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Die Zerschlagung der ČSR, das Protektorat und die<br />

Genese der Aussiedlung<br />

deutschen Okkupationsbehörden auf eine<br />

„spätere Zeit“ verschoben. Aus Berliner<br />

Sicht gewann deshalb das Programm der<br />

„Stärkung des Deutschtums“ im<br />

tschechischen Wirtschaftsraum besondere<br />

Bedeutung, für welches sich Ernst Kundt,<br />

Abgeordneter der Sudetendeutschen Partei<br />

und Führer der nach dem Münchener<br />

Abkommen in der Tschecho-Slowakei<br />

lebenden Deutschen, und Anton<br />

Kiesewetter, Oberdirektor des ausgeprägt<br />

nationalen Geldinstitutes „Kreditanstalt der<br />

Deutschen“, einsetzten. Der Kern dieses<br />

Programms, das seit Ende 1938 zum<br />

Gegenstand langwieriger Diskussionen<br />

wurde, bestand in der sog.<br />

Reichswirtschaftshilfe. Mittels dieser<br />

Maßnahme sollten geheime, vorteilhafte<br />

Kredite für deutsche Unternehmen<br />

abgesichert werden, die ihnen in der<br />

Tschecho-Slowakei nicht gewährt wurden.<br />

Zehn Tage nach der Errichtung des<br />

Protektorats wurde das Reichsgesetz zur<br />

Förderung der gewerblichen Wirtschaft in<br />

den Grenzgebieten erlassen, auf dessen<br />

Grundlage deutsche Unternehmer im<br />

Protektorat einen vom Deutschen Reich<br />

garantierten Kredit in Höhe von 10.000.000<br />

Kronen erhalten konnten. Bald darauf wurde<br />

das Limit für diese Kredite aufgehoben.<br />

Über diese Kredite entschied der sog.<br />

Hauptkreditausschuss, in dem vor allem die<br />

nationalsozialistische Partei, die<br />

Kreisleitung, einzelne Wirtschaftsgruppen<br />

und die deutschen Banken vertreten waren.<br />

Mitglieder waren auch zwei Vertreter des<br />

Reichswirtschaftsministeriums, die in das<br />

Amt des Reichsprotektors abgeordnet<br />

waren. Im Unterschied zum Deutschen<br />

Reich, in dem solche Kredite vor allem für<br />

die aus der Sicht der Kriegswirtschaft<br />

wichtigen Betriebe genehmigt wurden,<br />

waren die Kredite im Protektorat auf<br />

mittlere bzw. kleinere Unternehmen, und<br />

zwar auch mit gewerblichem Charakter,<br />

orientiert mit dem Ziel, darin den deutschen<br />

zu ungunsten des tschechischen Anteils zu<br />

stärken. Bis zum Ende des Jahres 1944<br />

wurden für Kredite mit Reichsbürgschaft<br />

mehr als 32.000.000 Mark gewährt, von<br />

denen ein gewisser Teil für den „Ankauf“<br />

„jüdischer“ Unternehmen bestimmt war.<br />

Adressat dieser Kredite war in der Regel ein<br />

weniger bemittelter deutscher Bewerber,<br />

wenn er in der gegebenen Umgebung zur<br />

„Stärkung des deutschen unternehmerischen<br />

Elementes“ beitrug. Die „Arisierung“ des<br />

129<br />

Kapitel IV<br />

mittelgroßen Vermögens war im Prinzip das<br />

Tätigkeitsfeld der „Kreditanstalt der<br />

Deutschen“, also des Geldinstitutes der<br />

Sudetendeutschen. Die Zweigstellen beider<br />

Berliner Großbanken, die Böhmische<br />

Union-Bank und die Böhmische Escompte-<br />

Bank konzentrierten sich vorrangig auf die<br />

„Arisierung“ großer jüdischer Unternehmen,<br />

obwohl sie auch die „Arisierung“ der<br />

mittleren Unternehmen nicht<br />

außer Acht ließen.<br />

Das Amt des Reichsprotektors<br />

verkündete im April 1941 die oft<br />

wiederholte These, dass das Ziel der<br />

„Entjudung“ die Überführung aller<br />

geeigneten Betriebe, Handelsfirmen usw. in<br />

deutsche Hände sei. Es wurde dabei<br />

ausdrücklich bemerkt, dass es notwendig sei,<br />

in diesen Prozess deutsche Banken<br />

einzubeziehen, damit die Lebensfähigkeit<br />

der arisierten Unternehmen mit Hilfe von<br />

Krediten und Darlehen gesichert werde. Bei<br />

der Auswahl des geeigneten Bewerbers<br />

„wurde darauf gesehen, dass Deutsche aus dem<br />

Protektoratsgebiet sichere Existenz erhielten<br />

und möglichst viele deutsche Volksgenossen aus<br />

dem Altreich oder dem Auslande ihren Wohnsitz<br />

in das Protektoratsgebiet verlegten. (…)<br />

Dadurch ist eine günstige Vermehrung des<br />

deutschen Volkstums im Gebiet des Protektorats<br />

Böhmen und Mähren erfolgt“. Nach der<br />

Okkupation der böhmischen Länder im<br />

März 1939 erarbeiteten die entstehenden<br />

deutschen Machtzentren die<br />

Arisierungsstrategie mit einem anderen<br />

Beweggrund: die Protektoratsregierung<br />

versuchte nämlich, selbst mit der<br />

„Arisierung“ der jüdischen Unternehmen<br />

anzufangen. Eine Beratung der Vetreter von<br />

deutschen Banken mit Hans Kehrl<br />

verhinderte Ende März diese<br />

Arisierungsbemühungen und die<br />

„Arisierung“ wurde zu einer deutschen<br />

Angelegenheit erklärt.<br />

Die „Arisierung“ nahm im Prinzip die<br />

Gestapo auf, als sie das Vermögen<br />

derjenigen Personen – nicht allein jüdischer<br />

Herkunft – konfiszierte, die aus der Sicht<br />

der Okkupationsorgane „gesetzliche<br />

Normen“ verletzt hatten. Für eine Straftat<br />

wurde beispielsweise die unerlaubte<br />

Emigration gehalten. Das beschlagnahmte<br />

Vermögen der Emigranten wurde unter<br />

Zwangsverwaltung gestellt. In der<br />

Anfangsphase der „Arisierung“ beschäftigte<br />

sich die Böhmische Escompte-Bank mit der<br />

Verwaltung des beschlagnahmten

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