Bibliotheca Kamtschatica Kulturstiftung Sibirien - Siberian-studies.org
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(Tscheremscha) und viele andere). An den äußersten Rändern der Wiesen, schon<br />
fern von den Wäldern, wo die ersteren schon häufige Übergänge zur Tundra bilden,<br />
schwindet dieser Pflanzenschmuck mehr und macht dort den Moosen, Vaccinium,<br />
Rubus, Empetrum, Erica, Ledum, Betula nana und Zwergweiden Platz.<br />
Nochmals zu den schönsten und üppigsten Partien der Wiesen und Birkenwälder<br />
zurückkehrend, habe ich noch einiger schöner Pflanzen in diesem Bereich zu<br />
gedenken: Ganz insular im Lande, nur am Westufer der Halbinsel, von dem Ort Ssopotschnaja<br />
(circa 56°) an nach S., erheben sich, bald einzeln, bald in Gruppen, die<br />
Riesenstängel einer der dekorativsten Pflanzen mit fast tropischem Habitus. Kittlitz,<br />
der diese schöne Pflanze mit ihren kolossalen gelappten Blättern und großen Blütendolden<br />
abbildet, nennt sie Angelica sylvestris; es ist der medweshij-korenj der hiesigen<br />
Bewohner 1 . Die Bären sollen diese kolossale Pflanze niederwerfen und an die Stängel<br />
und besonders Wurzeln verwundete Körperteile anlegen, durch den Saft der Angelica<br />
Heilung suchend. Die in jedem Jahr neu aus der Wurzel aufschießenden Stängel<br />
sind hohl, unten bis 5 und 6 Zoll dick, und erreichen eine Höhe, die es einem zu Pferde<br />
sitzenden Manne kaum möglich macht, die am obersten Schaft sitzende, breite<br />
Dolde zu erfassen. Wohl bis 10 Fuß hohe Pflanzen mögen darunter vorkommen. Das<br />
Erscheinen dieser hochdekorativen, baumähnlichen Staudenpflanze mitten in den<br />
blühenden Wiesen ist in hohem Grade überraschend und man fragt sich unwillkürlich:<br />
gehört die Prachtpflanze wirklich nach Kam tschatka? Auf den südlichen Kurilen<br />
[98] (Urup-Iturup) soll sie auch vorkommen und dort schon oft in Gemeinschaft<br />
mit dem Bambusrohr.<br />
Außer dieser nur in ganz begrenzter Ausdehnung am Westufer gedeihenden,<br />
schönen Angelica bergen die Wiesen- und Birkenwaldregionen des Landes und zwar<br />
überall auf der ganzen Halbinsel bis etwa zum 59° noch eine schöne Pflanzengruppe,<br />
die zugleich für die Ökonomie der Bewohner von Wichtigkeit ist. Dieses sind die<br />
Lilien und Fritillarien mit ihren zierlichen Blumen und essbaren Wurzelknollen. Vor<br />
allen anderen ist hier die Fritillaria kamtschatica (Kruglaja Ssarana) zu nennen. Es ist<br />
eine bis 2 Fuß lang werdende Pflanze, die 1 bis 2 Stängel aus der Wurzelknolle treibt,<br />
an deren äußerstem oberen Ende sich 2–3 schöne, große, glockenartige Blumen entwickeln,<br />
von ganz besonders dunkler Purpurfarbe, mit hellgelben Staubfäden. Die<br />
essbare Wurzelknolle besteht aus einem Aggregat zusammenhängender rundlicher<br />
Einzelteile, die ein wie Himbeeren gestaltetes Ganzes bilden. Dann das gelbblühende<br />
Lilium avenaceum (Owssjanka) mit einer einheitlichen, etwas spitzen Wurzelknolle.<br />
Endlich finden sich im Haushalt der Kam tschadalen noch die folgenden Wurzelknollen,<br />
welche alle von lilienartigen Pflanzen stammen sollen, die ich aber selbst<br />
nicht gesehen habe: Mochnoschka, Wostronoschka und Odnolistka (Awunik). Alle<br />
diese Knollen werden in dem Bau der Sammelmäuse gefunden und diesen entnommen,<br />
wo sie in größter Ordnung und Reinlichkeit, nach Arten geordnet, von den<br />
1 Es ist Angelophyllum ursinum Rupr. das auf Sachalin häufig ist. F. S. [Anmerkung von Fr.<br />
Schmidt, dem Herausgeber der Ausgabe von 1900]