summit in Brüs sel im Februar<br />

2008 zum Thema „Greening The Econo my - New<br />

Energy for Business“), Meyer-Abich nicht.<br />

Zweifellos hat inzwischen ein weltweiter Bewusstseinswandel<br />

eingesetzt. Ihn zu befördern hat sich<br />

<strong>die</strong>se Ausgabe der GAZETTE vorgenommen, <strong>die</strong><br />

deshalb erstmals einen entsprechenden Themen-<br />

schwerpunkt enthält.<br />

Den potenziell wichtigsten Beitrag dazu hat Mi -<br />

cha el Müller geschrieben, Parlamentarischer Staatssekretär<br />

im Berliner Umweltministerium. Er nennt<br />

klar <strong>die</strong> beunruhigende Ausgangslage und <strong>die</strong> notwendigen<br />

Maßnahmen. Man kann sich nur wünschen,<br />

dass der Autor und sein Minister <strong>die</strong>se Sicht<br />

der Dinge ohne Zeitverlust (und ohne dass <strong>die</strong> In -<br />

dustrie ihnen Knüppel zwischen <strong>die</strong> Beine wirft)<br />

auch in tatsächliche Politik umsetzen.<br />

Frank Holl belegt in seinem Text, dass wir schon<br />

lange den Menschen als Verursacher des Klimawandel<br />

hätten erkennen können: spätestens seit Alexander<br />

von Humboldt den Anrainern des Valencia-Sees<br />

in Venezuela erklärte, sie seien selbst schuld am Ab -<br />

sinken des Seewasserspiegels, weil sie <strong>die</strong> umliegenden<br />

Wälder abgeholzt hätten.<br />

<strong>Die</strong>trich Krusche betrachtet <strong>die</strong> sogenannte internationale<br />

Gemeinschaft, <strong>die</strong> als Gemenge souveräner,<br />

egoistischer, ja imperialer Staaten unfähig ist,<br />

im vorliegenden Fall wirklich ge mein same Be -<br />

schlüsse zu fassen, wenn damit Ver pflichtungen drohen.<br />

Ändern wird sich darin wenig, solange Su per -<br />

mächte es aktiv darauf anlegen, <strong>die</strong> Organisation der<br />

Vereinten Nationen zu entmachten.<br />

<strong>Die</strong> drei darauffolgenden Expertenbeiträge befassen<br />

sich mit der falschen Annahme, es gäbe für jedes Problem<br />

eine einfache technische Lösung (Nico Stehr,<br />

Hans von Storch), mit den übertriebenden Hoffnungen,<br />

<strong>die</strong> sich auf das Allheilmittel Biokraftstoffe<br />

richten (Thorsten Mertz) sowie mit der Aufstellung<br />

von Modellen und Szenarien (geschrieben für all<br />

<strong>die</strong>, <strong>die</strong> gern handkehrum das Eintreten von Klima-<br />

Prognosen bezweifeln). Nur scheinbar im Widerspruch<br />

dazu steht der letzte Beitrag in <strong>die</strong>ser Reihe:<br />

eine Analyse typischer Fehler, <strong>die</strong> auch (und gerade)<br />

Wissenschaftlern in ihrer Ar beit unterlaufen.<br />

Zum Thema gehört auch <strong>die</strong> Bildstrecke über <strong>die</strong><br />

Zerstörung ganzer Landschaften auf der Su che nach<br />

billigerer Energie und eine Sammel re zen sion einiger<br />

neuerer Publikationen zum Klimawandel.<br />

Es fällt nach alldem nicht leicht, sich noch eine<br />

begründete Hoff nung auf eine menschenwürdige<br />

Zu kunft für alle Bewohner <strong>die</strong>ses Planeten zu be -<br />

wahren. Sogar <strong>die</strong> in Bali vereinbarte Fortsetzung des<br />

Kyoto-Protokolls ist für manchen kein Anlass zur<br />

Freude: Es sei „zu wenig zu spät“, schrieb <strong>die</strong> Zeitschrift<br />

Foreign Po licy (im September 2007). Und in<br />

Nature (Oktober 2007) erklärte Steve Rayner von<br />

der Universität Oxford: „Es gibt keine Anzeichen,<br />

dass irgendjemand bis 2012 seine Verpflichtung er -<br />

füllen wird“; er sehe daher nicht ein, warum man ein<br />

neues Ab kommen verabreden wolle, dessen noch<br />

ehrgeizigere Ziele ab sehbar wieder niemand erreichen<br />

wird. Hans Joachim Schellnhuber, Berater der<br />

deutschen Bundeskanzlerin, erkennt im Kyoto-Protokoll<br />

im merhin den Einstieg in völkerrechtlich verbindliche<br />

Klima-Abkommen.<br />

<strong>Die</strong> chinesische Verwünschung „Mögest du in in -<br />

teressanten Zeiten leben!“ hat uns offenbar erreicht.<br />

Fritz Glunk

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