GESCHICHTE VERSTEHEN
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Die Durchführung der Zwangsaussiedlung<br />
lautete: „Verbrüdere dich nicht mit den deutschen<br />
Kriegsanstiftern! Denke daran, dass der Sieg mit<br />
dem Leben amerikanischer Soldaten erkauft<br />
werden musste. Deutschland ist ein Feindesland,<br />
das nicht befreit, sondern erobert wurde. Die<br />
Deutschen können heute die<br />
nationalsozialistische Partei satt haben, aber sie<br />
haben einmal die Sünde an der Humanität<br />
begangen. Sie können nicht in die zivilisierte<br />
Gesellschaft zurückkehren und lediglich sagen:<br />
‘Verzeihen Sie’.“ Die Broschüren der Alliierten<br />
warnten die Soldaten weiter vor<br />
hunderttausenden ausgebildeten und<br />
entschlossenen nationalsozialistischen<br />
Saboteuren und Totschlägern, die ihnen unter<br />
den Zivilisten der besetzten Gebiete<br />
auflauerten. Hass, eine klar definierte Mauer<br />
zwischen den eigenen Leuten und den<br />
Deutschen sowie die Warnungen vor<br />
tödlichen Gefahren, das waren die<br />
Hauptmotive der Armeematerialien.<br />
Die tschechoslowakische Armee wurde<br />
am 15. Juni durch einen<br />
Regierungsbeschluss mit der Durchführung<br />
der Maßnahmen zur Sicherstellung der<br />
nationalsozialistischen Verbrecher und zur<br />
Aussiedlung der deutschen Bevölkerung<br />
beauftragt. Sie sollte bei der Sammlung, den<br />
Arbeitseinsätzen und der Ausweisung der<br />
Deutschen sowie bei der Beschlagnahme<br />
von deren Vermögen mit der örtlichen<br />
Verwaltung und den SNB-Dienststellen<br />
zusammenarbeiten (SNB - Sbor národní<br />
bezpečnosti, tschechische Polizeikräfte). Das<br />
Armeekommando war auch der<br />
Hauptinitiator des Überganges von<br />
einzelnen Vertreibungs- und<br />
Aussiedlungsaktionen zu einem<br />
systematischen Transfer. Ein Geheimbefehl<br />
der 1. Abteilung des Hauptstabes (Hlavní<br />
štáb) des Verteidigungsministeriums vom<br />
27. Juli ordnete an, den Transfer in<br />
möglichst großem Umfang und möglichst<br />
schnell durchzuführen, damit die westlichen<br />
Großmächte vor vollendete Tatsachen<br />
gestellt würden. Das tschechische<br />
Verteidigungsministerium folgte so dem<br />
polnischen Beispiel und nutzte das<br />
sowjetische „Wohlwollen“ zur<br />
Durchführung der Zwangsaussiedlung aus.<br />
Die britischen und amerikanischen Vertreter<br />
verlangten dagegen zur selben Zeit in ihrer<br />
Antwort auf die Note der<br />
tschechoslowakischen Regierung vom<br />
3. Juli, die Transferpolitik zu verhandeln,<br />
denn ihre bisherige Form erweckte bei den<br />
Alliierten eine gewisse Beunruhigung. Die<br />
221<br />
Kapitel VI<br />
Vorstellungen der tschechoslowakischen<br />
Regierung, dass man die Aussiedlung von<br />
2.500.000 Deutschen innerhalb eines Jahres<br />
durchführen würde, fand allerdings auch bei<br />
den sowjetischen Armeefunktionären keine<br />
Aufnahme, die aus praktischen Gründen<br />
verlangten, den Anfang des systematischen<br />
Transfers aufzuschieben.<br />
Angloamerikanische Vorstellungen<br />
arbeiteten damals mit einer<br />
Aussiedlungsperspektive von ungefähr fünf<br />
Jahren. Bis zu dieser Zeit sollte man nur<br />
vereinzelte, binnenstaatliche Verschiebungen<br />
der deutschen Bevölkerung sowie ihre<br />
Arbeitseinsätze durchführen, die auch die<br />
sich im tschechoslowakischen Hoheitsgebiet<br />
aufhaltenden reichsdeutschen Flüchtlinge<br />
und Kriegsgefangenen betrafen.<br />
Bereits am 8. Juni wurden durch einen<br />
Erlass des Innenministeriums<br />
Besiedlungsreferate der<br />
Bezirksnationalausschüsse oder der<br />
Verwaltungskomissionen errichtet, die die<br />
parallel verlaufende Aussiedlung und die<br />
ergänzende tschechische Besiedlung der<br />
Territorien sicherstellen sollten, die unter<br />
ihre Kompetenz fielen. Dessen ungeachtet<br />
entstand eine wirklich funktionsfähige<br />
Organisation des Transfers bzw. des<br />
gesamten Systems der Zwangsmigrationen<br />
erst während der zweiten Hälfte des Jahres<br />
1945 – dazu kam es unter ständigen<br />
Kompetenzstreitigkeiten, in denen die<br />
Kräfte des Innenministeriums nach und<br />
nach die Oberhand gewannen. In ihrer<br />
Sitzung vom 14. Dezember 1945 billigte die<br />
Regierung die Grundsätze des<br />
systematischen Transfers der Deutschen aus<br />
der Tschechoslowakei, die<br />
Durchführungsrichtlinien dazu wurden vom<br />
Innenministerium in einem Rundschreiben<br />
vom 31. Dezember 1945 veröffentlicht.<br />
Die Stellung der deutschen Minderheit in<br />
der Tschechoslowakei wurde durch eine<br />
Regierungsanordnung vom 5. Mai 1945 und<br />
das Dekret des Präsidenten der Republik<br />
Nr. 5 Sb. vom 19. Mai 1945 geregelt, durch<br />
welche die Deutschen für staatlich<br />
unzuverlässige Einwohner erklärt wurden.<br />
Daraus ergab sich eine Reihe von weiteren<br />
Maßnahmen, die deutlich in die Stellung der<br />
Deutschen innerhalb der Gesellschaft sowie<br />
in ihr Alltagsleben eingriffen. Sie mussten<br />
ein sichtbares Kennzeichen tragen, in der<br />
Regel war es eine weiße Armbinde mit dem<br />
Buchstaben N (der Anfangsbuchstabe des<br />
Wortes „Němci“ = Deutsche). Auf diese