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Kapitel IV<br />

Ganzes (einschließlich des Protektorats) der<br />

neuen Heeresgruppe „Mitte“ unterstellt<br />

wurden, zu deren Oberbefehlshaber<br />

Generaloberst Ferdinand Schörner ernannt<br />

wurde. „Der Krieg eilt seiner letzten<br />

Entscheidung entgegen“, schrieb Konrad<br />

Henlein am 2. Februar 1945 offen in der<br />

zentralen Gau-Tageszeitung Die Zeit. Man<br />

beschleunigte die Ausbildung der<br />

Volkssturmangehörigen. Genauso dringlich<br />

trat die Aufgabe in den Vordergrund, tief<br />

gegliederte Abwehrstellungen im Reichsgau<br />

Sudetenland aufzubauen.<br />

Dass das Sudetengebiet von den<br />

Kriegsoperationen nicht verschont bleibe,<br />

bewiesen der Bevölkerung des Reichsgaues<br />

die immer häufigeren Luftangriffe der<br />

Alliierten. Zunächst waren ihr Ziel<br />

Industriezentren, später auch einzelne,<br />

bedeutende Städte. Vor allem handelte es<br />

sich um Ústí nad Labem (Aussig), Karlovy<br />

Vary (Karlsbad) und Cheb (Eger).<br />

Eine andere Lage herrschte im Gebiet<br />

des sog. „Ostsudetenlandes“, dem sich die<br />

Rote Armee von den nördlichen polnischen<br />

Gebieten und vom Osten her aus der<br />

Slowakei näherte. Deshalb begann man<br />

schon ab September 1944 schrittweise<br />

Maßnahmen zu verwirklichen, die mit dem<br />

ARLZ-Plan (Auflockerung, Räumung,<br />

Lähmung, Zerstörung) zusammenhingen.<br />

Seit Herbst 1944 bis praktisch zum<br />

Kriegsende zogen durch das Gebiet des<br />

Protektorats sowie des Reichsgaues<br />

Sudetenland lange Kolonnen deutscher<br />

Flüchtlinge, der sog. „Volksgäste“, aus<br />

Ostpreußen, Pommern, Rumänien,<br />

Jugoslawien, Ungarn, aus der Slowakei und<br />

den ausgebombten Gebieten Deutschlands<br />

Ein anderes untrügliches Zeichen des<br />

nahenden Kriegsendes waren für die<br />

deutsche wie für die tschechische<br />

Bevölkerung des Sudetengaues die Märsche<br />

der KZ-Häftlinge und Kriegsgefangenen,<br />

die auch durch das Protektoratsgebiet<br />

führten.<br />

Trotz aller weiteren immer<br />

vorbereitenden Maßnahmen geriet die<br />

deutsche Bevölkerung in diesen Tagen in<br />

den Zustand der Demoralisierung und<br />

Unkontrollierbarkeit. Dies betraf vor allem<br />

diejenigen, die aus anderen Teilen<br />

Deutschlands in die „Sudeten“ gekommen<br />

waren und hier als Beamte und als<br />

unterschiedliche Funktionsträger arbeiteten.<br />

Zunächst begannen ihre Familien und dann<br />

auch sie selbst den Reichsgau Sudetenland<br />

Die Zerschlagung der ČSR, das Protektorat und die<br />

Genese der Aussiedlung<br />

160<br />

unauffällig zu verlassen. Die meisten der<br />

nationalsozialistischen Prominenten flohen<br />

schon Anfang April 1945. Die Fronten<br />

rollten wortwörtlich von allen Seiten heran<br />

und schoben vor sich her die deutsche<br />

Armee, deutsche Flüchtlinge,<br />

Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene sowie<br />

Häftlinge aus nationalsozialistischen<br />

Gefängnissen und Konzentrationslagern.<br />

Alle Hauptverkehrswege waren verstopft.<br />

Der Strom der Flüchtlinge, die müde durch<br />

die Gegend zogen oder in Gruppen rasteten,<br />

wirkte auf die Moral der Deutschen vor Ort<br />

nicht positiv. Als ob sie bereits ihre nicht<br />

allzu entfernte Zukunft gesehen hätten.<br />

Der Krieg näherte sich dem Reichsgau<br />

Sudetenland zuerst vom Osten her. Die<br />

Befreiung dieses Gebietes war anfangs mit<br />

der Operation der Roten Armee im Gebiet<br />

von Ostrava (Mährisch Ostrau) verbunden,<br />

um zuletzt ein Bestandteil der Prager<br />

Operation der IV. Ukrainischen Front der<br />

Roten Armee zu werden. Die sowjetischen<br />

Streitkräfte schlugen sich Anfang März<br />

1945 von Polen zu den Zugangspunkten<br />

nach Ostrau durch. Den Deutschen gelang<br />

es, ein direktes Vordringen in diese mit den<br />

tschechoslowakischen Vorkriegsfestungen<br />

verteidigte Stadt aufzuhalten. Deshalb<br />

führte das sowjetische Kommando zuerst<br />

einen Angriff gegen Opava (Troppau) durch<br />

und von dort aus rückwärts in Richtung<br />

Ostrava. Diese Entscheidung trug zu<br />

kleineren Schäden im Ostrauer<br />

Industriegebiet bei, dafür wurde aber der<br />

östliche Teil des Reichsgaues zur<br />

Kampfstätte mit allen Folgen, die der Krieg<br />

– hier auch bis zur letzten Phase<br />

außerordentlich grausam – mit sich brachte.<br />

Im Rahmen des ARLZ-Plans wurde die<br />

Stufe der „Räumung“, d.h. der Evakuierung,<br />

erklärt Anfang März 1945 nur für die Kreise<br />

im Osten des Regierungsbezirkes Opava<br />

(Troppau), d.h. für Bílovec (Wagstadt),<br />

Nový Jičín (Neu-Titschein), Opava<br />

(Troppau), Bruntál (Freudenthal), Krnov<br />

( Jägerndorf ) und auch für Frývaldov (heute<br />

Jeseník – Freiwaldau). Ursprünglich sollte<br />

sämtliche Bevölkerung wegziehen. Bald<br />

wurde jedoch diese Maßnahme nur für die<br />

deutsche Bevölkerung angewandt, während<br />

die tschechische Bevölkerung verblieb,<br />

insbesondere in den Kreisen Opava<br />

(Troppau) und Bílovec (Wagstadt). Für den<br />

westlichen Teil des sog. Ostsudetenlandes,<br />

d.h. für die Kreise Šumperk (Mährisch<br />

Schönberg), Šternberk (Sternberg), Zábřeh

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