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Kapitel VII<br />

Okkupanten, Verräter und ihre Helfer war, der<br />

auch in dieser Zeit vorwiegend von<br />

revolutionären Kräften durchgeführt werden<br />

musste und auch durchgeführt wurde“. Der<br />

Ausschuss betonte zugleich, dass er „ganz<br />

und gar nicht beabsichtigte, diejenigen<br />

Straftaten für rechtmäßig und damit straflos zu<br />

erklären, die in dieser Zeit aus niederen und<br />

ehrlosen Beweggründen begangen<br />

worden waren“.<br />

Ein wichtiger Gesichtspunkt bei der<br />

Beurteilung der Rechtmäßigkeit solcher<br />

Handlungen sollten Beweggründe und<br />

Umstände sein, unter denen gehandelt<br />

worden war. Der Berichterstatter über das<br />

Gesetz, der Abgeordnete John, führte<br />

am 8. Mai 1946 in der 51. Sitzung der<br />

Provisorischen Nationalversammlung an,<br />

dass die Bestimmungen sich auf diejenigen<br />

Personen beziehen sollen, „die sich hart und<br />

kompromisslos dem offenen Kampf gegen die<br />

Okkupanten stellten und aus diesem Grund<br />

Handlungen ausübten, welche nach den<br />

rezipierten Normen der alten Rechtsordnung<br />

und bei ihrer strikten Auslegung als<br />

rechtswidrig und somit strafbar gelten könnten<br />

und vielleicht auch müssten. Und trotzdem<br />

verübten eben diese Personen unter Einsatz<br />

ihres Lebens und das ihrer Familien nach dem<br />

allgemeinen Rechtsempfinden unseres Volkes<br />

jene Handlungen gegen die feindliche Macht,<br />

die – wäre es nicht zu den tragischen<br />

Ereignissen der Jahre 1938 und 1939<br />

gekommen – von der tschechoslowakischen<br />

Streitmacht und allen übrigen Kräften unserer<br />

Republik hätten geleistet werden müssen. Diese<br />

Personen kämpften also aus eigenem Antrieb<br />

gegen die Okkupanten und ihre Helfer, was<br />

sonst die Pflicht des gesamten Staates gewesen<br />

war“. Der Berichterstatter lehnte eine zu<br />

breite Auslegung des Gesetzes ab, denn dies<br />

hätte die Straflosigkeit auch für jene<br />

Handlungen bedeutet, die dem Zweck des<br />

Gesetzes nicht entsprachen, und führte an:<br />

„Es ist unsere klare Absicht, in keiner Weise die<br />

Personen in Schutz nehmen zu wollen, die ihre<br />

Taten in der gegebenen Zeit aus niederen und<br />

ehrlosen Beweggründen verübten und diese mit<br />

dem Kampf gegen die Okkupanten, Verräter<br />

und ihre Helfer verknüpfen möchten“.Er<br />

verwies auch auf die große Verantwortung<br />

der Staatsanwälte und Gerichte bei der<br />

Anwendung dieses Gesetzes.<br />

In der Diskussion führten Abgeordnete<br />

Die Zwangsaussiedlung und ihre rechtlichen<br />

Aspekte<br />

266<br />

vor allem Beispiele aus der Slowakei an, die<br />

so eine Anwendung des Gesetzes verlangten<br />

und die mit der gewaltsamen<br />

Unterdrückung des Slowakischen<br />

Nationalaufstandes zusammenhingen.<br />

Insbesondere die Tätigkeit der slowakischen<br />

Gerichte im Zusammenhang mit dem<br />

Befreiungskampf wurde auch von<br />

tschechischen Abgeordneten kritisiert. Einer<br />

von ihnen erwähnte das Beispiel eines<br />

tschechischen Teilnehmers am Slowakischen<br />

Nationalaufstand und folgerte: „Die Gerichte<br />

übergingen völlig die Tatsache, dass es in dem<br />

revolutionären Kampf, der der Befreiung der<br />

Nation und Sicherung ihrer Zukunft diente, zu<br />

Taten kommen konnte und auch kam, die zwar<br />

niemand beabsichtigte und nicht vermutete, zu<br />

denen es jedoch durch das unglückliche<br />

Zusammentreffen von Umständen kam. Es war<br />

doch verdienstvoll und notwendig und ein<br />

Gebot der nationalen Ehre, beispielsweise die<br />

Partisanenbewegung zu organisieren. Diese<br />

Bewegung musste allerdings leben. Es gab<br />

Tausende, die bereit waren, den Partisanen alles<br />

zu geben. Es gab allerdings auch Einzelne, die<br />

der alten Rechtsordnung treu blieben, oft den<br />

Deutschen dienten und es ablehnten zu helfen.<br />

Es ist völlig verständlich, dass man sie nach dem<br />

Revolutionsgesetz verurteilte. Und trotzdem<br />

wurden einige solcher Taten ausgegraben, und<br />

verdiente Kämpfer für die nationale Befreiung<br />

büßen nun schwer.“<br />

Auf die Bedeutung der Beweggründe und<br />

Umstände im Gesetz machten auch die<br />

Rechtstheoretiker und die Judikatur<br />

aufmerksam. In einem der veröffentlichten<br />

Aufsätze erläuterte man das Gesetz so, dass<br />

man neben den im § 2 des Strafgesetzes<br />

enthaltenen Gründen (Irrtum, Verteidigung,<br />

Not) einen neuen Fall zum Ausschluß der<br />

Rechtswidrigkeit einführte. Die Gültigkeit<br />

des Gesetzes war zeitlich begrenzt. Das<br />

Kriterium der Strafbarkeit (Straflosigkeit)<br />

war die Intention. Das Gesetz gab<br />

namentlich zwei Beweggründe an: den<br />

Kampf für die Befreiung der Republik und<br />

die gerechte Vergeltung. Darunter verstand<br />

man nicht die Handlungen, zu denen es im<br />

Kampf zwischen den regulären Truppen<br />

gekommen war. Diese Taten waren auch<br />

vorher straflos, und zwar deshalb, weil sie im<br />

Rahmen einer vom Gesetz ordentlich<br />

auferlegten Pflicht (der Wehrpflicht)<br />

ausgeübt wurden. Das Gesetz betraf Taten

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