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Kapitel IV<br />

Vermögen „zugunsten des Reiches“ genutzt<br />

werden. Kehrl kam nach Prag, um die<br />

Einhaltung von Görings Richtlinien und<br />

Hinweisen sowie von dessen Interessen zu<br />

überwachen. Einen führenden Platz nahm<br />

darunter Görings Entscheidung ein, für die<br />

Reichswerke Hermann Göring die<br />

Aktienmajorität in den Škoda-Werken, in<br />

der Zbrojovka Brno (Waffenfabrik Brünn)<br />

und in Vítkovické železárny (Witkowitzer<br />

Bergbau- und Eisenhütten Gewerkschaft)<br />

zu gewinnen.<br />

Die Protektoratswirtschaft lag zwar<br />

formal in den Händen der<br />

Protektoratsregierung, in der Tat stand sie<br />

jedoch völlig unter der Kontrolle der<br />

Okkupations- bzw. reichsdeutschen Organe<br />

und Institutionen. An erster Stelle ist hier<br />

die Deutsche Reichsbank zu nennen, die<br />

sofort am Anfang der Okkupation ihren<br />

Sonderbeauftragten Friedrich Müller in die<br />

Národní banka československá<br />

(Tschechoslowakische Nationalbank) in<br />

Prag entsandte (in der Okkupationszeit<br />

wurde die Bank in Národní banka pro Čechy<br />

a Moravu / Nationalbank für Böhmen und<br />

Mähren umbenannt). Nachdem sich das neu<br />

konstituierte Amt des Reichsprotektors<br />

Mitte April 1939 des Vollzuges seiner<br />

Funktionen angenommen hatte, übernahm<br />

F. Müller die Leitung des Sonderreferats<br />

„Reichsbank“. Noch ein weiterer Exponent<br />

der Interessen der deutschen<br />

Okkupationsverwaltung kam in die<br />

Nationalbank. Es war der Beauftragte des<br />

Amts des Reichsprotektors, Herbert<br />

Winkler, der offiziell Leiter des<br />

Devisenreferats in der Nationalbank wurde.<br />

Das Amt des Reichsprotektors sicherte sich<br />

auf ähnliche Weise die Schlüsselpositionen<br />

im Protektoratsfinanzministerium, in dem<br />

Walter Utermöhle, Chef des Devisenreferats<br />

in der Wirtschaftsabteilung des Amts des<br />

Reichsprotektors, auch die Tätigkeit von<br />

dessen Revisionsabteilung leitete und<br />

kontrollierte. Dieses Organ der deutschen<br />

Okkupationsverwaltung hatte seinen Sitz<br />

direkt im Protektoratsfinanzministerium.<br />

Der ohnehin große deutsche Einfluss auf die<br />

Institutionen der Protektoratsregierung<br />

erhöhte sich noch mehr im Januar 1942, als<br />

Walter Bertsch, ein Reichsdeutscher, zum<br />

Protektoratsminister für Wirtschaft und<br />

Arbeit wurde.<br />

Die selbständige Stellung der<br />

Nationalbank war rein formal. In<br />

Wirklichkeit befand sie sich in einer<br />

Die Zerschlagung der ČSR, das Protektorat und die<br />

Genese der Aussiedlung<br />

126<br />

untergeordneten Position und wurde von<br />

zwei Zentren geleitet – von der Deutschen<br />

Reichsbank aus Berlin und vom Amt des<br />

Reichsprotektors. Beide Beauftragten,<br />

sowohl der reichsdeutsche als auch der<br />

Beauftragte des Reichsprotektors, griffen in<br />

alle Tätigkeitsbereiche der Nationalbank ein,<br />

einschließlich der Personalfragen.<br />

Maßgebend war für sie das „Interesse des<br />

Deutschen Reiches“, d.h. die Unterodnung<br />

des Protektorats unter dessen<br />

Wirtschaftsbedürfnisse. Eine der ersten<br />

Maßnahmen, mit denen die deutsche<br />

Wirtschaft Finanzmittel aus den<br />

böhmischen Ländern abzog, war die<br />

Verordnung über die pflichtgemäße<br />

Abführung von Giroüberschüssen der<br />

Nationalbank an die Deutsche<br />

Reichsbank in Berlin.<br />

Die Rüstung verringerte gefährlich die<br />

Gold- und Devisenreserven der Deutschen<br />

Reichsbank und Hermann Göring, der unter<br />

anderem auch mit der Lenkung der<br />

reichsdeutschen Devisenwirtschaft<br />

beauftragt war, sah im Protektorat eine<br />

willkommene Quelle der so dringend<br />

benötigten Werte, vor allem für die Einfuhr<br />

von strategischen Rohstoffen. Bereits in den<br />

letzten Monaten der „Zweiten“ Republik<br />

verlangte Göring kompromisslos die<br />

Aushändigung der Goldwährung, die dem<br />

Dritten Reich gemeinsam mit den Devisen<br />

für das in den abgetretenen Gebieten dem<br />

Umlauf entzogene tschechoslowakische<br />

Geld ausgehändigt werden sollte. Ohne in<br />

Betracht gezogen zu haben, dass auf diesem<br />

Territorium anderes tschechoslowakisches<br />

Vermögen verblieben war, überführte die<br />

Tschecho-Slowakei anfangs März 1939 fast<br />

14 Tonnen des geforderten Goldes nebst<br />

Devisen im Wert von 15.000.000 Kronen an<br />

die Deutsche Reichsbank. Nach der<br />

Errichtung des Protektorates ordneten die<br />

Okkupationsorgane an, ein Verzeichnis<br />

sämtlicher Devisen und Goldbestände in<br />

allen Geldinstituten, in erster Linie in der<br />

Nationalbank, zusammenzustellen. Die<br />

Sicherstellung dieses Goldes gehörte zu<br />

einer der ersten Aufgaben des<br />

Sonderbeauftragten der Deutschen<br />

Reichsbank in der Nationalbank, Friedrich<br />

Müller. Am 18. März 1939 gab er die<br />

Anweisung, das mittels der Bank für<br />

Internationalen Zahlungsausgleich (Bank<br />

for International Settlements) in Basel bei<br />

der Bank of England in London deponierte<br />

Gold auf das Konto der Deutschen

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