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Kapitel III<br />

waren jedoch mit den<br />

nationalsozialistischen Ideen nicht völlig<br />

identisch und erschienen deshalb den<br />

Nationalsozialisten nicht akzeptabel. Das<br />

Reichssicherheitshauptamt (RSHA)<br />

erarbeitete 1935 sogar eine sich stark<br />

entrüstende Studie über das Thema<br />

potentieller Gefahren, die vom „Spannschen<br />

Kreis“ der nationalsozialistischen Bewegung<br />

drohen sollten.<br />

Zu Spanns Gedanken bekannten sich in<br />

der ČSR Vertreter einer der<br />

einflussreichsten sudetendeutschen<br />

Organisationen, des Kameradschaftsbundes.<br />

Seine Führungskräfte nahmen auch die<br />

meisten Plätze in der Führung der neu<br />

gegründeten Sudetendeutschen<br />

Heimatfront (1933) ein. Deren politische<br />

Führer bemühten sich Spanns<br />

Grundprinzipien auch in ihren Vorschlägen<br />

zur Lösung des deutsch-tschechischen<br />

Problems durchzusetzen, die als<br />

Gesetzesvorlagen der sog.<br />

„Volksschutzgesetze“ vom April 1936 bekannt<br />

sind. Ihre Annahme hätte eine Änderung<br />

der Verfassung der ČSR, die Verleugnung<br />

demokratischer Prinzipien in den deutsch<br />

besiedelten Teilen der Republik und die<br />

Einführung totalitärer Elemente,<br />

einschließlich des Führerprinzips und der<br />

Rassenideologie, bedeutet. Die Absicht der<br />

Vorlagen war, ein solches Maß an<br />

Autonomie zu erreichen, welches zuletzt<br />

wegen den sich von den übrigen Teilen des<br />

Staates völlig unterscheidenden politischen<br />

Prinzipien einen Anschluss an das Deutsche<br />

Reich erzwingen würde. Mit anderen<br />

Worten: es ging um einen Angriff auf die<br />

Staatsordnung, auf ihre Demokraten und<br />

auf die Integrität des Staatsterritoriums.<br />

Deshalb waren diese Forderungen<br />

überhaupt nicht akzeptabel, und es ist nicht<br />

verwunderlich, dass sie von den Tschechen<br />

praktisch mit den nationalsozialistischen<br />

Vorstellungen gleichgesetzt wurden. Die<br />

Forderungen waren allerdings auch für die<br />

deutsche nationalsozialistische Führung<br />

unakzeptabel. Sie stellten nämlich ein<br />

politisches Konkurrenzprogramm dar,<br />

dessen Gefahr in der gedanklichen<br />

Parallelität mit den nationalsozialistischen<br />

Ideen bestand. Übrigens ist es sicher kein<br />

Zufall, dass Nationalsozialisten als<br />

Anhänger der sog. „völkischen<br />

Richtung“und Vertreter des Spann-Flügels<br />

1948 im Witikobund zusammenkamen, der<br />

radikalsten Gruppierung der<br />

Zwanzig Jahre der Tschechen und Deutschen<br />

in der demokratischen ČSR<br />

96<br />

Sudetendeutschen in Deutschland.<br />

Anhänger und Wegbereiter von Spanns<br />

Ideen war zunächst auch der Vorsitzende<br />

der SdP Konrad Henlein. Die<br />

Mitgliederbasis dieser Partei war dagegen<br />

bereits stark durch den Nationalsozialismus<br />

infiltriert. Zum idelogischen Streit zwischen<br />

den Nationalsozialisten und den Spann-<br />

Vertretern kam es jedoch vor den Wahlen<br />

aus taktischen Gründen nicht. Der Konflikt<br />

brach erst nach den Wahlen aus. Diese<br />

bedeuteten zwar für die SdP einen<br />

Riesenerfolg, Henlein persönlich brachten<br />

sie jedoch auch eine Enttäuschung: die SdP<br />

wurde nicht in die Regierungskoalition<br />

eingeladen.<br />

Das Übergewicht des<br />

Nationalsozialismus führte bald auch dazu,<br />

dass die SdP Spanns Gedanken fallen ließ<br />

und seine Anhäger aus der<br />

sudetendeutschen Führung entfernt wurden<br />

bzw. sich dem Nationalsozialismus mit<br />

Henlein an der Spitze anschlossen und sich<br />

zuletzt sogar schriftlich bei Hitler für ihre<br />

Spannschen Konzepte entschuldigten. Wie<br />

K. Henlein dem Führer in einem Brief vom<br />

Ende November 1937 mitteilte, handelte es<br />

sich um ein durch die demokratischen<br />

Verhältnisse der ČSR erzwungenes<br />

„taktisches Manöver“. Tatsächlich hätten<br />

jedoch die Sudetendeutschen den<br />

Nationalsozialismus als ihr eigenes<br />

Programm angenommen, behauptete<br />

Henlein weiter. Bereits in diesem Brief<br />

erscheint ausdrücklich der Gedanke, die<br />

Tschechoslowakei zu zerschlagen und die<br />

Sudetenländer, ja das gesamte Böhmen und<br />

Mähren an das Reich anzuschließen.<br />

Seit der Zuspitzung des Konflikts in der<br />

Mitte der dreißiger Jahre ging die<br />

Einstellung der tschechischen politischen<br />

Szene zum sudetendeutschen Problem von<br />

zwei verständlichen Prinzipien aus: Jede<br />

Lösung dieses Problems muss die<br />

fundamentalen Grundsätze des<br />

tschechoslowakischen demokratischen<br />

politischen Systems respektieren und die<br />

staatliche Integrität der Republik darf nicht<br />

verletzt werden. Das Problem lag darin, dass<br />

die Entwürfe der sudetendeutschen<br />

politischen Repräsentation – seien es<br />

Spann-Anhänger oder Nationalsozialisten<br />

– diese beiden Prinzipien<br />

unmissverständlich angriffen. Die<br />

tschechische politische Repräsentation war<br />

allerdings auf eine Lösung des immer<br />

bedrohlichere Ausmaße annehmenden

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