Cicero Die 100 Auf- und Absteiger des Jahres (Vorschau)
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SALON<br />
Gespräch<br />
Aber Sie hatten doch versucht, ihn<br />
umzustimmen?<br />
Als Papst Benedikt mir mitteilte, dass<br />
er auf das Amt verzichten wolle, sagte ich<br />
ganz spontan: Heiliger Vater, nein, tun Sie<br />
das nicht! Aber die Entscheidung war gefällt.<br />
Da war nicht mehr daran zu rütteln.<br />
Nichts zu machen, gar nichts.<br />
Der „<strong>Die</strong>ner zweier Herren“ ist bei<br />
Goldoni eine komische Figur. Aber Ihnen<br />
ist vielleicht zum Weinen zumute.<br />
Sie frühstücken mit Benedikt, beten<br />
Rosenkranz mit ihm, essen gemeinsam<br />
am Abend. Dazwischen arbeiten Sie mit<br />
Franziskus. Ist das spirituelle Bigamie?<br />
Ach was! Am Anfang begleiteten<br />
mich gemischte Gefühle. Im Laufe der<br />
Zeit merkte ich, wie gut das Verhältnis<br />
von Papst Franziskus zu seinem Vorgänger<br />
ist <strong>und</strong> dass ich zwischen beiden als<br />
Mittelsmann wirken kann <strong>und</strong> nicht als<br />
jemand, der stört, weil er an das Vergangene<br />
erinnert. <strong>Die</strong>se Erfahrung war mir<br />
eine große emotionale Hilfe. Natürlich<br />
musste ich mich auch erst in die neue Situation<br />
einarbeiten, in manchem auch<br />
umstellen. Papst Franziskus pflegt einen<br />
Stil, der einem nicht wenig abverlangt.<br />
„Es geht in<br />
Limburg um<br />
Glaubens- <strong>und</strong><br />
Richtungsfragen.<br />
Will das Bistum<br />
einen Sonderweg<br />
beschreiten?“<br />
Sie leben unter einem Dach mit Benedikt<br />
in einem ehemaligen Kloster im Vatikan.<br />
Wie sieht der emeritierte Papst<br />
heute seinen Amtsverzicht?<br />
Wer den Theologen Ratzinger kennt,<br />
darf davon ausgehen, dass er diese Frage<br />
theologisch durchgeackert hat. Wer den<br />
Menschen Joseph Ratzinger kennt, sein<br />
Feingefühl, sein Amtsverständnis, darf<br />
davon ausgehen, dass er der theologischen<br />
Klärung die Gewissensklärung<br />
hinzugefügt hat. Wenn dann am Ende<br />
die Entscheidung im Amtsverzicht mündet,<br />
dann heißt das, dass die Entscheidung<br />
nicht nur durchdacht, sondern auch<br />
durchlitten wurde. Papst Benedikt hält<br />
sie nach wie vor für richtig <strong>und</strong> lebt mit<br />
der Entscheidung im Frieden.<br />
Er lässt sich nicht verplanen.<br />
Auch Benedikt ließ sich nicht verplanen.<br />
Planen heißt, die Zeit zu nutzen.<br />
Das ist eine <strong>Auf</strong>gabe, die der Präfektur<br />
<strong>des</strong> Päpstlichen Hauses von allen Päpsten<br />
aufgetragen ist. Es geht um Hilfe bei der<br />
Bewältigung der täglichen Amtspflichten.<br />
Und diese Hilfe nimmt Papst Franziskus<br />
gerne an. <strong>Die</strong> Präfektur hat die <strong>Auf</strong>gabe,<br />
Begegnungen <strong>des</strong> Papstes zu organisieren<br />
– von einfachen Audienzen über die<br />
Generalaudienz bis zu Staatsbesuchen –<br />
<strong>und</strong> Reisen innerhalb Italiens zu planen<br />
<strong>und</strong> durchzuführen.<br />
Wie oft treffen Sie Franziskus?<br />
Fast täglich. Ich begleite ihn zu allen<br />
Audienzen.<br />
Wollten Sie einen der Päpste um ein Entbinden<br />
von der <strong>Auf</strong>gabe bitten, damit<br />
dieser Loyalitätskonflikt verschwindet?<br />
Es ist klar, dass ich emotional sehr<br />
stark an Papst Benedikt geb<strong>und</strong>en war<br />
<strong>und</strong> geb<strong>und</strong>en bin <strong>und</strong> geb<strong>und</strong>en bleibe.<br />
Es gab jedoch keinen wirklichen Konflikt<br />
in der Sache. Ich brauchte nur Zeit, um<br />
Foto: Alessandro Pizzi/ SGP für <strong>Cicero</strong><br />
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<strong>Cicero</strong> – 1. 2014