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Kapitel V<br />

tschechoslowakische Außenminister in der<br />

Zwischenkriegszeit Kamil Krofta rechnete<br />

in den kurz vor seiner Verhaftung durch die<br />

Gestapo bearbeiteten Unterlagen damit,<br />

dass die um den Widerstand verdienten<br />

protschechoslowakischen Deutschen in der<br />

erneuerten Republik den Status von<br />

Ausländern mit genehmigtem<br />

Daueraufenthalt bekommen.) Sowohl im<br />

Exil als auch im okkupierten Vaterland war<br />

schon zu dieser Zeit klar, dass es nach dem<br />

Krieg in dieser oder jener Form zu einer<br />

wesentlichen Reduzierung der deutschen<br />

Minderheit in der Tschechoslowakei und in<br />

noch bedeutend größerem Maße in Polen<br />

kommen würde.<br />

Im Mai 1943 sprach Edvard Beneš mit<br />

dem britischen Premierminister Winston<br />

Churchill. Dieser formulierte seinen<br />

Standpunkt vor den bevorstehenden<br />

Verhandlungen mit der sowjetischen<br />

Führung wie folgt: „Der Bevölkerungstransfer<br />

ist unumgänglich. Wer die baltischen Staaten<br />

verlassen will, soll gehen. Das gilt auch für<br />

Ostpreußen, wenn es den Polen zufällt, und<br />

ebenfalls gilt es für die Bewohner der Sudeten.<br />

Sie bekommen eine kurze Frist, um das<br />

Notwendigste mitzunehmen und wegzugehen –<br />

ich hoffe, dies bei den Russen durchzusetzen. Es<br />

bewährte sich vor Jahren in der Türkei sowie in<br />

Griechenland und es wird sich auch jetzt<br />

bewähren.“ Die Vertreter des amerikanischen<br />

State Departments waren ähnlicher<br />

Meinung. Ray Atherton, Leiter der<br />

europäischen Abteilung des amerikanischen<br />

Außenministeriums, äußerte sich für seine<br />

Person, dass er für den Transfer sämtlicher<br />

deutscher Minderheiten nach Deutschland<br />

und ebenso sämtlicher japanischer<br />

Minderheiten aus allen Ländern des Fernen<br />

Ostens nach Japan sei. Einer ähnlich<br />

radikalen Meinung war auch der<br />

amerikanische Präsident Franklin D.<br />

Roosevelt (im Unterschied zu den merklich<br />

gemäßigteren amerikanischen<br />

Militärplanern). Zur selben Zeit äußerte er<br />

sich in einem Gespräch mit Jan Karski,<br />

einem Vertreter des polnischen<br />

Widerstandes, übereinstimmend zur Idee<br />

des Kommandos der illegalen Armia<br />

Krajowa („Armee im Lande“), dass nach der<br />

Befreiung Polens eine kurze Welle äußersten<br />

Terrors gegen die deutsche – alteingesessene<br />

sowie im Laufe des Krieges zugezogene –<br />

Bevölkerung entfesselt werden würde, die<br />

diese zu einer beschleunigten „freiwilligen“<br />

Aussiedlung bewegen werde. Der Präsident<br />

Der internationale Rahmen der<br />

Zwangsaussiedlung der Sudetendeutschen<br />

204<br />

bemerkte zu diesem Plan lediglich: „Die<br />

Deutschen haben es verdient.“ Im Dezember<br />

1943 sollte sich dann in Moskau zeigen, dass<br />

sowohl das sowjetische Außenministerium<br />

als auch Stalin selbst die tschechischen<br />

Vorstellungen vom Nachkriegstransfer der<br />

Deutschen im Prinizp akzeptieren.<br />

Das Problem der „Beseitigung“ von<br />

Minderheiten in der Kriegszeit lässt sich<br />

allerdings nicht allein auf das Schicksal der<br />

deutschen Minderheiten bzw. auf die<br />

nationalsozialistischen Ermordungs- und<br />

Aussiedlungspläne und Aktionen gegen die<br />

jüdische, slawische und Roma-Ethnie in<br />

West-, Süd-, vor allem aber in Mittel- und<br />

Osteuropa reduzieren. Die erwähnte<br />

Senkung der Hemmschwelle gegen<br />

Manipulation, Vertreibung und Ermordung<br />

der jüdischen sowie weiteren nationalen<br />

Minderheiten in den einzelnen Regionen<br />

erhielt insbesondere in Osteuropa und auf<br />

dem Balkan drastische Konturen.<br />

Militäraktionen sowie die Ermordungs- und<br />

Aushungerungspolitik der<br />

Nationalsozialisten wirkten in einer<br />

Reihe von Konflikten zwischen den Völkern<br />

in Mittel- und Osteuropa in den<br />

vierziger Jahren als Zündstoff, Katalysator<br />

oder zumindest als Mittel zur Senkung<br />

der Hemmschwelle gegen die<br />

Aggressivität gegenüber den anderen<br />

Völkern und Nationalitäten, religiösen oder<br />

kulturellen Gemeinschaften. (In diesem<br />

Kontext sind – mit Hinweis auf die neuesten<br />

Forschungen der jungen Generation<br />

deutscher Historiker – die Pläne des<br />

Oberkommandos der Wehrmacht /OKW/<br />

zu erwähnen /die Gott sei Dank nur<br />

kleinerenteils realisiert wurden/, sich der<br />

etwa 30.000.000 Einwohner von<br />

Weißrussland und den anliegenden<br />

Gebieten im Rücken der in Richtung<br />

Moskau vordringenden<br />

nationalsozialistischen Armeen durch<br />

Isolierung und Hungertod zu entledigen,<br />

oder die Entscheidung der Wehrmacht,<br />

nach der vorausgesetzten Eroberung des<br />

belagerten Leningrad /Sankt Petersburg/<br />

seine gesamte – hungernde und kranke –<br />

Bevölkerung zu liquidieren.)<br />

Von der sekundären Linie der rassistisch<br />

motivierten Massaker ist vor allem an die<br />

großen Massenmorde an der jüdischen<br />

Bevölkerung in Osteuropa zu erinnern, die<br />

im Sommer und Herbst 1941, initiiert von<br />

den Nationalsozialisten und teilweise sogar<br />

für die Kameras der deutschen

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