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Arbeitsunterlagen zum Sommerlehrgang 2009 - Deutsche ...

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sich um einen geschichtlichen Vorgang, der sich von den Anklagevorwürfen, die sich allein auf Taten im Schlafzimmer<br />

der Ne-benklägerin bezogen, deutlich unterscheidet. Die erforderliche Tatidentität im Sinne des § 264 Abs. 1<br />

StPO liegt daher nicht mehr vor.<br />

Da auch eine Nachtragsanklage nicht erhoben wurde, war das Verfahren auf die Revision des Angeklagten, der<br />

Staatsanwaltschaft (§ 301 StPO) und der Nebenklägerin (vgl. Paul in KK § 301 Rdn. 2) in dem genannten Fall gemäß<br />

§ 354 Abs. 1, § 206 a Abs. 1 StPO einzustellen; dies führt wegen des Wegfalls der verhängten Einzelstrafe zur<br />

Aufhebung der Gesamtstrafe.<br />

III. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft hat <strong>zum</strong> Straf-ausspruch Erfolg; im Übrigen zeigt sie keinen<br />

durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf.<br />

1. Soweit sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die allgemeine Sach-rüge gestützten Revision gegen den Freispruch<br />

des Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung in 97 Fällen wendet, ist sie unbegründet.<br />

Wie bei jeder Verurteilung muss der Tatrichter auch bei Serienstraftaten, wie sie in länger andauernden Missbrauchsbeziehungen<br />

vorkommen, von jeder einzelnen individuellen Straftat überzeugt sein (BGHSt 42, 107, 109).<br />

Zur Ver-meidung unvertretbarer Strafbarkeitslücken dürfen aufgrund der Feststellungs-schwierigkeiten solcher oft<br />

gleichförmig verlaufenden Taten über einen langen Zeitraum <strong>zum</strong> Nachteil von Kindern und/oder Schutzbefohlenen,<br />

die in der Re-gel allein als Beweismittel zur Verfügung stehen, zwar keine überzogenen An-forderungen an die Individualisierbarkeit<br />

der einzelnen Taten im Urteil gestellt werden (BGH NStZ 1994, 502). Der Tatrichter muss sich<br />

aber in objektiv nach-vollziehbarer Weise <strong>zum</strong>indest die Überzeugung verschaffen, dass es in einem gewissen Zeitraum<br />

zu einer bestimmten Mindestzahl von Straftaten gekommen ist (BGH StV 2002, 523). Dabei steht nicht in<br />

erster Linie die Ermittlung einer Tatfrequenz, sondern die des konkreten Lebenssachverhalts im Vordergrund; dieser<br />

ist ausgehend vom Beginn der Tatserie mit den unterschiedlichen Details etwa zu Tatausführung und Tatort der einzelnen<br />

Straftaten in dem gegebenen Tatzeitraum - notfalls auch ohne genaue zeitliche Einordnung und lediglich unter<br />

Festlegung einer Mindestzahl der begangenen Delikte nach dem Zweifels-satz - festzustellen und abzuurteilen<br />

(vgl. BGHR StGB vor § 1/Serienstraftaten Kindesmissbrauch 2).<br />

Die entsprechende Überzeugungsbildung ist eine Frage der Beweiswür-digung. Diese obliegt dem Tatrichter. Er hat<br />

sich unter dem umfassenden Ein-druck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten<br />

zu bilden. Das Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung<br />

des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist oder mit den Denkgeset-zen<br />

oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht. Sind derartige Rechtsfehler nicht feststellbar,<br />

hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende<br />

Wür-digung der Beweise möglich gewesen wäre (BGH NStZ-RR 2008, 146, 147; NJW 2005, 2325, 2326).<br />

Nach diesen Grundsätzen zeigt die Revision einen Rechtsfehler, insbe-sondere eine Überspannung der Anforderungen<br />

an die richterliche Überzeu-gungsbildung, nicht auf. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen<br />

ist die vom Landgericht vorgenommene Würdigung, dass es im Schlafzimmer der Nebenklägerin mit Sicherheit<br />

lediglich zu zwei Vergewalti-gungen und zu dem ebenfalls von der Nebenklägerin geschilderten Fall des sexuellen<br />

Missbrauchs zu Beginn der Übergriffe gekommen ist, revisionsrecht-lich nicht zu beanstanden.<br />

Das Landgericht ist sich des Umstandes bewusst gewesen, dass die Aussage der Nebenklägerin, es sei "sehr oft" zu<br />

den Übergriffen gekommen, eine häufigere Tatbegehung nahe legte. Es hat sich - im Einklang mit der zitier-ten<br />

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den notwendigen Feststellun-gen bei Serientaten des sexuellen Missbrauchs<br />

- keine Überzeugung von einer bestimmten größeren Anzahl von Vergewaltigungen zu verschaffen vermocht,<br />

weil insoweit lediglich eine bloße Schätzung ohne gesicherte Tatsachengrund-lage möglich gewesen wäre.<br />

Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Landgericht hat sich <strong>zum</strong> Nachweis der angeklagten Taten nur auf die<br />

Aussage der Nebenklägerin stützen können. Deren Angaben zur Tatfrequenz haben ge-wechselt. Während sie zunächst<br />

ausgesagt hatte, es sei fast jeden Abend dazu gekommen, dass der Angeklagte ihr den Finger in die Scheide<br />

gesteckt habe, ist sie davon später abgerückt und hat erklärt, es sei jedenfalls sehr oft gewe-sen, ohne allerdings eine<br />

Zahl angeben zu können. Auch mit wiederkehrenden Situationen im familiären Zusammenleben hat sie die Taten<br />

nicht zu verknüpfen vermocht. Ebenso wenig hat sie die weiteren von der Strafkammer festgestell-ten Details einer<br />

oder mehreren der festgestellten oder weiteren Taten zuord-nen können. Zu den Tatorten hat sie lediglich angegeben,<br />

dass es in einem Fall auch im Wohnwagen zu einem Übergriff durch den Angeklagten gekommen sei.<br />

Die Überzeugungsbildung der Strafkammer lässt vor diesem Hintergrund keinen Rechtsfehler im dargestellten Sinn<br />

erkennen. Sie ist daher - ungeachtet der Frage, ob auch die Annahme einer größeren Anzahl von Taten möglich gewesen<br />

wäre - vom Revisionsgericht hinzunehmen.<br />

2. Im Strafausspruch kann das angefochtene Urteil jedoch hinsichtlich der verbliebenen Einzelstrafen keinen Bestand<br />

haben. Die Nichtanwendung des Regelstrafrahmens des § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB, die bei Vorliegen gewichtiger<br />

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