GESCHICHTE VERSTEHEN
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Zwanzig Jahre der Tschechen und Deutschen<br />
in der demokratischen ČSR<br />
des Ersten Weltkriegs präsent, der sich an<br />
der Westfront vorwiegend gerade in<br />
Frankreich abgespielt hatte und dem Land so<br />
schwere materielle und Menschenverluste<br />
zugefügt hatte, die bisher nicht geheilt<br />
wurden. Die Öffentlichkeit schrak vor einem<br />
neuen Krieg zurück und die Politik konnte<br />
oder vermochte sie nicht davon zu<br />
überzeugen, dass sie dem Krieg durch ein<br />
Zurückweichen nicht entgehen würde.<br />
Die tschechoslowakische Regierung und<br />
vor allem Präsident Beneš selbst wandten<br />
Zum Kampf waren auch die Streitkräfte<br />
mit schwerem Kriegsgerät vorbereitet.<br />
im Verlauf des Jahres 1938 große Mühe auf,<br />
um Frankreich daran zu erinnern, dass es<br />
sich aus Mitteleuropa auch wegen eigener<br />
Interessen und Interessen der europäischen<br />
Demokratie nicht zurückziehen dürfte. Den<br />
überhaupt größten Teil ihres politischen<br />
Wirkens widmeten sie dem Bemühen, ein<br />
wahres und wirksames Interesse des<br />
Westens am Schicksal der Tschechoslowakei<br />
zu gewinnen. Dem entsprach auch ihr<br />
Verhalten gegenüber britisch-französischem<br />
Druck, der anfänglich die Bildung eines<br />
geschlossenen sudetendeutschen<br />
Territoriums im Rahmen der ČSR<br />
durchsetzen wollte. Der Druck aus London<br />
und Paris engte die internationalen<br />
politischen Möglichkeiten der<br />
107<br />
Kapitel III<br />
Tschechoslowakei noch mehr ein, die<br />
ohnehin schon kleiner wurden durch die<br />
Auflösung oder Schwächung einiger ihrer<br />
äußeren Garantien, wie zum Beispiel sichtbar<br />
wurde im Ausschluss des Völkerbundes<br />
während des italienischen Kriegs gegen<br />
Äthiopien oder bei der Aufhebung der<br />
demilitarisierten Zone entlang des Rheins,<br />
die Deutschland eventuelle militärische<br />
Operationen in Mitteleuropa erschweren<br />
sollte. In Prag wollte man glauben, dass man<br />
sich durch Beweise eines guten Willens bei<br />
der Lösung der sudetendeutschen<br />
Problematik nicht nur in den Augen des<br />
Westens aufwerten würde, sondern dass es<br />
zugleich auch offensichtlich würde, dass das<br />
sudetendeutsche Thema für das Dritte Reich<br />
nur ein Vorwand für die Begründung einer<br />
Expansion wäre. Der tschechoslowakische<br />
Staat erfüllte sicher nicht alles, was die<br />
schwerwiegende Frage der deutschen<br />
Minderheit forderte. Wegen seiner<br />
Nationalitätenstruktur rang er ohnehin mit<br />
Problemen. Dabei schuf er dank seines<br />
demokratischen Systems für die<br />
Nationalitäten genügend Raum zu ihrem<br />
Leben und zu ihrer Entwicklung. Hitler ging<br />
es jedoch gar nicht um die sudetendeutsche<br />
Frage, seine ersten Kriegspläne schweigen<br />
bezeichnenderweise dazu.<br />
In Prag hoffte man, dass dies auch die<br />
Regierungen Frankreichs und<br />
Großbritanniens begreifen. Im Verlauf des<br />
Septembers 1938 klammerte man sich in<br />
gewissen Augenblicken fieberhaft und ganz<br />
an diese Hoffnung. Die tschechischen<br />
Politiker wagten es dabei nicht, den Westen,<br />
vor allem das verbündete Frankreich, durch<br />
eigene Entscheidungen einer Situation<br />
auszusetzen, die Frankreichs Politik des<br />
Appeasements problematisch gemacht oder<br />
sie sogar beendet hätte. Sie erwarteten, dies<br />
hätte eher der Westen selbst tun können,<br />
wenn er sich endlich vom wahren Wesen<br />
der deutsch-tschechoslowakischen<br />
Spannungen überzeugt hätte. Andererseits<br />
fürchteten sie aber umgekehrt, den Westen<br />
zu dieser radikaler Änderung durch nichts<br />
bewegen zu können, nicht einmal mit<br />
bewaffnetem Widerstand gegenüber<br />
Deutschland. Die letztere Lösung entsprach<br />
jedoch den Vorstellungen der höchsten<br />
tschechoslowakischen Kommandanten: die<br />
mobilisierten Streitkräfte hätten nach ihrer<br />
Meinung Deutschland ziemlich lange<br />
Widerstand leisten und so die Verbündeten<br />
zur Hilfe bewegen zu können. Eine