GESCHICHTE VERSTEHEN
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Kapitel IV<br />
Exilregierung mit E. Beneš an der Spitze<br />
an, wenn auch vorläufig nur als eine<br />
provisorische Regierung und ohne dass die<br />
Anerkennung der Grenzen vor dem<br />
Münchener Abkommen mit diesem Akt<br />
verbunden gewesen wäre.<br />
Der durch diese Anerkennung jedoch<br />
unterstützte Beneš, nunmehr in der Position<br />
des Präsidenten der Exilregierung, begann<br />
seine Vorstellungen über die<br />
Tschechoslowakei in der Zeit nach dem<br />
Kriege zu präzisieren, wobei die Frage der<br />
Grenzführung und der Sudetendeutschen<br />
eine vorrangige Stelle einnahm. Dabei<br />
kollidierte er mit Ansichten des<br />
Widerstandes in der Heimat, die sich<br />
inzwischen weiter in die antideutsche<br />
Richtung entwickelten. Es wäre jedoch nicht<br />
richtig, verschweigen zu wollen, dass es in<br />
der heimatlichen Widerstandsbewegung<br />
auch entgegengesetzte Meinungen gab.<br />
Neben den bereits erwähnten gemäßigten<br />
konservativen oder kollaborativen<br />
Standpunkten, die allerdings durch die<br />
nationalsozialistische Politik immer mehr an<br />
den Rand der tschechischen Gesellschaft<br />
gedrängt oder auch dezimiert wurden<br />
(einerseits das Aufdrängen der Pflicht,<br />
kompromittierende prodeutsche Haltungen<br />
einzunehmen, andererseits Verhaftungen),<br />
ging es um Standpunkte von einigen<br />
Widerstandsgruppen. Es waren der sog.<br />
Informační služba národního odboje<br />
(Informationsdienst des nationalen<br />
Widerstandes), die Zeitschrift Český kurýr<br />
(Tschechischer Kurier) und die<br />
Kommunisten. Alle diese Gruppen betonten<br />
den antifaschistischen Charakter des<br />
Widerstandes und warnten davor, dem<br />
Antideutschtum zu verfallen. Die KSČ<br />
unterlag allerdings (nicht von Anfang an, als<br />
sie sich noch protschechoslowakisch<br />
ausgesprochen hatte) nach dem Abschluss<br />
des deutsch-sowjetischen<br />
Nichtangriffspaktes den Richtilinien der<br />
Komintern, die die Losung von der<br />
Wiederherstellung der Tschechoslowakei für<br />
ein Manöver des Imperialismus gehalten<br />
hatten, was dann im Frühjahr 1941 wieder<br />
korrigiert wurde.<br />
Andererseits ist es eine Tatsache, dass der<br />
einheimische tschechische Widerstand als<br />
Ganzes sich infolge der antitschechischen<br />
Eingriffe der Okkupanten national<br />
radikalisierte. Dies äußerte sich schon in<br />
dem bereits erwähnten Übergang von einer<br />
antifaschistischen zu einer antideutschen<br />
Die Zerschlagung der ČSR, das Protektorat und die<br />
Genese der Aussiedlung<br />
174<br />
Orientierung und in diesem<br />
Zusammenhang auch in der Radikalisierung<br />
der Meinungen über die Aussiedlung der<br />
Sudetendeutschen nach dem Krieg. Diese<br />
Radikalisierung war allerdings eine<br />
allgemeine Tendenz im okkupierten Europa<br />
sowie in Großbritannien und in den USA.<br />
Sie sollte sich noch weiter verschärfen, und<br />
zwar im Zusammenhang mit der<br />
Notwendigkeit, eine feste Front gegen die<br />
Folgen der deutschen Kriegssiege<br />
aufzubauen, sowie als Antwort auf die<br />
Bombardierung Englands und die<br />
Brutalitäten der Okkupanten, die sich in der<br />
Euphorie über deutsche Siege<br />
noch steigerten.<br />
Im tschechischen Fall ist bemerkenswert,<br />
dass die Niederlage Frankreichs – wie wohl<br />
sie in der Öffentlichkeit Enttäuschung,<br />
sogar Hoffnungslosigkeit und eine<br />
Schwächung des Widerstandes hervorrief –<br />
nicht das Zusammenbrechen des<br />
Widerstandswillens zur Folge hatte. Die<br />
Standpunkte derjenigen, die im Widerstand<br />
verblieben, wurden im Gegenteil noch<br />
härter und radikaler antideutsch, sie wurden<br />
allerdings auch in sozialer Hinsicht<br />
radikaler. Dies kam auch in der<br />
Formulierung des Nationalprogramms „Za<br />
svobodu! Do nové ČSR“ (Für die Freiheit! In<br />
die neue ČSR) zum Ausdruck, das von der<br />
kompletten Führung des den nicht<br />
kommunistischen Widerstand vereinenden<br />
Ústřední vedení odboje domácího (ÚVOD –