Arbeitsunterlagen zum Sommerlehrgang 2009 - Deutsche ...
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Nebenklä-gers an den ersten Vorfall nicht mehr so gut seien wie an die zweite Tat. Denn die Feststellungen zu den<br />
gleichförmig verlaufenden Taten belegen ein unterschiedliches Erinnerungsvermögen nicht. Offen bleibt auch, worauf<br />
sich die Feststellung gründet, der Angeklagte sei beim zweiten Vorfall <strong>zum</strong> Sa-menerguss gelangt. Denn es wird<br />
nicht mitgeteilt, ob der Nebenkläger hierzu Wahrnehmungen gemacht hat oder ob dies einen Rückschluss aus dem –<br />
vom Nebenkläger erst bei der Sachverständigen mitgeteilten – Umstand darstellt, ihm sei daheim „etwas Weißes aus<br />
dem Po“ herausgekommen.<br />
b) Vor allem aber lässt die unzureichende Erörterung der Entwicklung der Aussage des Nebenklägers besorgen, das<br />
Landgericht habe für die Wür-digung der Glaubhaftigkeit bedeutsame Umstände nicht bedacht. Angesichts der Auffälligkeiten<br />
im Aussageverhalten hätte sich aber eine sorgfältige Wür-digung der Aussagegenese aufgedrängt.<br />
aa) So ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht, wann der Nebenklä-ger den Angeklagten erstmals einer weiteren Tat<br />
– der festgestellten ersten Tat – bezichtigt hat. Die Darstellung der Offenbarung gegenüber seiner Mut-ter enthält<br />
eine solche Anschuldigung nicht. Die Feststellung, er habe bei den „Anhörungen“ von zwei Taten gesprochen, vermag<br />
diese Erörterung nicht zu ersetzen. Denn insbesondere wegen der auch von der Sachverständigen hervorgehobenen<br />
möglichen suggestiven Einflüsse hätte es für die Beurtei-lung der Erlebnisfundiertheit der Aussagen von Bedeutung<br />
sein können, wann der Nebenkläger die weitergehende Anschuldigung erhoben und in welchen zeitlichen<br />
Zusammenhang er sie zu dem Vorkommnis im Februar gestellt hat. Weiterhin hätte sich die Erörterung aufgedrängt,<br />
ob er diese Tat von sich aus in Verbindung mit den von seiner Tante beobachteten körperli-chen Auffälligkeiten<br />
gebracht hat oder etwa die Tante später diese Verknüp-fung hergestellt hat und sich nur deswegen die erste Tatzeit<br />
feststellen ließ.<br />
bb) Aber auch hinsichtlich der zweiten Tat sind die Feststellungen zur Aussagegenese unvollständig. Den Urteilsgründen<br />
lässt sich hierzu nur ent-nehmen, der Nebenkläger habe seiner Mutter auf deren eindringlichen Vor-halt,<br />
verbunden mit der Drohung, er bekomme „davon … Krebs“, erklärt, der Angeklagte habe ihm „das nämlich angetan“.<br />
Inwieweit das Kind die Vorwür-fe dann von sich aus konkret berichtete oder ob dies auf entsprechende Fra-gen<br />
der Mutter geschah, bleibt offen. Auch wird nicht mitgeteilt, wie sich der Geschädigte bei seiner Offenbarung zur<br />
früheren Bezichtigung der Mitschü-ler und <strong>zum</strong> Grund für eine mögliche Falschbelastung derselben verhalten hat.<br />
Die Feststellung dieses Aussageverhaltens wäre aber angesichts der Beweissituation erforderlich gewesen. Die Strafkammer<br />
erkennt zwar, dass eine suggestive Beeinflussung vorgelegen haben könnte, schließt dies aber unter Hinweis<br />
auf die zeugenschaftlichen Angaben der Mutter aus, sie habe nichts in den Geschädigten „hineingefragt“. Damit<br />
genügt das Landgericht seiner im Ansatz zutreffend erkannten Erörterungspflicht nicht. Denn es übernimmt nur eine<br />
Wertung der Zeugin, ohne diese anhand einer Rekon-struktion der Befragungssituation nachvollziehbar zu belegen.<br />
Dieser Ge-sichtspunkt hätte auch deswegen in den Blick genommen werden müssen, weil die Schilderung der Mutter,<br />
sie sei bei diesem Gespräch weiterhin von einem Übergriff durch Mitschüler ausgegangen und habe nicht daran<br />
ge-dacht, dass ihr Sohn „Opfer einer Missbrauchshandlung“ geworden sein könnte, in einem gewissen – möglicherweise<br />
aufklärbaren, jedenfalls aber erörterungsbedürftigen – Spannungsverhältnis zu der Feststellung steht, die am<br />
Tag zuvor konsultierte Ärztin habe bereits Zweifel an einer Verursachung der Verletzungen durch Mitschüler geäußert.<br />
cc) Zudem hätte die erstmals gegenüber der Sachverständigen erfolg-te Erweiterung der Aussage hinsichtlich des<br />
weißen Ausflusses sorgfältiger in den Blick genommen werden müssen. Denn diese ist für die Tatbegehung durch<br />
einen geschlechtsreifen Täter von erheblicher Bedeutung. Das Land-gericht teilt hierzu mit, dass die Erweiterung<br />
durch die kindgerechtere Befra-gung erklärt werden könne, lässt aber offen, ob dahingehende Fragen von der Sachverständigen<br />
überhaupt gestellt worden sind oder der Nebenkläger dies von sich aus berichtete und in welchen Kontext<br />
er es einstellte, ob er es etwa auch seiner Mutter berichtet habe oder diese gar dabei gewesen sei. Dadurch bleibt<br />
auch unerörtert, warum dieser körperliche Umstand bei der Konsultation der Ärztin nicht erwähnt wurde. Die Stellungnahme<br />
der für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung hinzugezogenen Sachverständigen zu dieser Aussageerweiterung<br />
wird nicht mitgeteilt.<br />
c) Schließlich lassen die Urteilsgründe eine ausreichende Erörterung der Möglichkeit der Verursachung der Verletzung<br />
durch Mitschüler vermis-sen. Dies wäre erforderlich gewesen, da sich die festgestellten rein äußerli-chen Verletzungen<br />
auch durch die vom Nebenkläger zunächst gegenüber Mutter, Lehrerin und Ärztin behauptete Variante der<br />
Drangsalierung durch Mitschüler erklären lassen, <strong>zum</strong>al dies eine gewisse Bestätigung in der Fest-stellung sexualisierter<br />
Übergriffe innerhalb der Schulklasse des Nebenklä-gers gefunden hat. Das Landgericht, welches – freilich<br />
nicht tatsachenfun-diert – nur einen Übergriff durch Mitschüler unterhalb der Kleidung aus-schließt, lässt diese Verursachungsvariante<br />
unerörtert, den Urteilsgründen lässt sich auch kein tragfähiger Grund für einen Ausschluss entnehmen.<br />
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