GESCHICHTE VERSTEHEN
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Die Zerschlagung der ČSR, das Protektorat und die<br />
Genese der Aussiedlung<br />
antideutsche Ausrichtung sowie deren<br />
Zielrichtung im Widerstand bis heute nicht<br />
immer genau bekannt sind. Manchmal<br />
handelte es sich auch um Aktionen, die<br />
nationalsozialistische Organe nur als<br />
Widerstandsaktionen vermuteten und als<br />
solche auswerteten.<br />
Die von den Nationalsozialisten<br />
verkündete Theorie, dass derjenige in Ruhe<br />
gelassen würde, der nichts gegen das<br />
Deutsche Reich unternähme, dämpfte den<br />
organisierten Widerstand. Das Münchener<br />
Abkommen bedeutete einen Schock, und erst<br />
nach der Okkupation der restlichen<br />
Tschechoslowakei am 15. März 1939<br />
festigte sich das Bewusstsein einer<br />
Gemeinschaft mit dem Protektorat. Der<br />
Widerstand im Grenzland entwickelte sich<br />
unter anderem bei jungen, unerfahrenen<br />
Kadern. Hass, Abwarten und die Hoffnung<br />
auf Befreiung verbanden sich bei der<br />
tschechischen Bevölkerung mit<br />
Flüsterpropaganda und der Verbreitung von<br />
illegalen und unbewiesenen Nachrichten.<br />
Die Stimmung der tschechischen<br />
Bevölkerung wurde auch durch die<br />
schrittweise Germanisierung des kulturellen<br />
und politischen Lebens beeinflusst. Daraus<br />
ergibt sich wieder, dass allein Formen<br />
passiven Widerstandes und verbaler Proteste<br />
vorherrschten.<br />
In den okkupierten Gebieten mit einer<br />
größeren Anzahl von Tschechen richtete<br />
sich der anfängliche Widerstand<br />
hauptsächlich auf Aktionen mit dem Ziel,<br />
die rein tschechisch besiedelten Gemeinden<br />
wieder der tschechoslowakischen Republik<br />
anzugliedern. Es handelte sich vor allem um<br />
verschiedene Petitionen, Deputationen und<br />
an einigen Orten auch um<br />
Demonstrationen. Weitere Aktionen<br />
richteten sich gegen die Verhaftungen von<br />
tschechischen Bürgern sowie gegen weitere<br />
antitschechische Maßnahmen. Zum größten<br />
und eigentlich einzigem bewaffneten<br />
Zusammenstoß zwischen tschechischen<br />
Streitkräften und nationalsozialistischen<br />
Kampfgruppen, die weitere tschechische<br />
Dörfer in der Umgebung von Svitavy<br />
(Zwittau) abtrennen wollten, kam es bei<br />
Moravská Chrastová (Mährisch Chrostau).<br />
Durch den nationalsozialistischen Terror<br />
wurden jedoch die offenen<br />
Widerstandsaktionen sehr bald unterdrückt.<br />
Dies äußerte sich auch in der Inszenierung<br />
der Wahlen zum Reichstag Anfang<br />
Dezember 1938 sowie bei der Option für die<br />
153<br />
Kapitel IV<br />
tschechoslowakische Staatsbürgerschaft. An<br />
dieser Stelle lässt sich lediglich feststellen,<br />
dass sich nur ganz vereinzelt die Mehrheit in<br />
einigen tschechischen Gemeinden gegen<br />
Hitler aussprach. Einige solche Gemeinden<br />
findet man im Troppauer Regierungsbezirk.<br />
Unter der deutschen und tschechischen<br />
Bevölkerung wurden zwar verschiedene<br />
Aussprüche registriert, die die neuen<br />
Verhältnisse kritisierten im Vergleich mit der<br />
Situation in der Vorkriegstschechoslowakei.<br />
Wie sich jedoch aus den erhalten<br />
gebliebenen Berichten tschechischer<br />
Institutionen ergibt, wurden diese kritischen<br />
Stimmen überschätzt. Es tauchten zwar<br />
deutsche und tschechische antifaschistische<br />
Flugblätter und Aufschriften auf, sporadisch<br />
sogar Unmutsäußerungen von manchen<br />
Deutschen, aber ihr Umfang sowie ihre<br />
Bedeutung waren mehr oder weniger<br />
marginal.<br />
Erst der Überfall auf die Sowjetunion<br />
durch das nationalsozialistische Deutschland<br />
am 22. Juni 1941 änderte die Gesamtlage<br />
auch in den Grenzgebieten von Böhmen,<br />
Mähren und Schlesien, die bereits im<br />
Oktober 1938 okkupiert worden waren. Die<br />
neue Situation war im Grunde durch den<br />
immer stärkeren Einfluss des Krieges und<br />
der Frontbewegungen auf das Leben im<br />
Hinterland charakterisiert. In diesem<br />
Zusammenhang gewann der<br />
antifaschistische Widerstand, insbesondere<br />
seine aktiveren und wirksameren Formen, an<br />
Bedeutung. Die Kriegsauswirkungen fanden<br />
ihren Niederschlag nicht nur in der<br />
wirtschaftlichen, sozialen und speziell in der<br />
Versorgungssituation, sondern auch im<br />
politischen, nationalen und polizeilichen<br />
Bereich.<br />
Angesichts des anfänglichen Vordringens<br />
der deutschen Wehrmacht in das<br />
Landesinnere der Sowjetunion herrschte<br />
unter der sudetendeutschen Bevölkerung<br />
eine weitere fanatische Begeisterungswelle,<br />
die von Hoffnungen auf neue Chancen zur<br />
Betätigung in den eroberten Gebieten<br />
begleitet wurde. Diese Welle ebbte zwar<br />
nach und nach ab im Zusammenhang mit<br />
den ersten und später auch weiteren<br />
Misserfolgen Deutschlands und seiner<br />
Verbündeten an der Ostfront, doch zu einer<br />
deutlicheren Abkehr der Deutschen in den<br />
böhmischen Ländern von der Unterstützung<br />
der aggressiven Kriegs- und<br />
Germanisierungspolitik Hitlers kam es<br />
nicht. Die Stimmung der Mehrheit der