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Die Zwangsaussiedlung und ihre rechtlichen<br />

Aspekte<br />

von Freiwilligen, vor allem Partisanen,<br />

Widerstandskämpfern, Saboteuren u.ä., die<br />

normalerweise strafbar waren wie z.B. die<br />

Zerstörung von Brücken, Lagerräumen,<br />

Fabriken, aber auch Sabotageakte in der<br />

Produktion u.ä. Da der Beweggrund dieser<br />

Taten – der Kampf für das Vaterland – edel<br />

war, begründete er ihre Straflosigkeit.<br />

Die zweite Bedingung betraf die gerechte<br />

Vergeltung. Diese Bestimmung ergänzte das<br />

Verfassungsdekret Nr. 137/1945 Sb.<br />

vom 27. Oktober 1945, durch welches die<br />

Sicherungsverwahrung von als nicht<br />

staatszuverlässig geltenden Personen oder<br />

ihre vorläufige Festnahme über die laut<br />

Gesetz zugelassene Dauer für rechtmäßig<br />

erklärt wurde. Diese Bestimmung reagierte<br />

auf die Tatsache, dass in der Revolutionszeit<br />

Verhaftungen von Personen vorgenommen<br />

wurden, die dazu nach den geltenden<br />

Vorschriften nicht berechtigt gewesen waren<br />

(z.B. Mitglieder der örtlichen<br />

Nationalausschüsse oder andere Vertreter<br />

der Behörden oder staatlichen Organe) oder<br />

dass die sog. polizeiliche Haft länger, als es<br />

das Gesetz erlaubte, dauerte, und auch in<br />

Fällen gebilligt wurde, in denen es dafür<br />

keine legale Handhabe gab. Diese Fälle<br />

standen bis zu dieser Zeit im Widerspruch<br />

zur gültigen Rechtsordnung. Das<br />

Verfassungsdekret Nr. 137/1945 Sb. löste<br />

diesen Widerspruch dadurch, dass es diese<br />

Fälle für rechtmäßig erklärte, insofern es zu<br />

ihnen vor dem Inkrafttreten dieses Dekrets<br />

gekommen war. Die Folge dieser Regelung<br />

war, dass solcherart verhaftete Personen<br />

keinen Anspruch auf Schadenersatz hatten.<br />

Alle weiteren Fälle, in denen die<br />

ehemalige Rechtsordnung bei der<br />

Vollstreckung der Retribution verletzt<br />

worden war, waren laut Gesetz Nr. 115/1946<br />

Sb. straflos. Das galt allerdings nur unter der<br />

Bedingung, dass der Beweggrund für die Tat<br />

„gerechte Vergeltung“ war, also ein sog. edler<br />

Beweggrund. Wurde die Tat aus einem<br />

unmoralischen oder verwerflichen<br />

Beweggrund verübt (z.B. Versuche, mit<br />

jemandem privat abzurechnen, Rachsucht,<br />

Habgier u.ä.), konnte nicht von gerechter<br />

Vergeltung gesprochen werden.<br />

Das Gesetz wollte nicht diejenigen Taten<br />

für straflos erklären, deren Beweggründe<br />

niedrig, ehrlos und unmoralisch waren.<br />

Deshalb wurden nur zwei Beweggründe<br />

267<br />

Kapitel VII<br />

nebeneinander als vergleichbar genannt. Das<br />

Gesetz Nr. 115/1946 Sb. stellte dem in Hitlers<br />

Amnestie-Erlass vorhandenenen Beweggrund<br />

der Rechtmäßigkeit und Straflosigkeit,<br />

welcher die Aggression gegen die<br />

Tschechoslowakei rechtfertigte, einen anderen<br />

Beweggrund gegenüber – den der gerechten<br />

Vergeltung für die vom Aggressor verübten<br />

Verbrechen. Die Vergeltung musste gerecht<br />

sein und durfte nicht auf niederen und<br />

ehrlosen Beweggründen basieren. Die<br />

Ausnahmestellung dieser Bestimmung schloss<br />

zugleich deren extensive Auslegung aus.<br />

Die Anwendung des Gesetzes<br />

Über die damalige Anwendung des Gesetzes<br />

lässt sich in Protokollen des Parlaments,<br />

veröffentlichten Gerichtsurteilen sowie in<br />

der Tagespresse lesen. Diese Berichte zeigen,<br />

inwieweit es gelungen war, die Absicht des<br />

Gesetzgebers und die intendierten Limits<br />

einzuhalten.<br />

Justizminister Prokop Drtina<br />

kommentierte das Gesetz im Zusamenhang<br />

mit der Retribution ausführlich bei seinen<br />

Auftritten im Parlament. Die Fälle, die er<br />

anführte, zeugen von rechtlichen, aber auch<br />

menschlichen Schwierigkeiten bei der<br />

Anwendung.<br />

Das Gesetz wurde beispielsweise auf den<br />

Fall von Radomír Luža angewendet, der im<br />

Jahr 1944 an der Spitze einer<br />

Partisanengruppe in die Gendarmenstation<br />

in Přibyslav eingedrungen war, um den Tod<br />

seines Vaters, General Luža, und dessen<br />

Adjutanten zu rächen. Vier Gendarmen<br />

waren erschossen, ein Gendarm war schwer<br />

verletzt worden. Unter den Erschossenen<br />

hatte sich auch ein Gendarm befunden, der<br />

am Tod von General Luža nicht beteiligt<br />

gewesen und nur aus dem Grund getötet<br />

worden war, damit er keine deutsche<br />

Verstärkung gegen die Rachevollstrecker<br />

herbeirufen konnte. Die Strafverfolgung von<br />

Radomír Luža und seinem Mitkämpfer<br />

wurde unter Berücksichtigung des Gesetzes<br />

Nr. 115/1946 Sb. eingestellt. Dem<br />

gegenüber versprach Prokop Drtina im<br />

Parlament, dass die als „Gestapismus“<br />

bezeichneten Handlungen verfolgt werden.<br />

Zu solchen Handlungen zählte z.B. das<br />

Massaker im Internierungslager in Kolín, zu<br />

dem es am 22. August 1945 kam. Dabei<br />

wurden zwei Personen nach

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