Cicero Die 100 Auf- und Absteiger des Jahres (Vorschau)
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Illustration: Sebastian Haslauer<br />
<strong>Auf</strong> der Reise<br />
durch Florida ist<br />
nicht ein Mensch<br />
zu treffen,<br />
der noch nicht in<br />
Disney World war.<br />
Ein Besuch ist<br />
für viele der<br />
Hauptgewinn<br />
Familienbetrieb von zwei Brüdern, den<br />
Eltern <strong>und</strong> einigen Kindern, die vor ein<br />
paar Jahren aus der Gegend von Wuhan<br />
hierher gekommen sind. Der 17-jährige<br />
Junge, der mir das Essen über die Theke<br />
schiebt, spricht gebrochen Englisch. „Ich<br />
will seit langem hier weg“, sagt er, „aber<br />
die Eltern wollen nicht.“ Hat er irgendetwas<br />
anderes von den USA gesehen als<br />
diese kleine Stadt? Nein, nichts. Also<br />
auch nie in Disney World gewesen? „Oh<br />
doch“, die Augen blitzen, <strong>und</strong> sein kleiner,<br />
siebenjähriger Bruder kommt bei<br />
dem Wort Disney angelaufen. „Zwei Mal<br />
sogar!“ Vier St<strong>und</strong>en sind sie hingefahren,<br />
morgens um fünf Uhr los, <strong>und</strong> vier<br />
St<strong>und</strong>en zurück, um nach Mitternacht<br />
wieder in Belle Glade zu sein. „Das war<br />
toll!“, kreischt der kleine Bruder.<br />
<strong>Auf</strong> der Reise durch Florida ist nicht<br />
ein Mensch zu treffen, der noch nicht<br />
in Disney World war. Ein Besuch ist für<br />
viele der Hauptgewinn. Einmal dort gewesen<br />
sein. Dabei sein. Sich auf Bahnen<br />
mit programmatischen Namen wie<br />
„small world“ durch eine Welt schieben<br />
lassen, zu der man nicht gehört, um für<br />
einige Minuten <strong>und</strong> St<strong>und</strong>en das Gefühl<br />
zu haben, man sei doch dabei. Wie singt<br />
Conor Oberst in seiner Hymne auf Florida:<br />
„You taught me victory is sweet<br />
even deep in the cheap seats.“ Süß mag<br />
der kurze Sieg über das alltägliche Leben<br />
sein, billig ist er nicht. 95 Dollar kostet<br />
der Eintritt für „Magic Kingdom“ pro<br />
Person, Kinder unter zehn Jahren 6 Dollar<br />
weniger. Ist das nicht ganz schön teuer<br />
für euch gewesen, frage ich den jungen<br />
Mann im Chinaimbiss. Keine Antwort,<br />
er muss weiterarbeiten.<br />
ES GIBT EINEN WAHREN magischen Ort<br />
in Florida. Das sind die Sümpfe. Eines der<br />
ältesten Gebiete Floridas ist der Hammock<br />
State Park in Sebring, knapp h<strong>und</strong>ert<br />
Meilen südlich von Orlando. Mit<br />
dem Auto fahre ich die Straße entlang,<br />
die in den Park führt <strong>und</strong> in einen R<strong>und</strong>weg<br />
mündet, von dem zahlreiche Pfade<br />
in den Sumpf voller alter Zypressenbäume<br />
abgehen. Ich bin da, um zu sehen,<br />
was man hier laut Parkinfo „fast sicher“<br />
sehen kann: Alligatoren.<br />
Über die glitschigen Holzstege arbeite<br />
ich mich ins Dickicht <strong>des</strong> Sumpfes<br />
vor, tastenden Schrittes, denn es<br />
gibt eine sehr unmagische Vorstellung:<br />
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Für alle, die es wissen wollen.<br />
Ist Krieg<br />
Fortschritt?<br />
»War! What is it good for? Absolutely<br />
nothing« – heißt es in einem legen dären<br />
Antikriegssong. Stimmt nicht, sagt Ian<br />
Morris. Seine umfassende Globalgeschichte<br />
enthüllt: Zu allen Zeiten hat<br />
Krieg Leben vernichtet – aber auch<br />
Innovationen gebracht, Gesellschaften<br />
erneuert, Frieden <strong>und</strong> Fortschritt vorangetrieben.<br />
Ist Krieg vielleicht sogar<br />
notwendig? Morris riskiert nicht nur<br />
eine provokante Frage, er kann sie auch<br />
beantworten.<br />
2013. 527 Seiten, geb<strong>und</strong>en. € 24,99<br />
Auch als E-Book erhältlich<br />
87<br />
<strong>Cicero</strong> – 1. 2014