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Cicero Die 100 Auf- und Absteiger des Jahres (Vorschau)

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Schwarz-grüne Entlobung:<br />

Adieu mit Hintertür<br />

Wie es eines Abends mit Schwarz-<br />

Grün in Berlin zu Ende ging,<br />

bevor es anfing: Es ist viertel vor elf<br />

beim zweiten Sondierungsgespräch in<br />

der Parlamentarischen Gesellschaft<br />

neben dem Reichstag. Bis hierher ist es<br />

schön gewesen zwischen Schwarzen<br />

<strong>und</strong> Grünen. Vielleicht zu schön.<br />

Grünen-Chef Cem Özdemir bittet<br />

Angela Merkel um eine 20-minütige<br />

Auszeit: „Wir müssen uns beraten.“<br />

Aber es dauert dann fast eindreiviertel<br />

St<strong>und</strong>en, bis die Grünen wiederkommen.<br />

Özdemir blickt ernst. Claudia<br />

Roth hat verquollene Augen, sie<br />

hat ganz offenk<strong>und</strong>ig geweint. Jürgen<br />

Trittin lächelt sein mokant-maliziöses<br />

Lächeln. Winfried Kretschmann<br />

guckt betreten. Er müsse leider mitteilen,<br />

dass es nichts werde, sagt Özdemir.<br />

Es ist der historische Moment, in dem<br />

Schwarz-Grün begraben wird. Stille.<br />

Jürgen Trittin, der Angela Merkel<br />

per Twitter wegen der Quandt-Spende<br />

Käuflichkeit unterstellt hatte, entschuldigt<br />

sich plötzlich: „Sie sind nicht<br />

käuflich“, sagt er. Merkel nimmt alles<br />

ohne erkennbare Regung zur Kenntnis.<br />

Dann sei das hier beendet, sagt<br />

sie. Jetzt habe sie nur noch eine Frage:<br />

„Glauben Sie, dass Ihren Interessen auf<br />

diese Weise mehr gedient ist?“<br />

<strong>Die</strong> Frage trifft ins Schwarze, man<br />

sieht es den Grünen an. Genau darüber<br />

haben sie fast zwei St<strong>und</strong>en in der Auszeit<br />

gestritten. Im Rausgehen sagt Winfried<br />

Kretschmann dann noch: „Und<br />

wenn es mit der SPD nichts wird, dann<br />

können Sie uns ruhig wieder anrufen,<br />

Frau Merkel.“ Alle spüren: Das war<br />

kein Abschied für immer. swn<br />

Männer, die auf Quoten starren:<br />

<strong>Auf</strong>stieg im Hamsterrad<br />

Brüderle, #<strong>Auf</strong>schrei <strong>und</strong> Femen haben<br />

das Land gespalten. Union <strong>und</strong><br />

SPD haben es wieder geeint. Ab 2016<br />

gilt die Frauenquote für <strong>Auf</strong>sichtsräte<br />

börsennotierter Unternehmen. So<br />

steht es im Koalitionsvertrag. Nun aber<br />

hat eine Podiumsdiskussion der Technischen<br />

Universität Berlin erneut den<br />

Zorn der Geschlechtergerechten heraufbeschworen.<br />

Und das, obwohl die<br />

Veranstaltung niemals stattfand.<br />

„Zwischen Gleichberechtigung <strong>und</strong><br />

Gleichmacherei – brauchen wir eine<br />

gesetzliche Frauenquote?“ hieß das<br />

Thema. <strong>Die</strong> Diskutanten: sechs Männer,<br />

keine Frau. Unter den Männern:<br />

Gerhard Amendt, Gründer eines Männerrechtsvereins,<br />

ein Soziologe, der<br />

Frauenhäuser abschaffen will, im Netz<br />

als Homophober <strong>und</strong> Chauvinist beschimpft.<br />

Der Allgemeine Studierendenausschuss<br />

distanzierte sich, im Netz<br />

ergoss sich viel Spott über die Fakultät.<br />

Amendt wurde ausgeladen. Wegen<br />

Sicherheitsbedenken, wie es hieß. „Zensur“,<br />

zeterte der Geschasste <strong>und</strong> beklagte<br />

die „Verletzung meiner Gr<strong>und</strong>rechte“.<br />

Ein zweiter Podiumsteilnehmer,<br />

der Schriftsteller Bernhard Lassahn,<br />

erklärte sich solidarisch. Schließlich<br />

wurde das Podium ganz abgesagt.<br />

Merke: Frauen, die nach oben streben,<br />

sollten nicht auf Quoten-Debatten<br />

der Männer warten, sondern lieber<br />

auf andere Instrumente setzen. Zum<br />

Beispiel auf die „Karriereleiter“, deren<br />

Anschaffung die TU-Hochschulgruppe<br />

der „Partei“ gerade beschlossen hat. Es<br />

handelt sich um ein Hamsterrad. ps<br />

Ex-Vizepräsidenten <strong>des</strong> Parlaments:<br />

Feudal auch ohne Amt<br />

B<strong>und</strong>estags-Vizepräsident muss man<br />

gewesen sein, dann sitzt man auch<br />

im Ruhestand noch feudal in angemessen<br />

repräsentativen Räumen. <strong>Die</strong>se Erfahrung<br />

dürfen jetzt die Ex-Vizepräsidenten<br />

Hermann Otto Solms (FDP),<br />

Eduard Oswald (CSU) <strong>und</strong> Wolfgang<br />

Thierse (SPD) machen. Auch wenn die<br />

Herren gar nicht mehr im B<strong>und</strong>estag<br />

sitzen, stellt ihnen das Parlament zur<br />

Erledigung „nachwirkender <strong>Auf</strong>gaben“<br />

einen Mitarbeiter <strong>und</strong> je zwei Büroräume<br />

zur Verfügung.<br />

Und wo? In einem klassizistischen<br />

Kleinod, dem Schadow-Haus, in der<br />

Nähe <strong>des</strong> B<strong>und</strong>estags gelegen, nur einen<br />

Steinwurf von der Journalisten-<br />

Stammkneipe Café Einstein <strong>und</strong> vom<br />

Italiener Il Punto entfernt. Das Schadow-Haus<br />

war einst ein Geschenk <strong>des</strong><br />

preußischen Königs an Johann Gottfried<br />

Schadow (1764 – 1850), ein Bildhauer<br />

<strong>und</strong> Künstler, dem Berlin die<br />

Quadriga auf dem Brandenburger Tor<br />

verdankt.<br />

Für „Zwecke <strong>des</strong> B<strong>und</strong>estags“ –<br />

genauer: die Kunstkommission <strong>des</strong><br />

Parlaments – ist es jahrelang unter<br />

Beachtung aller Vorschriften <strong>des</strong> Denkmalschutzgesetzes<br />

renoviert <strong>und</strong> im<br />

Juni 2013 eingeweiht worden. Entsprechend<br />

teuer war das Baudenkmal<br />

von „kultureller <strong>und</strong> nationaler Bedeutung“:<br />

16,98 Millionen Euro. Geplant<br />

waren nur elf Millionen. Solms<br />

bringt für den Sitz im herrschaftlichen<br />

Austragsstübchen wenigstens<br />

einen angemessen herrschaftlichen<br />

Namen mit: Er heißt nämlich mit vollem<br />

Namen „Hermann Otto Prinz zu<br />

Solms-Hohensolms-Lich“. tz<br />

11<br />

<strong>Cicero</strong> – 1. 2014

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