Bibliotheca Kamtschatica Kulturstiftung Sibirien - Siberian-studies.org
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ANHANG II<br />
Über die Koräken und die ihnen sehr nahe verwandten Tschuktschen<br />
C[arl] von Ditmar<br />
Anmerkung des Bandherausgebers:<br />
Dieser Aufsatz von Karl von Ditmar erschien zwei Mal: 1) im Bulletin de la classe historico-philologique<br />
de l’Académie Impériale des Sciences de St. Pétersbourg, tom. 13, 1856, Spalten 99–110 und<br />
113–136, sowie 2) in Mélanges russes tirés du Bulletin historico-philologique, tom. III, 1856, S. 1–48.<br />
Die Seitenangaben richten sich nach der zweiten Ausgabe. Im Titel sind entsprechend der Vorlage<br />
die Schreibung der Vorlage Koräken anstelle Korjaken und des Vornamens Carl beibehalten.<br />
[1] Es war mir vergönnt, im Sommer 1853 auf einer Reise, welche ich in Dienstangelegenheiten<br />
nach Ishiga (oder Gishiginsk) und in den Norden Kam tschatkas machen<br />
musste, vielseitig mit den dortigen Rentiernomaden zusammenzutreffen und diese<br />
braven Völker näher kennenzulernen. Insbesondere aber war es das zutrauliche<br />
Wesen der Korjaken, welches mir manchen Blick in ihren Charakter und in ihre<br />
Lebensart zu machen Gelegenheit bot. Auch war ich im Stande, durch die Kaufleute<br />
und Kosaken, welche durch viel jährigen Handel mit den Korjaken, Tschuktschen<br />
und Lamuten tief eingeweiht sind in die Sprachen, Sitten und Gewohnheiten dieser<br />
Völker, manche sehr wichtige Vervollständigung zu meinen eigenen Beobachtungen<br />
zu erhalten. Durch diese angeführten Umstände haben sich nun in meinen Tagebüchern<br />
manche Notizen über die Korjaken und die ihnen sehr verwandten Tschuktschen<br />
angesammelt, welche ich jetzt zu einem Ganzen abzurunden versuchen will.<br />
Schneidet man durch eine Linie von Ishiga nach Nishne-Kolymsk den nordöstlichsten<br />
Teil <strong>Sibirien</strong>s ab, so hat man ungefähr den großen Tummelplatz begrenzt,<br />
auf welchem die korja kisch-tschuktschischen Völker mit ihren Rentier herden [2]<br />
umherziehen. Auf Kam tschatka wäre die Südgrenze wohl der 57°, höchstens der 56°<br />
nörd licher Breite. Die übrigen Grenzen bildet das Meer. Zwischen den beiden verwandten<br />
Völker schaften aber, innerhalb des bezeichneten Gebiets, möchten wohl<br />
zwei Hauptgrenzen anzunehmen sein: die Nordgrenze für die Züge der Korjaken ist<br />
der Anadyr, und die Südgrenze für die Streifereien der Tschuktschen eine Linie etwas<br />
nördlich vom Kap Olutora zu den Quellen des Flusses Penshina. Beide Grenzen<br />
schließen unabsehbare waldlose Moosfelder ein (Парапольский дол), ein wertvoller<br />
Besitz für den Nomaden des Nordens, um den noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts<br />
blutige Kämpfe nicht selten waren. Heute sind die Moosfelder ein Gemeingut<br />
geworden, ja, Korjaken sowohl als Tschuktschen sehen geduldig zu, wie jährlich<br />
Scharen von Lamuten von den Ufern des Ochotsker Meeres hierher ziehen, um die<br />
eigenen Herden zu weiden und um auf die zahllosen wilden Rentiere Jagd zu machen.<br />
Bei alledem tritt aber noch sehr deutlich der Respekt hervor, den die übrigen Völker<br />
von Alters her vor den Tschuktschen haben; denn diese bleiben doch die eigentlichen<br />
Herren der Moosfelder – wenigstens der Gegenden, welche noch im Flussgebiete des