06.01.2014 Aufrufe

Arbeitsunterlagen zum Sommerlehrgang 2009 - Deutsche ...

Arbeitsunterlagen zum Sommerlehrgang 2009 - Deutsche ...

Arbeitsunterlagen zum Sommerlehrgang 2009 - Deutsche ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Nebenklä-gers an den ersten Vorfall nicht mehr so gut seien wie an die zweite Tat. Denn die Feststellungen zu den<br />

gleichförmig verlaufenden Taten belegen ein unterschiedliches Erinnerungsvermögen nicht. Offen bleibt auch, worauf<br />

sich die Feststellung gründet, der Angeklagte sei beim zweiten Vorfall <strong>zum</strong> Sa-menerguss gelangt. Denn es wird<br />

nicht mitgeteilt, ob der Nebenkläger hierzu Wahrnehmungen gemacht hat oder ob dies einen Rückschluss aus dem –<br />

vom Nebenkläger erst bei der Sachverständigen mitgeteilten – Umstand darstellt, ihm sei daheim „etwas Weißes aus<br />

dem Po“ herausgekommen.<br />

b) Vor allem aber lässt die unzureichende Erörterung der Entwicklung der Aussage des Nebenklägers besorgen, das<br />

Landgericht habe für die Wür-digung der Glaubhaftigkeit bedeutsame Umstände nicht bedacht. Angesichts der Auffälligkeiten<br />

im Aussageverhalten hätte sich aber eine sorgfältige Wür-digung der Aussagegenese aufgedrängt.<br />

aa) So ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht, wann der Nebenklä-ger den Angeklagten erstmals einer weiteren Tat<br />

– der festgestellten ersten Tat – bezichtigt hat. Die Darstellung der Offenbarung gegenüber seiner Mut-ter enthält<br />

eine solche Anschuldigung nicht. Die Feststellung, er habe bei den „Anhörungen“ von zwei Taten gesprochen, vermag<br />

diese Erörterung nicht zu ersetzen. Denn insbesondere wegen der auch von der Sachverständigen hervorgehobenen<br />

möglichen suggestiven Einflüsse hätte es für die Beurtei-lung der Erlebnisfundiertheit der Aussagen von Bedeutung<br />

sein können, wann der Nebenkläger die weitergehende Anschuldigung erhoben und in welchen zeitlichen<br />

Zusammenhang er sie zu dem Vorkommnis im Februar gestellt hat. Weiterhin hätte sich die Erörterung aufgedrängt,<br />

ob er diese Tat von sich aus in Verbindung mit den von seiner Tante beobachteten körperli-chen Auffälligkeiten<br />

gebracht hat oder etwa die Tante später diese Verknüp-fung hergestellt hat und sich nur deswegen die erste Tatzeit<br />

feststellen ließ.<br />

bb) Aber auch hinsichtlich der zweiten Tat sind die Feststellungen zur Aussagegenese unvollständig. Den Urteilsgründen<br />

lässt sich hierzu nur ent-nehmen, der Nebenkläger habe seiner Mutter auf deren eindringlichen Vor-halt,<br />

verbunden mit der Drohung, er bekomme „davon … Krebs“, erklärt, der Angeklagte habe ihm „das nämlich angetan“.<br />

Inwieweit das Kind die Vorwür-fe dann von sich aus konkret berichtete oder ob dies auf entsprechende Fra-gen<br />

der Mutter geschah, bleibt offen. Auch wird nicht mitgeteilt, wie sich der Geschädigte bei seiner Offenbarung zur<br />

früheren Bezichtigung der Mitschü-ler und <strong>zum</strong> Grund für eine mögliche Falschbelastung derselben verhalten hat.<br />

Die Feststellung dieses Aussageverhaltens wäre aber angesichts der Beweissituation erforderlich gewesen. Die Strafkammer<br />

erkennt zwar, dass eine suggestive Beeinflussung vorgelegen haben könnte, schließt dies aber unter Hinweis<br />

auf die zeugenschaftlichen Angaben der Mutter aus, sie habe nichts in den Geschädigten „hineingefragt“. Damit<br />

genügt das Landgericht seiner im Ansatz zutreffend erkannten Erörterungspflicht nicht. Denn es übernimmt nur eine<br />

Wertung der Zeugin, ohne diese anhand einer Rekon-struktion der Befragungssituation nachvollziehbar zu belegen.<br />

Dieser Ge-sichtspunkt hätte auch deswegen in den Blick genommen werden müssen, weil die Schilderung der Mutter,<br />

sie sei bei diesem Gespräch weiterhin von einem Übergriff durch Mitschüler ausgegangen und habe nicht daran<br />

ge-dacht, dass ihr Sohn „Opfer einer Missbrauchshandlung“ geworden sein könnte, in einem gewissen – möglicherweise<br />

aufklärbaren, jedenfalls aber erörterungsbedürftigen – Spannungsverhältnis zu der Feststellung steht, die am<br />

Tag zuvor konsultierte Ärztin habe bereits Zweifel an einer Verursachung der Verletzungen durch Mitschüler geäußert.<br />

cc) Zudem hätte die erstmals gegenüber der Sachverständigen erfolg-te Erweiterung der Aussage hinsichtlich des<br />

weißen Ausflusses sorgfältiger in den Blick genommen werden müssen. Denn diese ist für die Tatbegehung durch<br />

einen geschlechtsreifen Täter von erheblicher Bedeutung. Das Land-gericht teilt hierzu mit, dass die Erweiterung<br />

durch die kindgerechtere Befra-gung erklärt werden könne, lässt aber offen, ob dahingehende Fragen von der Sachverständigen<br />

überhaupt gestellt worden sind oder der Nebenkläger dies von sich aus berichtete und in welchen Kontext<br />

er es einstellte, ob er es etwa auch seiner Mutter berichtet habe oder diese gar dabei gewesen sei. Dadurch bleibt<br />

auch unerörtert, warum dieser körperliche Umstand bei der Konsultation der Ärztin nicht erwähnt wurde. Die Stellungnahme<br />

der für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung hinzugezogenen Sachverständigen zu dieser Aussageerweiterung<br />

wird nicht mitgeteilt.<br />

c) Schließlich lassen die Urteilsgründe eine ausreichende Erörterung der Möglichkeit der Verursachung der Verletzung<br />

durch Mitschüler vermis-sen. Dies wäre erforderlich gewesen, da sich die festgestellten rein äußerli-chen Verletzungen<br />

auch durch die vom Nebenkläger zunächst gegenüber Mutter, Lehrerin und Ärztin behauptete Variante der<br />

Drangsalierung durch Mitschüler erklären lassen, <strong>zum</strong>al dies eine gewisse Bestätigung in der Fest-stellung sexualisierter<br />

Übergriffe innerhalb der Schulklasse des Nebenklä-gers gefunden hat. Das Landgericht, welches – freilich<br />

nicht tatsachenfun-diert – nur einen Übergriff durch Mitschüler unterhalb der Kleidung aus-schließt, lässt diese Verursachungsvariante<br />

unerörtert, den Urteilsgründen lässt sich auch kein tragfähiger Grund für einen Ausschluss entnehmen.<br />

340

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!