Bibliotheca Kamtschatica Kulturstiftung Sibirien - Siberian-studies.org
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leicht schartig werden und brechen, sondern sich auch schwieriger anschärfen lassen<br />
als die Messer und Lanzenspitzen der Korjaken.<br />
Am 19. November fuhren wir wieder weiter. Wir hatten jetzt das unangenehmste<br />
Stück Weges vor uns, da wir bis zum Paren gegen 123 Werst längs der Meeresküste zu<br />
machen hatten. Bei gutem Wetter hat das nichts auf sich, aber bei Schneesturm kann<br />
es sehr gefährlich werden, weil die Küste ganz flach ist, so dass man Land und Meeresboden<br />
zur Zeit der Ebbe nicht gut unterscheiden kann. Tritt das Wasser zurück,<br />
so bleibt der Meerboden mit einer breiartigen Schicht, halb Schnee, halb Wasser, bedeckt<br />
zurück, so dass man bei hellem Wetter und ruhiger Witterung sehr wohl das<br />
Richtige findet. Beim Schneesturm aber wird Land und Meerboden gleichmäßig mit<br />
frischem Schnee bedeckt, und gerät man bei der Gelegenheit vom Wege ab, so kann<br />
man von der Flut erreicht werden, wo dann auch für die raschesten Hunde keine<br />
Rettung mehr möglich ist. Am ersten Tage machten wir nur 20 Werst und hielten<br />
in Minkina an, einer aus 6 Wohnungen bestehenden Korjaken-Niederlassung. Den<br />
20. nächtigten wir in Kuel nach 58 Werst Fahrt, wo einer der geschicktesten Schmiede<br />
wohnt, aber zugleich ein so entsetzlicher Säufer, dass er allen seinen Gewinnst<br />
durch die Kehle fließen lässt. Dieser Mann verkauft [287] seine Waren nur zur Zeit<br />
des Durchzuges der Narten nach Gishiginsk und zurück, weil er dann an Zahlungsstatt<br />
Branntwein erhalten kann. Für einen anderen Preis ist bei ihm nichts zu kaufen.<br />
Ich hatte keine Lust selbst ein Beispiel des Branntweinhandels zu geben und konnte<br />
daher auch anfangs nichts von ihm erhalten: er erklärte einfach, er habe nichts fertig,<br />
habe auch kein Eisen; kurz es war mit ihm nichts anzufangen. Endlich aber gelang<br />
es mir doch für sehr viel Tabak seiner Erzeugnisse teilhaftig zu werden, da er zu dem<br />
sehr richtigen Schlüsse kam, dass er für Tabak jederzeit Branntwein einhandeln könne.<br />
So kaufte ich denn einige schöne Messer und Lanzenspitzen für meine Tschuktschen-Freunde.<br />
Den 21. November setzten wir unsere Reise fort und hielten zuerst<br />
am Paren, der letzten Korjaken-Ansiedelung an der Mündung des gleichnamigen<br />
Flusses, nach 45 Werst Fahrt, um unseren Hunden Rast zu geben, und fuhren dann<br />
noch gegen 28 Werst bis zum Flüsschen Prodolnaja-Ossinofka, einem Nebenfluss<br />
des Paren, wo wir Narten fanden, die aus Gishiginsk zum Anadyr fuhren. Dieselben<br />
nächtigten daselbst unter freiem Himmel in einem gut bestandenen Espenwäldchen.<br />
Wir hatten die Absicht dasselbe zu tun, da aber das Barometer fiel und es stark zu<br />
blasen anfing, so hielt ich es für besser die Nacht durchzufahren, um möglichst rasch<br />
nach Gishiginsk zu kommen. Ich erkundigte mich bei meinen Leuten, ob sie meinten,<br />
dass die Hunde das aushalten würden. Die Meinungen waren geteilt, endlich<br />
entschlossen sich außer mir noch drei Narten zu fahren, während der Geistliche und<br />
die anderen es vorzogen, daselbst zu nächtigen. Es war im Ganzen eine sehr ungemütliche<br />
Fahrt: der Weg führte freilich nicht in der Nähe des Meeresufers, das hätten<br />
wir in der Nacht nicht wagen können, wohl aber über die ganz flache Halbinsel [288]<br />
Taigonos, die den Meerbusen von Penshinsk von dem von Gishiginsk trennt. Da ist<br />
kein Hügel und kein Strauch zu sehen, nach dem man sich richten könnte, und wir