30.10.2013 Aufrufe

GESCHICHTE VERSTEHEN

GESCHICHTE VERSTEHEN

GESCHICHTE VERSTEHEN

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Die Zerschlagung der ČSR, das Protektorat und die<br />

Genese der Aussiedlung<br />

„Ostsudetenlandes“, war typisch, dass die<br />

dortigen Widerstandsbewegungen nach dem<br />

Eintritt der Sowjetunion in den Krieg<br />

bemüht waren, von mehr oder weniger<br />

spontanen und lokal gebundenen<br />

Widerstandsformen zu breiter angelegten,<br />

durchorganisierten und aktiveren Formen<br />

der Widerstandsaktivitäten überzugehen.<br />

Wichtig war, dass sich dabei<br />

Widerstandskämpfer aus verschiedenen<br />

sozialen Schichten und unterschiedlichen<br />

politischen und ideologischen Strömungen<br />

viel enger und wirksamer<br />

zusammenschlossen oder – präziser<br />

ausgedrückt: in vielen<br />

Widerstandsorganisationen kam es erst zur<br />

Läuterung dieser Strömungen, wobei die<br />

Freiheit der Nation das gemeinsame<br />

Interesse aller darstellte.<br />

Zum größten Aufschwung des<br />

antifaschistischen Widerstandes kam es im<br />

östlichen Teil des Reichsgaues Sudetenland,<br />

in dem der Anteil der tschechischen<br />

Bevölkerung mit über 20% der relativ größte<br />

war und wo es auch einige verhältnismäßig<br />

zusammenhängende und mehrheitlich von<br />

Tschechen bewohnte Gebiete gab. Für diese<br />

Gebiete war typisch, dass im Falle der<br />

Liquidierung einer illegalen Organisation<br />

relativ bald eine neue Gruppe entstand, die<br />

den Widerstand fortsetzte. Im tschechischen<br />

Milieu konnte man weitaus leichter den<br />

tatsächlichen, aktiven Widerstand<br />

unterscheiden von einer<br />

antinationalsozialistischen<br />

Grundeinstellung, die der übergroßen<br />

Mehrheit der tschechischen Bevölkerung<br />

eigen war.<br />

Im Zusammenhang mit den politischen<br />

Verhältnissen im Reichsgau Sudetenland<br />

sowie mit der Entwicklung des<br />

Widerstandes auf diesem Gebiet stellen die<br />

Impulse des Slowakischen<br />

Nationalaufstandes (August – Oktober<br />

1944) ein interessantes, wenn auch nicht<br />

besonders wichtiges Kapitel dar. Der<br />

Aufstand hob nämlich den Widerstandsgeist<br />

der Tschechen allgemein und besonders der<br />

Tschechen im Reichsgau, wodurch sowohl<br />

die sudetendeutsche Bevölkerung als auch<br />

beide Hauptprotagonisten des „böhmischen<br />

Raumes“, der Gauleiter Konrad Henlein<br />

und K. H. Frank, der Staatsminister für<br />

Böhmen und Mähren und seit Frühjahr<br />

1944 auch der höhere SS- und Polizeiführer,<br />

beunruhigt waren. Die Fronten waren<br />

allerdings noch zu weit entfernt und die<br />

155<br />

Kapitel IV<br />

Widerstandsbewegung sowohl im<br />

Protektorat als auch im Reichsgau<br />

Sudetenland (hier der deutsche wie der<br />

tschechische Widerstand) noch zu schwach,<br />

um die Impulse des Slowakischen<br />

Nationalaufstandes in bemerkbarer Weise<br />

nutzen zu können. Als Faktum blieb die ab<br />

und an durch eine gewisse Verbreitung der<br />

Partisanenbewegung (im Ideenbereich sowie<br />

praktisch) gestärkte Widerstandsbewegung,<br />

was dann im Frühjahr 1945 Früchte tragen<br />

sollte, soweit die Partisanenbewegung die<br />

deutsche Gegenoffensive im Winter<br />

1944/45 überlebt hatte.<br />

Die Gesinnung der sudetendeutschen<br />

Bevölkerung im Reichsgau Sudetenland<br />

Die Darstellung dieses Problemkreises<br />

hat im Rahmen der kurzen Geschichte des<br />

Reichsgaues Sudetenland eine<br />

grundsätzliche Bedeutung: sie soll<br />

analysieren, inwieweit die Sudetendeutschen<br />

zu eigener Selbstreflexion fähig waren,<br />

inwieweit sie ihre eigene Rolle bei der<br />

Zerschlagung der Tschechoslowakei, bei der<br />

Entfesselung des Zweiten Weltkrieges, ihren<br />

Anteil an der Katastrophe Deutschlands, die<br />

sich daraus ergab, sowie die eigene<br />

Verantwortung bei der Gestaltung ihres<br />

eigenen Schicksals zu beurteilen<br />

vermochten.<br />

Die Entwicklung der Gesinnung der<br />

Sudetendeutschen lässt sich als eine Triade<br />

beschreiben. Der erste Zeitabschnitt, in dem<br />

sich die Grundrisse ihrer Gesinnung<br />

herausgebildet haben, die in der weiteren<br />

Entwicklung eigentlich nur noch variierte,<br />

wurde durch einen Blick auf den eigenen<br />

Anteil der Sudetendeutschen bei der<br />

Zerschlagung der ČSR und durch die<br />

enorme Begeisterung über den Anschluss an<br />

das Großdeutsche Reich charakterisiert, den<br />

sie als ihren großen nationalen Sieg<br />

begriffen und wobei sie ihren eigenen<br />

subjektiven Beitrag zur Vollendung der Idee<br />

des Großdeutschen Reiches unterstrichen.<br />

Diese Gesinnung lässt sich nicht nur mit der<br />

alles übersteigenden Begeisterung belegen,<br />

welche die einmarschierende Wehrmacht<br />

und vor allem den „großen Führer“ Adolf<br />

Hitler begrüßte und auch weitere<br />

einheimische Unterführer feierte.<br />

Die anfänglich euphorische Stimmung<br />

belegen auch einige bedeutende Strömungen<br />

in der Gesellschaft. An erster Stelle war es<br />

das Interesse, der NSDAP beizutreten.<br />

Dieses Interesse war so groß, das man es

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!