02.11.2013 Aufrufe

Bibliotheca Kamtschatica Kulturstiftung Sibirien - Siberian-studies.org

Bibliotheca Kamtschatica Kulturstiftung Sibirien - Siberian-studies.org

Bibliotheca Kamtschatica Kulturstiftung Sibirien - Siberian-studies.org

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

64<br />

fleißigen Tieren aufgestapelt werden. Der Bau der Mäuse enthält nur Wurzelknollen<br />

lilienartiger Gewächse, zu denen nur eine andere Pflanzenart hinzukommt, nämlich<br />

kleine Wurzel- und Stängelteile des bitter und aromatisch schmeckenden Polygonum<br />

bistorta.<br />

Endlich wäre noch eine Pflanze aus diesem Bereich der [99] Wiesen und Birkenwälder<br />

anzuführen, welche eine Rolle im Leben der hiesigen Völker spielt. Es ist<br />

der Fliegenpilz, Amanita muscaria, der hier oft genannte Muchamor der Bewohner.<br />

Leuchtend rot mit seinen vielen großen, weißen Punkten ist dieser Pilz nicht selten<br />

und schon von Weitem im saftigen Grün etwas schattiger und feuchter Örtlichkeiten<br />

erkennbar. Obgleich die Kam tschadalen selbst ihn kaum gebrauchen, so sammeln<br />

sie ihn doch gern, um ihn im getrockneten Zustande den Korjaken und Tschuktschen<br />

zuzuführen, von denen er gern erhandelt wird. Im Norden scheint dieser dort<br />

sehr beliebte Pilz gar nicht oder doch als größte Seltenheit vorzukommen, dafür aber<br />

ist die berauschende, nervenerregende Wirkung des Muchamor weit und breit bei<br />

den Nordvölkern bekannt und sehr beliebt. Korjaken sowohl als auch Tschuktschen<br />

tragen gern ein kleines Döschen aus Betula nana bei sich, in welchem sie in kleine<br />

Stückchen zerschlagenen, getrockneten Fliegenpilz bei sich führen, um das beliebte<br />

Berauschungsmittel immer zur Hand zu haben. Eine zweite solche Dose enthält<br />

Tabak, der von ihnen in dreifacher Art genossen, und zwar geraucht, gekaut und<br />

geschnupft wird. Der Muchamor dagegen wird nur gekaut und dann der Saft verschluckt.<br />

Bei allen Festlichkeiten, besonders bei den Schamanen, spielt der Pilz eine<br />

wichtige Rolle, aber auch sonst wird er sehr häufig gebraucht von allen denen, die<br />

sich diesem Genuss ergeben haben und nun nicht mehr davon lassen können, ganz<br />

ähnlich wie es dem Trinker mit dem Alkohol und dem Opium Genießenden mit dem<br />

Opium ergeht. Wer sich diesem Genüsse hingegeben hat, ist bald ein Knecht desselben<br />

und wird alles hingeben, um sich diesen Rausch wieder zu verschaffen.<br />

Die Muchamor-Freunde schildern die Narkose als das Schönste und Herrlichste.<br />

Die schönsten Bilder, die man im [100] Leben sonst nie sieht, ziehen an ihnen vorüber<br />

und wiegen sie in einen Zustand höchster Genüsse. Von den häufigen Fällen, in denen<br />

ich selbst so Berauschte gesehen habe, ist mir kein Fall erinnerlich, wo ich tobende<br />

oder wild gewordene Personen vor mir hatte. Immer war die Wirkung äußerlich eine<br />

durchaus beruhigende, ich möchte fast sagen gemütliche. Meist sitzen sie lächelnd<br />

und freundlich da, leise Worte vor sich murmelnd, alle Bewegungen sind langsam<br />

und bedächtig. Das Gehen scheint ihnen unbequem, obgleich sehr wohl möglich.<br />

Das Auge ist gläsern, fast blödsinnig aussehend, als ob die Person die Umgebung<br />

kaum bemerkt, und die Gesichtszüge sind etwas verzerrt. Allgemein wird von den<br />

Leuten behauptet, dass das Pilzgift eine erhöhte und schönere Wirkung erhält, wenn<br />

es bereits durch einen anderen Organismus seinen Weg gefunden hat. So werden die<br />

Berauschten gern verfolgt, um ihren Urin aufzufangen, der diese Wirkung in besonders<br />

hohem Grade haben soll. Ebenso soll das Fleisch von Rentieren, die zufällig von<br />

dem Pilz gefressen, die berauschende Wirkung in sehr angenehmer Form erhalten.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!