Bibliotheca Kamtschatica Kulturstiftung Sibirien - Siberian-studies.org
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leisten sollten. Es wurden daher fortwährend Verstärkungen verlangt, die man nicht oder doch<br />
nur sehr schwer gewähren konnte, weil damals noch sehr wenig Russen in <strong>Sibirien</strong> waren. Der<br />
Unterhalt der Besatzung ferner lag wie ein schwerer Alp auf den Schultern der Oberverwaltung,<br />
er griff das ganze jakutskische Gebiet in unerhörter Weise an und konnte doch niemals genügend<br />
geleistet werden, so dass das Kommando nie das bekam, was es bekommen sollte, sondern in guten<br />
Jahren nur kleine Teile desselben, in schlechten Jahren aber nichts erhielt und doch seinen<br />
schweren Dienst leisten musste. Wenn das Kommando vollzählig war, so musste es aus vierhundert<br />
Mann und einigen Offizieren und Beamten bestehen, war also wohl im Ganzen 420 Köpfe stark;<br />
nach der allergeringsten Rechnung hatte der Mann im Jahr an Mehl und Grütze zwölf Pud (à 40<br />
Pfund) zu erhalten, ungefähr die Hälfte dessen, was sonst einem Soldaten zukam, das macht 4 920<br />
Pud für die Besatzung an Lebensmitteln, wozu noch Salz, Pulver, Blei und sonstiges Material an<br />
Kleidung, Munition u. s. w. zu rechnen war, so dass das geringste Quantum von Lasten, die im Jahre<br />
an den Anadyr zu stellen waren, nach in Jakutsk angestellter Berechnung, 5 400 Pud ausmachte: –<br />
ein furchtbar schweres Servitut für ein schwach bevölkertes Land, dessen Bewohner das Gepäck<br />
auf mehrere Tausend Werst langem Wege durch absolut menschenleere Strecken zu stellen hatten.<br />
Es ist kein Jahr zu verzeichnen, in welchem es gelungen wäre, alles wirklich an Ort und Stelle zu<br />
schaffen, und wie schwer diese Last für das jakutskische Gebiet war, kann man aus den verschiedenen<br />
[677] und mitunter sehr abenteuerlichen Vorschlägen schließen, die gemacht wurden, um<br />
dieselbe zu erleichtern. Überflüssige Weichherzigkeit und Bes<strong>org</strong>theit um das Wohl der indigenen<br />
Stämme kann man der Verwaltung von Jakutsk durchaus nicht vorwerfen; wenn sie unablässig an<br />
Auffindung besserer Transportmethoden arbeitete, so liegt das eben daran, dass Jakuten und Tungusen<br />
nicht leisten konnten, was man von ihnen verlangte. Der gewöhnliche Weg ging über den<br />
unteren Aldan, die Chandyga hinauf ins Oimekon-Hochland und an die obere Kolyma. Dann die<br />
Kolyma zu Wasser hinunter bis Nishne-Kolymsk und von dort teils über den Omolon, meistenteils<br />
aber über die beiden Anui zum Anadyr. Das war ein Weg über dreitausend Werst lang und sehr<br />
beschwerlich durch die vielen Flüsse und Moräste, die auf demselben zu überwinden waren. Man<br />
schlug daher den etwas näheren Weg vor über Ochotsk und längs der Küste des Ochotskischen<br />
Meeres bis zur Mündung der Gishiga, von dort aber quer durch das Land an den Anadyr. Das<br />
war aber nicht praktikabel, weil die aufständischen Korjaken die Küste des Ochotskischen Meeres<br />
innehatten. Dann wollte man die Transporte bis Ochotsk zu Lande führen, darauf zu Wasser um<br />
Kam tschatka herum zur Mündung des Anadyr und dann diesen mächtigen Strom hinauf bis zur<br />
Festung, konnte das jedoch auch nicht ausfahren, weil man keine genügend seetüchtigen Schiffe<br />
besaß, um die lange Seefahrt in einem noch wenig bekannten und sehr stürmischen Meere wagen<br />
zu dürfen. Ja man dachte ernstlich daran, den Weg die Lena hinunter zu wählen, dann längs der<br />
Küste bis zur Jana zu fahren und von dort mit Rentier- und Hunde-Narten weiter bis zur Kolyma<br />
und von derselben zum Anadyr zu gehen. Alles das war nicht ausfahrbar, weshalb man zu dem sehr<br />
fraglichen Mittel [678] griff, den Leuten nur wenig Mehl zu schicken, ihnen aber das Fehlende in<br />
barem Gelde zu Jakutsker Preisen auszuzahlen. Diese sonderbare Art, Leute mit Geld zu versehen<br />
anstatt mit Brot, begründete man damit, dass man sagte: die Leute hätten sich des Brotgenusses<br />
entwöhnt, was daraus herv<strong>org</strong>ehe, dass sie Jahre lang kein solches erhalten und doch sich leidlich<br />
wohl befunden hätten. Wenn man ihnen nun Geld schicke, so könnten sie sich Rentierfleisch<br />
und Fische kaufen und wären jedenfalls besser daran, als wenn sie kein Mehl und auch kein Geld<br />
bekämen, wie das bisher der Fall gewesen sei. Das tat man denn auch, zugleich erhielt aber der<br />
Oberkommandant von Ochotsk den Befehl, zu berichten, ob es nicht möglich sei, eine Festung<br />
in der Nähe des Meeres zu erbauen, die man zu Schiff von Ochotsk aus vers<strong>org</strong>en könnte, und<br />
die auch im Stande wäre, die Korjaken in Ordnung zu halten, so dass die Festung Anadyrsk mit<br />
denselben nichts mehr zu tun hätte und ihre Kräfte allein gegen die Tschuktschen zu verwenden<br />
vermöge. Dieser Befehl kam, wie ja alles in <strong>Sibirien</strong> immer nur sehr langsam ging, im Jahre 1752<br />
zur Ausführung. In diesem Jahre erhielt der Kosaken-Sergeant Bjeloborodof den Befehl, aus der